Mike Swoboda in der Villa Massimo (2006)
Glenn Gould: Der Zweck der Kunst ist nicht die Auslösung einer kurzzeitigen Adrenalinausschüttung, sondern vielmehr die allmähliche, ein Leben lang dauernde Schaffung eines Zustandes des Staunens und der Heiterkeit.
Mike Swoboda ist 1960 auf einer Pazifikinsel (das wird später wichtig) geboren und dann in Chicago und u.a. Deutschland aufgewachsen. Er hat 11 Jahre mit Stockhausen gearbeitet und es war sehr spannend wie er mit dem Instrument – Posaune – umging. Er ist Dokumenta-reif – oder auf jeden Fall eine gute Einstimmung auf die Biennale am Wochenende. Bei den Stücken von Giacinto Scelsi (1905-1988) und Luciano Berio (1925-2003) hat er auf einem Band deren Stimmen mitlaufen lassen und zu diesen Stimmen hat der dann etwas komponiert – schon schräg – aber aufregend. Dann setzte er sich – bis jetzt stand er – und man bekam den Eindruck er fängt an, sein Instrument zu reinigen und es dann mit Tönen wieder auf die richtige Temperatur einzustimmen, weit gefehlt, es war das Stück des russischen Stipendiaten der Villa Massimo (ein Bär von 130 kg mit Socken und Sandalen (1972). Ich hätte nie gedacht dass man eine Posaune so zerlegen kann, er hat mit dem Mundstück (nur) gespielt, dann Mundstück und ein Wasserglas, dann ohne das Ausziehbare, dann nur das Ausziehbare, dann mit einem Deckel, mit einem anderen Deckel und jetzt kommt Pazifik ins Spiel, dann auf einer riesigen Muschel (aus der er wahrscheinlich den schönsten reinsten Ton rausgeholt hat) und man hatte den Eindruck, er las von einem Zettel, welche Kombination als nächstes dran ist. Es war sehr lustig. Happening in der Kunst ist nichts anderes – nur im Moment nicht so gefragt. Dann kam noch ein Stück von John Cage – das ist aber jetzt verschwunden und dann das letzte wieder ein Stipendiat (1977) und bei diesem Stück hatte man den Eindruck, dass er die Töne nicht aus dem Instrument rausholt sondern versucht, sie rein zu pressen – ja so war es. Das Instrument hat die ganze Zeit gesprochen. Die Zugabe war dann nur auf der Muschel, zum Schluss mit Wasser (oder vielleicht auch was anderes) und die Geräusche waren schon leicht obzön, auf jeden Fall hörten sie sich an wie ein nicht gut funktionierendes Abflussrohr. Dafür bekam er dann auch den meisten Applaus. Alles Musik, die man zu hause nicht hören kann, weil man es nicht schafft sie zu greifen. Das Ganze hat im Innenhof der kleinen Villetta im Garten von Villa Massimo stattgefunden – im Freien – und die Flugzeuge, die ab und an über uns flogen, haben sich gut in die Musik eingebunden.
Christa Blenk