Jean Hélion – Ausstellungebericht
Seit über zwei Monaten ist im Pariser Musée d’Art Moderne (MAM) eine umfangreiche Retrospektive des Malers Jean Hélion (1904-1987) zu sehen. Hélion zählt zu den bedeutenden französischen abstrakt-figurativen Künstlern des 20. Jahrhunderts.
Sein mathematisch-geometrisches Anfangswerk eröffnet die Ausstellung. Hélion inspiriert sich vor allem an der Gruppe de Stijl um Mondrian und freundet sich mit Theo van Doesburg an. Die Composition orthogonale (1929) gehört zu einer Pariser Privatsammlung. Hélion hat sich aber nicht wirklich für das Konstruktivistische erwärmen können und wendet sich ein wenig später der Abstraktion zu. Bilder aus dieser Zeit sind eine Hommage an Fernand Leger (das Bild Figure bleue, 1935-36, gehört der Don Joseph Cantor Foundation, Indianapolis USA). Hélion defragmentiert seine Motive und nähert sich für kurze Zeit dem analytischen Kubismus an.
1931 reist er mit dem amerikanischen Maler William Einstein in die Sowjetunion und trifft Tatlin. 1932 kehrt er wieder in den USA zurück, lässt sich von seiner ersten Frau scheiden und heiratet Jean Blair. Zwischendurch hält er sich ein paar Monate in Paris auf, meldet sich bei Kriegsbeginn freiwillig zum Wehrdienst und gerät 1940 in deutsche Kriegsgefangenschaft, die er auf einem Gefängnisschiff verbringt. Vorher kauft ihm aber die Sammlerin und Guggenheim-Erbin, Peggy Guggenheim, in Paris noch ein Bild ab. Zwei Jahre später kann Hélion aus der Gefangenschaft entkommen und geht nach Paris zurück. Von dort aus flüchtet er Anfang der 1940er Jahre nach New York und schreibt ein Buch über seine Flucht (Sie werden mich nicht bekommen). Hélion beeinflulsst nachhaltig die abstrakte amerikanische Schule, darunter Ad Reinhardt oder Robert Motherwell, und es ist die Mäzenin Peggy Guggenheim, die ihm 1943 eine große Ausstellung in ihrer New Yorker Galerie Art of This Century ermöglicht. Bei dieser Gelegenheit lernt Hélion Peggys Tochter Pegeen Veil-Guggenheim kennen, die 1944 nach dem Tod von Jean Blair seine dritte Ehefrau wird.
Ab 1946 wohnt Hélion mit Pegeen wieder in Paris und widmet sich erneut der Figuration. Aber dieses Mal wirkt seine Befassung damit wärmer. Braun oder Ockertöne schleichen sich auf seine Palette. Es entstehen eine Reihe von Stillleben, darunter Nature morte à la citrouille (1948). Das Bild kam aus Nantes in die Ausstellung. 1953 malt er L’Atelier. Dieses Werk gibt einen perfekten Überblick über seine verschiedenen Malphasen. Es gehört dem Musée d’Art Moderne und musste nicht reisen.
1957 malt er La jeune fille et le mort, 1957. Ein nachdenklich, nostalgischer Akt aus der Sammlung Clovis Vail.
1967 entwickelt Hélion eine Allergie auf Ölfarben und steigt auf Acryl um. Er malt das monumentale Triptychon Dragon (benannt nach der Straße, in der sich seine Galerie Cahier befindet). Darauf beschreibt er beeindruckend das Pariser Leben: eine blaue, kalte Symphonie von flanierenden Menschen zwischen Geschäften, Vitrinen, Mannequins mit einem beeindruckenden Radfahrer der Moderne.
1958 trennt Hélion sich von Pegeen und heiratet 1963 ein viertes Mal, und zwar die Ex-Frau von Pegeens Bruder Sindbad, Jacqueline Ventadour.
Die erste große Ausstellung nach seinem Tod fand 2004 im Centre Pompidou statt.
Die Ausstellung im MAM mit über 150 Exponaten Jean Hélion – La prose du monde ist sehr gelungen, klar und informativ. Nach dem Besuch kennt man den Künstler besser. Dafür sorgen auch eine Reihe von Interviews mit unterschiedlichen Künstlern oder Journalisten.
Die Schau ist noch bis zum 18. August 2024 zu sehen.
Christa Blenk