Brancusi im Centre Pompidou
Bevor das Pariser CENTRE POMPIDOU 2025 für längere Zeit zwecks Renovierungsarbeiten schließen wird, hat es noch eine umfangreiche Retrospektive mit Werken von Brancusi organisiert.
Vor 120 Jahren kam der junge rumänische Künstler Constantin Brancusi (1876-1957) auf Schusters Rappen in Frankreich an und fasst sehr schnell Fuß im damals pulsierenden Paris. Heute zählt Brancusi zu den Erfindern der modernen Plastik.
« Meine Skulpturen sind nicht dazu da, um Respekt zu erheischen. Sie sollen geliebt werden und man soll mit ihnen spielen. »
Die Ausstellung ist nach Themen sortiert und zeigt Brancusi im Umfeld von seinen besten Freunden wie Marcel Duchamps, Fernand Léger oder Amedeo Modigliani. Unzählige Fotos und Porträts begleiten diese Epoche.
Drei weiße, in die Höhe ragende Hähne begrüßen den Besucher. Weiß mag er, der Künstler. Über seinem Anzug trägt er gerne einen weißen Arbeitsmantel. Hähne kündigen den Tag an, stehen für Anfang, für eine neue Sprache, bei ihm für ein neues Leben. 28 Jahre ist er alt, als er in Paris eintrifft. Ziemlich bald wird der große Rodin auf ihn aufmerksam und beschäftigt ihn für kurze Zeit als Gehilfen. Anschließend legt er Hammer und Meißel ab und formt. Modelle braucht er nicht. Er arbeitet mit der Erinnerung, realisiert das, was ihn am meisten beeindruckt, verrät seine Quellen. Formen und Linien werden immer wichtigere Bestandteile seiner Kunst. Um Vereinfachung und Reduzierung dieser geht es im nächsten Saal.
Brancusis Antwort auf den Dadaismus, auf Duchamp oder Man Ray, ist die Plastik Princesse X (1916) aus polierter Bronze. Sie wurde vom Salon des Indépendants abgelehnt, nachdem Matisse laut „Seht mal, ein Phallus“ gerufen haben soll. Zwei Jahre später bekommt dafür seine Skulptur L’oiseau d’or (dt.: Goldvogel) einen Ehrenplatz in der Ausstellung.
Im achten Raum werden seine Holzskulpturen gezeigt. Ihnen fehlt das glatte, weiche, geschmeidige. Sie kommen im Vergleich zu den sonst hochpolierten und minimalisierten Arbeiten grob daher. Porträts spielen eine weitere Schlüsselrolle in Brancusis Werk, oder besser gesagt, die charakteristischen Eigenschaft wie eine besondere Frisur, Nase, Augenform, die er wieder aufs Minimum reduziert. Mit der spirituellen Serie Oiseaux dans l’espace (dt.: Vögel im Himmel) symbolisiert Brancusi seinen Traum, der Erde, der Schwerkraft zu entkommen. Fliegen ist eine seiner Obsessionen. Einer dieser Bronze-Himmelsvögel löste 1926 eine Kontroverse beim US-Zoll aus. Die Beamten weigerten sich, die Vogel-Skulptur als Kunstwerk anzuerkennen und verhängten hohe Zollgebühren auf seine Einfuhr als Industrieobjekt. Der Streit dauerte ein Jahr, aber schließlich wurde der Bescheid aufgehoben, und die Plastik durfte als Kunstwerk einreisen. Das Vogelmotiv hat Brancusi über drei Jahre beschäftigt. Es gibt sie in Marmor, Bronze, Gips. Es sind hungrige Vögel aus bekannten rumänischen Märchen, Maiastras, mit einem runden Körper und langen Hälsen. Brancusi streckt sie in die Länge, lässt sie in den Himmel reichen. Bei den Tiermotiven spielt vor allem der Hahn in allen Materialen eine Rolle (Le Coq, 1935). Die Sockel für seine Plastiken sind genauso bedeutend wie die Skulptur selber, gehören dazu.
In der Mitte der Ausstellung kann man Teile seines rekonstruierten Ateliers sehen. Sobald Brancusi eine Plastik verkauft, ersetzt er diese direkt mit einem Gips- oder Bronzemodell, um ja nicht die Harmonie in seinem Atelier zu zerstören.
Im rumänischen Pavillon der Weltausstellung 1937 ist Brancusi mit L’Oiselet (dt.: das Vögelchen) vertreten. Eigentlich wollte er die Colonne sans fin (dt.: die endlose Säule) aufstellen. Aber die Zeit reicht nicht, sie fertigzustellen. Diese Säule steht nun in Târgu Jiu in Rumänien. Am Ende der Ausstellung wird auf diesen künstlerischen Höhepunkt seines Schaffens hingewiesen. Hier lässt Brancusi Architektur und Skulptur miteinander fusionieren.
Die letzten Jahre widmet er sich der Vergangenheit und lässt frühere Konzepte wieder auferstehen.
Brancusis Vorbilder sind Rodin und Gauguin, rumänische Architektur, indigene Kunst aus Afrika oder Asien.
Fünf Jahre vor seinem Tod wird Constantin Brancusi französischer Staatsbürger. Sein Atelier vermacht er dem französischen Staat. Seine Hinterlassenschaft umfasst außer seinen Werken über 10 000 Briefe, Aufzeichnungen, Bücher.
Vor drei Jahrzehnten war die letzte, bedeutende Retrospektive von Brancusi in Paris zu sehen. Die 120 Exponate, darunter Skulpturen, Zeichnungen, Filmen und unzählige Fotos, für diese Schau kommen aus bedeutenden Sammlungen und internationalen Museen, darunter die Modern Tate, das MoMA, das Guggenheim Museum, aus Chicago und aus dem Rumänischen Nationalmuseum für Kunst und natürlich aus den Pariser Museen. Wer bis jetzt Brancusi nur mit der glänzenden, schlafenden Muse verbunden hat, wird überrascht sein.
Kuratorin der Ausstellung, die noch bis zum 1. Juli zu sehen ist, ist Ariane Coulandre.
Die Schau freut sich großen Erfolges und dementsprechend voll sind die Säle sowie die Rolltreppen nach oben, von denen aus man einen grandiosen Blick auf Paris hat.
Eine Reservierung wird unbedingt empfohlen.
Christa Blenk