Festival Lanvelec et du Tregor
Der wahre Liebhaber wird ständig und unaufhörlich vom Bild der Geliebten aufgesogen“, ist der 30. Grundsatz des Traktats über die Liebe von Andreas Capellanus. Er war einer der ersten, der sich mit den Liebesgepflogenheiten im Mittelalter befasste und sie auch niederschrieb.
Und um die Liebe, sakrale oder profane, sollte es beim 37. FESTIVAL DE LANVELLEC ET DU TRÉGOR auch gehen. Wie jedes Jahr findet es ab Anfang Oktober an drei Wochenenden, bestehend aus drei Konzerten an jeweils unterschiedlichen Orten sowie einem Vortrag am Samstagnachmittag, in Vorbereitung auf das Hauptkonzert am Sonntag um 15 Uhr, statt.
Das Eröffnungskonzert unter dem Motto « Nuit & Jour (Tag und Nacht) » befasste sich dann auch direkt mit den unterschiedlichen Gesichtern zwischen prunkvoller Rhetorik und reicher Symbolik in dieser leuchtenden, mittelalterlichen Liebeslyrik. Das Ensemble Sollazzo aus der Schweiz hatte dafür mit Kompositionen von Guillaume de Machaut (1300-1377), Francesco Landini (1336-1397) oder Bartolino da Padova (1365-1405) eine Brücke in die heutige Zeit gebaut und das Publikum in der alten Kirche von Ploubezre mit charmanten, strahlenden und zum Teil witzigen Gesängen verzaubert. Die großartigen Solisten und Schauspieler waren die Sopranistin Carine Tinney und der Tenor Jonatan Alvarado. Roger Helou spielte das Organetto, ein interessantes Instrument zwischen Orgel, Akkordeon und Pfeifen.
Auch das Konzert mit dem Titel „Adonia“ am nächsten Tag bestach mit einem sehr ausgesuchten Programm um Venus und Adonis und die ihnen gewidmeten Feste im antiken Athen. Das Ensemble Phaedrus inszeniert den Mythos um Venus und Adonis, wie er in der italienischen Renaissance hätte interpretiert werden können: Die Beschwörung, Geburt des Adonis, Adonis in der Unterwelt mit Persephone, die Liebe zwischen Aphrodite und Adonis, der Tod des Adonis und das finale, ekstatische Lamento. Mara Winter dirigierte das hervorragende Ensemble im Kulturzentrum von Trébeurden. Die Renaissance-Sängerin mit einer klaren, schönen und ausdrucksstarken Stimme war Miriam Trevisan.
Das Hauptkonzert und das Highlight des kompletten Festivals, die Oper Dido und Äneas, fand am Sonntag im Carré Magique von Lannion statt. Diese Produktion wurde als konzertante Aufführung extra und nur für dieses Festival auf die Beine gestellt. Die herausragenden Sänger und Sängerinnen haben teilweile zwei Rollen gesungen. Anna Reinhold, die einmal Dido und dann die Magierin interpretierte und dabei innerhalb von Sekunden von einer Rolle in die andere schlüpfte, ohne sich physisch zu verändern oder zu verkleiden, war beeindruckend. Elodie Fonnard war eine quirlige und mitfühlende Belinda und die zweite Hexe. Romain Bockler als Äneas und Seemann. Desweiteren traten Fiona McGown, Nicolas Kuntzelmann, Juliette Perret, Guillaume Gutierrez und Martin Candela auf. Musikalisch unterstützt vom Ensemble Les Timbres. Diese Darbietung hatte wieder einmal gezeigt, dass konzertante Aufführungen der Musik mehr Vordergrund gönnen.
Da die Purcell-Oper Dido und Äneas nur eine knappe Stunde dauerte, hatten das Ensemble und die Sänger ein 15-Minuten-Programm als Einleitung vorbereitet, das in einem roten Faden von Thomas Tallis (1505-1585) bis Matthew Locke (1621-1677) den Übergang von der Renaissance- zur Barockmusik anschaulich darstellte.
Auf dem Festivalprogramm der kommenden zwei Wochenende (14.-15.10. und 20. -22.10.) stehen Kantaten von Clérambault, Pirame & Tisbe unter der Leitung von Reinoud van Mechelen. Ein Abend wird den Bachkantaten BWV 62 und 135 gewidmet sein. Desweiteren kann das Publikum Bekanntschaft mit der Instrumentalmusik der Scarlatti-Familie machen. Der letzte Konzertabend steht unter dem Motto « Schütz und sein Erbe ».
Die meisten Festival-Konzerte finden in alten, kleinen Kirchen statt, und man kann immer davon ausgehen, unbekannte Komponisten oder wenig bekannte Kompositionen kennenzulernen.
Christa Blenk