Rembrandt – Der Jakobssegen
Rembrandt hüllt die Szene in ein mildes, rötlich-goldenes Ambiente. Jakob, der Patriarch, befindet sich im Baldachin-Bett, das schräg im Raum steht und mit einer schweren, samtroten, sehr großen Decke darauf eine Barriere zwischen dem Betrachter und der Familie aufbaut. Die dunklen Vorhänge sind zurückgezogenen. Der alte Mann trägt ein hellgraues Hemd und eine für die damalige Zeit typische Bettmütze. Sein wertvoller Fuchspelz fällt leicht über seine Schultern nach hinten auf das hell erleuchtete, weiße Kissen. Mühsam richtet der Patriarch sich mit Hilfe seines Sohnes auf. Josef schmückte sich für diesen Anlass mit einem hellen, orientalischen Seidenturban. Von seinem Mantel sieht man so gut wie nichts. Josef Frau rechts im Bild ist nach der aktuellen Mode in Rembrandts Zeit gekleidet und trägt eine burgundische Haube, ein dunkles, schweres Samtkleid, wertvolle Ohrringe und eine Perlenkette. Ihre Hände liegen gefaltet ineinander. Sie blickt leicht nach links auf die Szene des Segnens. Rembrandt hat ihr einen Gesichtsausdruck verpasst, der an ägyptische Mumienportraits erinnert. Der alte Mann blickt über seinem langen, weißen Bart auf die beiden Kinder, Manasse und Ephraim. Sie erwarten den Segen in sehr unterschiedlichen Positionen.
Im Mittelpunkt des Bildes passiert eine Choreografie unterschiedlicher Hände. Jakobs Arme sind überkreuzt. Seine linke Hand berührt leicht nur mit den Fingern Menasses Haupt, während seine Rechte sich an den blonden Ephraim herantastet, dessen Kopf von einem leichten Heiligenschein umgeben zu sein scheint. Vielleicht gehört dieser Effekt aber auch zum Kleid von Josef. Ephraim wirkt sehr konzentriert, mit verschränkten Armen auf der Brust blickt er andächtig nach unten. Er sieht älter und größer als Manasse aus, der direkt auf den Betrachter schaut, in sich ruhend, ein wenig gleichgültig, selbstbewusst. Er ist bis zum Kopf von der roten Decke bedeckt. Nur die Finger seiner linken Hand scheinen die Tagesdecke etwas zurückschieben zu wollen. Die Geschichte will, dass Jakob das zweitgeborene Kind segnet. Dem versucht Josef mit rücksichtsvoller Sanftmut entgegenzuwirken und umfasst von unten die Hand seines Vaters, um sie zum anderen, älteren Kind hin zu bewegen. Er berührt dabei mit seinen Fingerknöcheln leicht Manasses Haar. Vielleicht ist es aber auch umgekehrt oder Rembrandt hatte nur Lust, ein Handballet zu malen. Die Bibel weiß, dass Jakob die Kinder nicht verwechselt hat, weil er schlecht sieht, sondern weil er voraussieht, dass der jüngere Bruder bedeutender sein würde. Jedenfalls steht es so im 48. Kapitel des 1. Buches Moses. Josef lächelt sehr mild bei dieser Aktion. So als ob nicht wirklich etwas vom Erfolg seiner Bemühungen abhängen würde. Theatralik gibt es nicht, alles scheint auf natürliche Weise und in großer, stiller Intimität zu passieren. Auch Jakobs naher Tod verbreitet keine Dramatik. Die Personen erscheinen bewegungslos, eingefroren in ihrer Aktion werden sie zu von innen leuchtenden Requisiten, zu farblichen Formen, die zusammenwachsen, ineinander verschmelzen. Die Barockdiagonale zieht sich vom Bett rechts unter zwischen den Köpfen von Vater und Sohn zum Baldachin.
Rembrandt malt ein Drei-Generationen-Bild: der würdige, müde Alte, der milde Josef und seine besinnliche Frau, die so unterschiedlichen Enkel, die sicherlich bei der Segnung älter waren als auf dem Bild. Handlung und Farbe verlieren sich, werden bedeutungslos, je weiter man an den Bildrand kommt, was die Segnung noch stärker hervorhebt.