Andere Länder – andere (Silvester) Sitten
Wenn sich der Dezember seinem Ende zuneigt, dann werden in jedem Land unterschiedliche Vorbereitungen in Gang gesetzt, um das neue Jahr gebührend zu begrüßen. Nachdem die gesamte Republik – wie jedes Jahr zwischen Raclette, Marzipanschweinchen, Schornsteinfegerfiguren und Kleeblätter – „Dinner for one“ gesehen hat, kommt der aktive Teil. Für die einen heißt das Lärm in Form von Feuerwerkskörpern, die unkontrolliert durch die Gegend geschossen werden und die Nacht zum Tage machen. Wer es ruhiger mag und ein wenig abergläubisch ist, konstruiert sich das neue Jahr mit Bleigießen.
Während man in Wien – mit einem Walzer versteht sich – in das neue Jahr tanzt, laufen die Bergbewohner in Österreich oder in der Schweiz mit furchterregenden Masken, schrillen Schellen und betäubenden Trommeln durch den Schnee, um das Böse zu vertreiben.
Unsere französischen Nachbarn hingegen haben es lieber beschaulich und lassen sich den letzten Tag des Jahres etwas kosten. Den Reveillon feiern sie am liebsten in einem schicken Restaurant mit Austern, Lachs, Krabben und Champagner. Man sollte darauf achten, irgend etwas Rotes zu tragen und wenn es nur eine Halskette ist. Persönliche Feuerwerke gibt es nicht!
In Italien spielt die Farbe Rot ebenfalls eine bedeutende Rolle, allerdings muss es hier neue, rote Unterwäsche sein. Das ist auch der Grund, warum man schon vor Weihnachten fast nur noch rote Dessous in den Geschäften oder auf den so beliebten Banquarelle findet, die nicht selten zu Weihnachten verschenkt werden. Wer es aber ernst nimmt und das Glück nicht herausfordern möchte, der muss diese Kleidungsstücke am 1. Januar wieder entsorgen. Kulinarisch ist man hier ein wenig bescheidener. Mit einer fetten Wurst aus der Emilia Romagna und Linsen – neben der Pasta natürlich - ist man ganz gut aufgestellt. Und wer dann die vielen Kalorien am 1. Januar gleich wieder loswerden möchte, der springt am besten um die Mittagszeit von der Cavour-Brücke in den grau-braunen Tiber, der ja eher selten zugefroren ist!
In Ungarn werden ebenfalls Linsen gegessen. Geflügel soll man meiden, denn es fliegt mit dem Glück davon während Schweinefleisch das Glück nach Hause treibt. Die Abergläubischen backen Münzen in Kuchen und unverheiratete Mädchen kochen Knödel mit Männernamen. Der Knödel, der zuerst an die Oberfläche kommt, verrät den Namen des zukünftigen Mannes. Böse Geister werden mit Lärm vertrieben und putzen oder waschen soll man tunlichst meiden.
Einer der schönsten Silvesterbräuche kommt aus Spanien. Er ist ganz leicht umzusetzen und kann überall zelebriert werden. Am 31.12. um Mitternacht beobachtet das komplette Land das Geschehen auf der Puerta del Sol in Madrid, um unter Anweisung von Moderatoren, die meist frierend in Festtagskleidung im Freien stehen, mit jedem Glockenschlag 12 Trauben stellvertretend für die nächsten 12 Monate zu verschlingen. Der Spanier nimmt diesen Brauch, der wohl auf einen früheren Traubenüberschuss zurückgeht, sehr ernst und würde nie ohne Trauben am 31.12. irgendwo hingehen. Ist er zum Abendessen bei Nicht-Spaniern eingeladen, bringt er sich seine Trauben mit. Für kleinere Kinder empfiehlt es sich, die Trauben vorher zu schälen und zu entkernen, denn Zeit hat man nicht viel, da beim letzten Schlag die 12. Traube verschwunden sein muss. Sollte man aus irgend einem Grund den Gongschlag um 24 Uhr verpassen, hat man nochmals eine Chance eine Stunde später, wenn die Kanarischen Inseln die Trauben essen!
Die Griechen backen kleine Geldmünzen in ihr Basiliusbrot und wer beim Essen auf eine Münze beißt muss zwar dann zum Zahnarzt, aber das Glück wird ihm hold sein.
In Tschechien hingegen wird nach Mitternacht ein Apfel halbiert und hier entscheiden die Kerne, wie das nächste Jahr aussehen wird: Stern bedeutet Glück, Kreuz Unheil.
In Bulgarien bekommt man Schläge auf den Rücken – das soll Reichtum und Gesundheit verheißen. Dazu wird ein Ast des Kornelkirschbaums geschmückt. Dann heißt er „Surwatschka“ und jetzt kommt die Stunde der Kinder, denn die dürfen von Haus zu Haus gehen und den Bewohnern auf den Rücken schlagen und bekommen auch noch Bonbons dafür.
In Großbritannien wird auch eher auf private Feuerwerke verzichtet. Dafür findet eines der größten am Riesenrad von London – dem London Eye – statt. Hunderttausende von Menschen versammeln sich dort und es wird auch live im Fernsehen übertragen. Die Schotten hingegen gehen tagelang von einem Haus zum anderen und wünschen Freunden und Verwandten ein gutes neues Jahr. „First Footing“ bedeutet, dass der Erste, der im neuen Jahr über die Türschwelle des Nachbarn geht, Glück bringt – vor allem wenn er Shortbread, Salz und Whisky dabei hat.
In Russland wird gleich zweimal gefeiert. Einmal am 1. Januar und das zweie Mal in der Nacht vom 13. auf den 14. Januar, nach dem julianischen Kalender der russisch-orthodoxen Kirche. Aber egal wann man es tut, man muss in den letzten Minuten des alten Jahres seinen Wunsch für das Neue auf ein Blatt Papier schreiben, es verbrennen und die Asche in ein Glas Champagner schütten. Wenn man das Glas dann bis Punkt Mitternacht leert, geht er Wunsch in Erfüllung. Also am besten, man nimmt ein ganz kleines Blatt Papier.
Auf der anderen Seite der Erdkugel, in Argentinien, werden alte Unterlagen zerschreddert und die Papierschnitzel – wahrscheinlich weil es dort im Dezember nie Schnee gibt – anschließend aus dem Fenster gerieselt. Die Mexikaner hingegen stellen den Besen vor die Tür, um Altes und Unerledigtes nicht ins Neue Jahr mitzunehmen (oder vielleicht um die Papierschnitzel der argentinischen Nachbarn wegzufegen!). Die Chilenen wiederum machen ihr Glück von der Farbe der Unterwäsche abhängig. Trägt man rot wünscht man sich Glück und Leidenschaft. Gelb hingegen sollte man tragen, wenn man lieber reich werden will und wer immer noch auf der romantischen Suche nach der Liebe ist, der muss rosa tragen.
Mit der Farbe Rot liegt also man also in vielen Ländern richtig – außer in Brasilien: die tanzen ihre Samba lieber in Weiß gewandet.
Die US-Amerikaner essen ebenfalls Linsensuppe, um sich einen Geldsegen zu sichern. Die Nachkommen der Deutschen, die sich in Pennsylvania angesiedelt haben, essen Sauerkraut und verlassen das Haus nicht, denn das soll Unglück bringen. Die New Yorker sehen das anders und feiern normalerweise die größte Silvesterparty der Welt auf dem Time Square. Dieses Jahr wird wahrscheinlich die „Ball Drop“ Zeremonie auch virtuell stattfinden. Hierbei handelt es sich um eine Kugel, die einen 60 Sekunden Countdown bis Mitternacht einleitet und sich von einer 23 Meter hohen Stange herabsenkt. An die „Wishing Wall“ am Time Square kann man auf Post-its seine Wünsche hinterlassen. Diese werden anschließend eingesammelt, vermischt und als Konfetti durch die Luft geworfen. Hier dürfte ein einfacher Besen am nächsten Tag nicht ausreichen, um alles wegzufegen.
Die Chinesen oder Koreaner kehren – mit Bambus vorzugsweise - erst im Februar das Unglück vor die Tür und wer kann erneuert seine Kleidung, verziert die Häuser mit rotem Papier und goldenen Glückssymbolen. Die Fenster werden geöffnet, aber nicht um die Feuerwerk zu sehen, sondern um das Glück herein zu lassen. Junge, unverheiratet Frauen, werfen angeblich in einigen Gegenden Mandarinen ins Meer, um einen guten Ehemann zu finden.
In Japan können die Feiern schon mal sieben Tage dauern. Dort werden klebrige Mochi (Reisklöse) gekocht, was nicht so ganz ungefährlich ist, weshalb die Feuerwehr jedes Jahr aufs neue wiederholt, dass der Erstickende auf den Boden gelegt werden soll und mit fünf Schlägen zwischen die Schulterblätter vom Erstickungstod gerettet werden kann.
Viele dieser Bräuche und Sitten werden natürlich dieses Jahr so nicht stattfinden können. Auch die Abendessen im Kreise von Freunden oder Familie werden ausfallen müssen. Aber wie auch immer Sie den Jahreswechsel begehen, rutschen Sie gut ins hinein!
Christa Blenk