Freilichtmuseum Sart Tilman – Lüttich
Von Brüssel kommend verlässt man die Autobahn E 40 kurz vor Lüttich und wird – noch bevor man das Auto abgestellt hat – von einem neueren Werk von Jean-Pierre Ransonnet „Le sapin rouge“, das 2013 dort aufgestellt wurde, begrüsst.
Die Universität von Lüttich/Belgien liegt inmitten eines riesigen Zaubergartens, der voller Kunst-Überraschungen steckt. Zwischen Fakultäten und Verwaltungsgebäuden, die zum Teil an Gemälde oder Szenen von Giorgio de Chirico erinnern, trifft man immer wieder auf Skulpturen und Installationen.
1977 wurde das Freilichtmuseum Sart-Tilman in diesem Naturschutzgebiet in der Nähe von Lüttich errichtet. Über 110 Museums-Zeitzeugen von Künstlern vor allem aus dem 20. Jahrhundert, verbrüdern sich mit Bäumen, Lichtungen, moderner Architektur und Wanderwegen. Man zahlt keinen Eintritt und nicht alle Spaziergänger folgen dem Plan, den man an einem Pavillon am Eingang des Uni-Komplexes findet. Und trotz dieser Hilfe, wird man nicht alle entdecken. Entstanden ist dieses Open Air Museum in Kooperation der der Universität Lüttich und dem Kulturministerium in Fortsetzung einer Idee, denn einige Skulpturen wie „Le grand aigle des conquètes“ oder „Composition monumentale“ von Léon Wuidar standen schon dort, bevor es zum Freilichtmuseum wurde. 1987 hat Wuidar dann noch „Labyrinthe“ aufgestellt.
Die Harmonie zwischen Bauwerk, Landschaft und Wald steht immer an erster Stelle und obwohl die Skulpturen nicht unbedingt für dieses Museum gefertigt wurden, fügen sie sich wunderbar und respektvoll in das Umfeld ein und dialogisieren mit den Waldgeistern. Es gibt unterschiedliche Wege, die mit Farben gekennzeichnet sind, man kann aber immer zwischendurch von einem zum anderen wechseln.
Mitten im Wald – Freilichtmuseum Sart Tilman
Bei „Un rêve de pierre secrète“ der Gruppe TOUT (1983) handelt es sich um einen gebrochenen Marmorblock von 2 x 10 x 1 Meter, der neben der Fakultät für Physik steht. Die Steine blockieren eine Tür in ein verbotenes Paradies. «TOUT» ist eine gemeinnützige Organisation und hat im Museum mehrere Objekte aufgestellt. „Imago“ von Emile Desmedt (1956) ist eine Art Riesenei, das durchgeschnitten, mitten auf einer Wiese liegt und sich gerade in zwei Teile spaltet. Der Künstler hat 1994 den Jugend-Skulpturenpreis der Wallonie gewonnen. „Imago“ kam 2006 ins Museum. André Willequet (*1921) hat mehrere seiner Werke im Park aufgestellt. Er hat ein paar Jahre mit Oscar Jespers gearbeitet und unter anderem den Zweiten Preis von Rom gewonnen. Eine Bronzeskulptur heißt „l’Aigle“ (1964) eine andere „Le Souvenir“ (1967). Von George Grard (1901) gibt es ebenfalls mehrere Frauenskulpturen, darunter « Niobé“ (1947) und „La Caille“ (1960). Grard war übrigens ein guter Freund von Paul Delvaux und hat die letzten Jahre an der belgischen Küste verbracht. Félix Roulin (*1931) hat sich mit „Liaison 1“ (1982) wohl an Konstantins Fuß im römischen Kapitol inspiriert und seinen Riesenfuß in einem kleinen Amphitheater direkt vor dem Rektorat aufgestellt. Eingerahmt ist er von 14 kleinen Säulen. Serge Vandercams Granitblock-Installation „Lieu“ (1984) gehört zu den monumentalsten Installationen dort. Er hat sie ganz subtil zwischen das Gebüsch gepackt und sie mit einer Gruppe von Bänken ergänzt und zitiert die Megalithen von vor langer Zeit. Michel Smolders (*1929) hat auch mit Granit und Stein gearbeitet und fünf Skupturen in den Park gebracht. Darunter „Le grand gisant“ (1982). Vandercam und Smolders haben im Rahmen eines Projektes für die unbekannten Toten auf dem Universitätsgelände „Lieu“ und „Le grand gisant“ entwickelt. Jean-Marc Navez (*1947) hat mit „Métamorphose au-pierre pour un écoulement“ (1983) ein sehr poetisches Werk geschaffen, das man wirklich suchen muss, so sehr hat es sich mit der Natur verbunden. Mit den Maßen von 1,15 x 20 Meter am Rande des Amphitheaters bestehend aus 20 Kalksteinblöcken.
Die aus Stahl und Kautschuk bestehende Skulptur des polnisch-belgischen Künstler Tapta (*1926) „Transit“ blockiert den Weg und zwingt den Besucher, durch die Skulptur zu wandern, um weiter zu kommen. Lange suchen muss man für eine schöne Fliesenarbeit von Pierre Alechinsky. „Album et bleu“ ist eine blaue Hommage an Delft.
Das ist nur eine kleine Auswahl. Außerdem findet man u.a. in diesem Freilichtmuseum Skulpturen oder Installationen von Rik Wouters, Daniel Buren, Idel Ianchelevici, Colette Hendrion, Daniel Dutrieux, Jean Willame, Florence Freson oder Pierre Culot und eine „Idee de porte“ von Jean-Marie Mahieu.
Man sollte mindestens 3 Stunden einplanen, denn die Wege sind lange, aber der Spaziergang ist auch ohne Skulpturen wunderschön. Man hat ein Gefühl von großer Freiheit, denn es gibt – außer wenn es Baustellen sind – keine Grenzen. Allerdings sollte man daran denken, dass die Werke im Inneren nur dann besichtigt werden können, wenn die Gebäude geöffnet sind (was am Wochenende nicht der Fall ist). Das Suchen der Skulpturen gehört zur Freude an der Kunst. Im Herbst dürfte es dort wunderschön sein, wenn die Blätter mit ihrer Vielfarbigkeit den Skulpturen Konkurrenz machen.
Tolles Projekt!
Christa Blenk