Autoquarantäne in Mittelalter – A tale form the decameron
„Wie viele tapfere Männer, wie viele schöne Frauen, wie viele blühende junge Menschen, die sogar Galenus für kerngesund gehalten hätte, speisten am Morgen mit ihren Eltern, Freunden und Gefährten und tafelten schon am darauf folgenden Abend drüben in der anderen Welt bei ihren Ahnen!“ (Dekameron, Macchi, Bd. 1, S.25)
Zehn Personen begeben sich im Jahre 1348 in eine freiwillige Isolation in die Toskaner Berge. Der Zufall hat die sieben jungen Frauen und die drei jungen Männer in einer Florentiner Kirche zusammen geführt. Mit Dienstboten und Verpflegung flüchten sie vor der Pest. In dem Landhaus angekommen, verlieren sie die Angst und wollen sich vergnügen. Versorgungsprobleme scheinen sie auch nicht zu haben. Um die Zeit totzuschlagen schlägt Pampinea vor, dass sie sich jeden Tag zu einem anderen Thema Geschichten erzählen. Die tragisch-komisch-verwegenen Novellen handeln von Glück, Unglück, Liebe, Edelmut, von Streichen die Frauen ihren Männern spielen, von erotischen Abenteuern und kritisieren sogar die Kirche. (1 Person x 1 Geschichte x 10 Personen x 10 Tage = 100 Geschichten ).
Erfunden hat Giovanni Boccaccio (1313-1375) die meisten dieser Geschichten nicht. Sie sind arabischen, indischen oder europäischen Ursprungs. Er hat sie vor allem in Form gebracht und gebündelt. Noch heute ist dieses Meisterwerk der Prosa eine bedeutende historische Quelle, wenn es um die Pest in Florenz geht.
Zu den Künstlern, die später diese Toskaner Autoquarantäne in Bildern erzählten, gehört auch der britische Maler John William Waterhouse (1849 – 1917). Waterhouse ist in Rom geboren und hat eine italienische Mutter, sein Vater war Maler. Später in England schloss er sich der Schule von Edward-Burne-Jones und Alma-Tadema an. Sein Bild Decameron ist ganz im Stil der Präraffaeliten gemalt, aber außerhalb ihrer Zeit. Sie wollten Mitte des 19. Jahrhunderts die Kunst vor Raffael wieder aufleben lassen und verehrten vor allem die italienischen Maler im Trecento und Quattrocento. Sie folgten aber auch den deutschen (biblischen) Nazarenern um Overbeck, die sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Rom zusammen getan haben. Dante Gabriel Rossetti, genannt der Dichter, und John Everett, haben in England diese Bewegung ins Leben gerufen. Ihre Farben sind leuchtend und direkt, die Gestalten idealisiert. Inspirationsquellen waren Legenden oder Geschichten aber auch bei Shakespeare und Keats haben sie sich bedient.
Auf Waterhouse‘ Bild „A tale from the Decameron“ sind nur 9 Personen zu sehen. Fünf Frauen sitzen vor einem jungen Mann im Gras eines parkähnlichen Gartens. Umgeben von Bäumen und Brunnen hören sie ihm aufmerksam zu. Er trägt eine rote, schlichte Kopfbedeckung und sitzt auf einem Teppich auf einer Treppe. Der junge Mann scheint gerade eine Musikpause zu machen, denn die Laute liegt auf seinen Knien. Sein rechter Arm ist ausgestreckt. Neben ihm auf der Marmortreppe sitzt eine junge Frau und blickt verträumt auf die Wiese. Die jungen Mädchen sind vornehm blass und ihre schönen Kleider sowie die kunstvollen Frisuren verraten, dass sie dem florentiner Adel angehören. Links im Bild neben einer jungen Frau in einem hellroten Kleid liegt ebenfalls eine Laute im Gras. Hinter hier pflückt ein Mädchen Blumen. Im Hintergrund steht ein junger Mann mit einer blau gekleideten Dame am Arm neben einen Orangenbaum. Die Spitze eines Turmes am Ende des Gartens deutet darauf hin, dass sie es nicht weit zur Zivilisation haben. Während die Konturen von Gesichter und Lippen sehr scharf gezeichnet sind sprechen Rasen und Natur des Gemäldes eher die Sprache von Turner. Die Gesichtsausdrücke der Personen sind weder besorgt noch bedrückt, eher romantisch- konzentriert. Das Bild entstand 1916, misst 101 x 159 cm und hängt im National Museum in Liverpool.
Christa Blenk