Traces – Ultima Vez
Gipsys, Jets und Sharks im Bärenwald
Eine vom Leben nicht favorisierte Gemeinschaft am Rande einer Autobahn liegt mit einer anderen im Clinch. Man streitet sich um Decken, um Altkleider aus einer Mülltonne, um Schlafgelegenheiten, um einen kleinen Bären und um Macht. Die Natur wird gerade zerstört, Autobahnen gebaut, Bäume gefällt. Die Bären verlieren ihr zuhause.
Der Choreograph Wim Vandekeybus hat bei seiner neuesten Produktion « Traces« immer wieder auf das Kino zurückgegriffen. Kein Wunder, denn er ist selber auch ein bekannter Regisseur. Einmal stehen sich die rivalisierenden Jets and Sharks aus Bernsteins West Side Story gegenüber, dann wieder wird man in den Film von Kustorica « The time of the Gypsis » oder « Underground » geschickt und das Erwachen der Menschen erinnert an Kubricks 2001 – space Odysse. Wilde Rituale der Menschwerdung und Untergebene. Das Tier im Menschen oder der Mensch im Tier? Zum Schluss gewinnen die drei als Bären verkleideten Tänzer diese Runde, denn als der letzte gefällte Baum die Bärenführerin erschlägt, nehmen sie bitter Rache.
Wim Vandekeybus hat das Geschehen nach Rumänien verlegt, einmal, weil es dort noch Bären und unberührte Natur gibt und dann natürlich, weil Rumänien Ehrengast 2019 von Europalia ist. Die Welturaufführung hat am 8. Dezember stattgefunden.
Die aufgeladene Choreografie lehnt sich manchmal an Nijinskys « Sacre » an, wenn die 10 Tänzer über die Bühne stampfen bis sie dann wieder federleicht über die Bühne fliegen oder geflogen werden. Mary Wigmans Ausdruckstanz und eine Hommage an Pina Bausch wird ebenfalls angedeutet. Es wird soviel Energie umgesetzt und versprüht, dass man sogar als Zuschauer zum Schluss physisch kaputt ist. Das liegt aber auch an der Hard Rock Music, die bis in die Innereien vordringt. Aggressionen und Humor und viel ansprechende Choreografie hat diese Produktion zu bieten.
Wirklich beschreiben kann man die Geschichte nicht, denn es sind ganz viele Geschichten, die erzählt werden und man braucht auch gar nicht alle zu verstehen. Nur: verpassen sollte man Traces auf gar keinen Fall. Tanztheatergenuss pur!
Der belgische Choreograph und Regisseur Wim Vandekeybus (*1963) lebt und arbeitet mit seiner Gruppe „Ultima Vez“ in Brüssel. Er gehört zu den Hauptprotagonisten des flämischen zeitgenössischen Tanzes zusammen mit Anne Teresa De Keersmaeker oder Jan Fabre. Er hat – im Gegensatz zu De Keersmaeker – immer eine Geschichte zu erzählen.
Die Musik ist von Trixie Whitley, Shahzad Ismaily, Ben Perowsky, Daniel Mintserie und Marc Ribot.
Traces ist noch bis zum 18.12.2019 im KVS in Brüssel zu sehen und geht dann auf Tournee.
Beeindruckende 2 Stunden ohne Pause.
Christa Blenk