Peter Eötvös dirigiert in Brügge Herzog Blaubarts Burg und Senza Sangue
Der ungarische Komponist Peter Eötvös (*1944) dirigierte letzten Samstag im Concertgebouw Brugge die Brüsseler Philharmoniker. Auf dem Programm standen Béla Bartoks Herzog Blaubarts Burg und Eötvös’ Einakter Senza sangue. Die beiden Werke sind perfekt für einen Abend, sie passen so gut zusammen, dass sie auch aus einer Feder stammen könnten.
Senza Sangue (Ohne Blut) basiert auf einem Libretto von Mari Mezei nach der gleichnamigen Novelle von Alessandro Baricco. Eötvös dachte schon bei der Komposition von dieser, schon seiner zehnten, Oper an eine Art Ergänzungswerk für Bartóks Herzog Blaubart und natürlich an eine gemeinsame Aufführung. Er hat die Kurzoper als Auftragswerk der KölnMusic und der New Yorker Philharmoniker komponiert. Bariccos Novelle wurde 2002 veröffentlicht; Mari Mezei hat den Text ziemlich wortgetreu übernommen. Die Uraufführung fand 2015 in der Kölner Philharmonie statt. 2016 kam die Kurzoper mit großem Erfolg beim Festival von Avignon zur Aufführung.
Die Geschichte basiert auf einem Ereignis, das sich in einem Bürgerkrieg in einem Lande zugetragen hat – vor langer Zeit! Viele Jahre später trifft Nina, die damals – noch Kind – als einzige das Massaker, bei dem ihre komplette Familie ausgelöscht worden war, auf einen älteren Herren. Sie trinken Kaffee zusammen und kommen ins Gespräch. Im Verlauf der Zeit stellt sich heraus, dass der Mann einer der damaligen Täter ist. Ihn haben seine damaligen Greueltaten ebenfalls ein Leben lang begleitet. Seiner Unruhe fügte sich eine unbestimmbare Angst hinzu, als im Laufe der Jahre alle Mittäter nacheinander auf merkwürdige Weise ums Leben kamen. Nina erinnert sich sogar, dass er damals den ersten Schuss abgegeben hätte. Sie diskutieren über Krieg, seine Folgen, über Rachsucht und Grausamkeit. „Wir waren Soldaten“ erklärt er. Nach einer drastischen Stimmungsänderung, scheinen sie Frieden gefunden zu haben und gehen in ein Hotel.
Eötvös hat bei seiner Musik die sich ständige ändernde Beziehungen der Beiden voller Spannung mit schneidenden Kontrasten hervorgehoben. Ein Thriller in schwarz-weiß, ähnlich wie Herzog Blaubarts Burg, nur dass Bartóks Oper nicht gut ausgeht. Wie Blaubarts Burg ist auch Senza sangue für zwei Singstimmen geschrieben.
Peter Eötvös ist der Bartok-Experte schlechthin. Mehr als er kann niemand aus dessen Werk herausholen. Herzog Blaubarts Burg basiert auf einem Libbretto von Béla Balazs – aufbauend auf Charloes Perraults Märchen „Das Schloss des Prinzen Blaubart“. Die Uraufführung dieses Werkes fand 1918 in Budapest statt.
Es wird die Sage über eine alte Burg erzählt.
Die junge, hübsche Judith folgt dem Herzog festentschlossen auf seine Burg. Für ihn hat sie ihre Familie und ihren Verlobten verlassen. Als die Tür hinter ihr ins Schloss fällt, wird sie von klammer Kälte und modriger Feuchtigkeit eingefangen. Sie will die Pforten öffnen, um Tag, Licht und Wärme herein zu lassen. Insgesamt sind es sieben verschlossenen Türen vor denen sie steht und für die sie immer fordernder die Schlüssel verlangt. Nach und nach ringt sie dem Herzog diese ab. Es tun sich Folterkammer, Waffenkammer, Schatzkammer vor ihr auf. Überall kleben Blutreste und ihre Panik steigt, aber die Angst ist geringer als ihre Neugierde. Der Herzog wiederholt immer wieder, sie möge doch keine Fragen zu stellen. Hinter der vierten Tür verbirgt sich ein Garten mit Blut-Rosen. Die nächste Tür zeigt die Ländereien des Herzogs, dahinter ein Tränensee. Nun steht sie vor der letzten Tür. Blaubart will sie nicht öffnen und fleht sie an, dies nicht zu verlangen. Er küsst sie, aber sie lässt nicht nach. Als die Tür aufgeht, stehen die drei ehemaligen Frauen von Blaubart vor ihr, geschmückt mit Juwelen und edlen Stoffen. Blaubart legt nun Judith den Schmuck und Mantel um, denn sie muss mit ihren Gefährtinnen hinter der Tür bleiben.
Die Oper ist ein Dialog mit musikalischen Wagnerschen Leitmotiven, obwohl sich Bartók eher an die französischen Impressionisten als an Wagner gehalten hat.
Beide Werke sind psychische Abenteuer für zwei Singstimmen mit unterschiedlichem Ausgang.
Peter Eötvös hat selber die Brüsseler Philharmonie dirigiert, unnachgiebig, streng und minimal. Großer, verdienter Applaus auch für die ausgezeichneten Sänger: Viktoria Vizin (Mezzo) Nina und Judith; Jordan Shanahan (Bariton) der Soldate in Senza sangue und Gábor Bretz (Bass-Bariton) ist Herzog Blaubert.
(PS Bei der konzertanten Aufführung wurde Ungarisch gesungen – UT nur in Flämisch! Der Musik hat das gut getan)
Blaubart in der Berliner Komischen Oper
Peter Eötvös im Pariser Louvre
Christa Blenk