Oceane – Deutsche Oper Berlin
Grau-schwarze Melancholie, Hoffnungslosigkeit, dekadente Vergänglichkeit – Fin de Siècle-Stimmung und tosendes Meer, Liegestühle im Gegenlicht.
Die neue Oper „Oceane“ von Detlev Glanert, ein Auftragswerk der Deutschen Oper Berlin, hatte Ende April 2019 eine gefeierte Premiere. Alle weiteren Abende waren ausverkauft.
Oceane von Parceval ist eine Novelle von Theodor Fontane, die um 1880 entstand – mehr oder weniger pünktlich zur Belle Epoque. Hans-Ulrich Treichel hat daraus das Libretto geschrieben. Ein Sommerstück für Musik in zwei Akten ist dabei herausgekommen. Dabei geht es hier eigentlich eher um eine Spätsommer-Stimmung, um das Absinken der Sonne, die schon deutlich zu spürende Verkürzung der Tage, die frischen Abende kurz vor dem Herbsteinfall.
Die Geschichte spielt an der Ostsee, in einem Hotel, das schon bessere Tage gesehen hat. Die Besitzerin Madame Louise und ihr treuer Diener George (Doris Soffel und Stephen Bronk) singen davon mehrere Lieder und bedauern das langsame Dahinsiechen des einst eleganten Hotels. Man braucht einen Privatkredit und den soll Oceane von Parceval gewähren, die dort gerade logiert, aber eigentlich nicht wirklich mitspielt, sie bleibt am Rande, unberührt, reich, schön – aber der junge Baron Martin von Dircksen (Nikolai Schukoff), der in Begleitung seines Freundes Felgentreu (Christoph Pohl) ebenfalls dort einquartiert ist, verliebt sich trotzdem in die attraktive, seltsame Melusine. Während Felgentreu und Oceanes Kammerfräulein Kristina (Nicole Haslett) recht schnell zusammen finden, gestaltet sich die Beziehung von Oceane und Martin sehr schwierig.
Gefühle kann Oceane trotz Anstrengung nicht zeigen und ihre Indifferenz anlässlich der Konfrontation mit einem toten Fischer am Strand macht sie zum Opfer des barbarischen, religiösen Mobs, der – vor Allem was fremd und unverständlich ist – Angst hat. Angeführt und aufgestachelt von Pfarrer Baltzer (großartig der eindringliche Bass von Albert Pesendorfer) wird sie praktisch verstoßen. Die Doppelverlobung kommt nicht zustande. Maria Bengstsson als Oceane ist hell, schön und unterkühlt, immer weit entfernt, weltfremd und irgendwie teilnahmslos. Zum Schluss geht sie einfach weg – allerdings nicht ins Wasser. Sie ist die Traumbesetzung für diese Rolle.
Die Musik von Detlef Glanert (*1960) ist nicht gerade zeitgenössisch oder revolutionär und erinnert an Henze-Opern, Glanert war auch sein Schüler. Klangmässig bringt das Werk nichts Neues und die Musik ist nachvollziehbar, verständlich und beschreibend, schön. Auch Henze hat mit seiner Ballett-Gestalt Udine ein Wesen aus dem Meer beschrieben und mit der Oper Elegie für junge Liebende auch eine Naturoper geschrieben, nur waren bei letzterer die Berge die Protagonisten und nicht das Meer.
Robert Carsons Inszenierung ist mehr als gelungen. Er hat diese dekadente Endzeitstimmung perfekt und einfühlsam auf die Bühne gebracht. Das omnipräsente und nie ruhende Meeresvideo tut das ihre dazu. Am Pult bei der letzten 5. Vorstellung in dieser Saison Stephan Zillas. Großes Lob an den Chor und seinen Leiter Jeremy Bines.
Christa Blenk