Tannhäuser
Kirsten Harms hat diesen Tannhäuser für die Deutsche Oper inszeniert. Die Aufführung am 20. Januar 2019 war bereits die 45. seit der Premiere am 30.11.2008. Zu diesem Zeitpunkt war Harms noch Intendantin und Hausherrin der DOB. Bei der Aufführung am 20.1. war das Publikum eher wohlwollend und spendierte viel Applaus.
Wallendes Botticelli-Blondhaar, mal offen mal aufgesteckt, je nachdem ob Allison Oakes die lockend-lüsterne Venus oder die keusch-heilige Elisabeth singt und spielt. Sie bewerkstelligt diese anspruchsvolle und fordernde Doppelrolle ziemlich gut und textverständlich. Stimmsicher trällert sie die Tonleiter rauf und runter. (Bei der Premiere hat Nadja Michael gesungen).
Die Ouvertüre wird von einem von oben auf die Bühne schwebenden Metallritter begleitet. Der Blechmann schwebt in eine Art Jungbrunnen mit geklonten, blonden Schönheiten, die immer wieder rheingoldmässig auf- und untertauchen. Eine komplette blaue, glitzernde Blechritter-Armee soll von nun an die Vorstellung begleiten. Sie sind irgendwie immer präsent, auch wenn sie keine Rolle spielen und verbreiten kalten Anti-Minnesänger-Minimalismus. Passend dazu schwerfällige und kompakte Pferde aus glitzerndem Stahl, die entweder nach Rom reisen oder zur Jagd gehen.
Der Lazarett-Saal, in dem die kranken Pilger vor sich hin sterben, erinnert an Herheims Bayreuth Parzifal. Elisabeth irrt zwischen den Betten hin und her, als suchte sie jemanden. Bis sie selber unter so einem weißen Laken endet, um sich kurz darauf als lockende Venus aus den weißen Linnen zu schälen.
Peter Seiffert, der an diesem Abend anstelle von Simon O’Neill den Tannhäuser sang, war ein Glückstreffer. Elegante, weiche Samtheit und mächtige Bühnenpräsenz zeichnen ihn aus. Seine Karriere hat eben mit Tannhäuser an der DOB begonnen. Ante Jerkunica ist Landgraf Hermann, Markus Brück singt Wolfram von Eschenbach und Attilio Glaser Walther von der Vogelweide.
Der Chor wie immer großartig und perfekt. Am Pult mit dem Orchester der Deutschen Oper Berlin Sebastian Weigle.
Die Uraufführung der Dresdner Fassung fand am 19. Oktober 1845 in Dresden statt, nachdem Wagner in Paris mit seinem Tannhäuser bei der Premiere durchfiel und es deshalb nur zu 4 Vorstellungen kam. Dies hatte er u.a. seiner Eitelkeit zu verdanken, weil er sich weigerte den obligatorischen Ballet-Akt um 22.00 Uhr einzubauen (im zweiten Akt – so gerade nach dem Abendessen, wenn dann die Mitglieder des bourgeoisen aber eher unkultivierten « Jockey Club » die Oper betreten um nette Balletmädchen zu sehen). Wagner trotzt, bringt die Balleteinlage schon im ersten Akt und sorgt auch noch dafür, dass der Club davon erfährt. Dies sollte sich als großer Fehler herausstellen, denn der Jockey Club rächte sich bitterlich. Die Oper wird ausgepfiffen und als « Reinfall » abgestempelt, obwohl kultiviertere Kreise dies anders sahen.
Jacques-Gabriel Prod’homme weist in seinem Aufsatz « Le Wagnérisme en France » auf eine Erwähnung in der « Revue musicale de Paris » vom 25. Mai 1833 hin: »Leipzick: Les nouveautés les plus importantes qui ont été entendues dans les concerts des souscription sont: …. et une symphonie par M. Richard Wagner, dans laquelle on a trouvé un mérite remarquable, quoique l’auteur soit à peine âgé de vingt ans » (sonst ist er auch schon mal Robert Wagner, M. Wagener genannt worden).
Trotz dieser Niederlage gilt das Jahr des Tannhäuser-Skandals, 1861, als die Geburtsstunde des französischen « Wagnérisme ». Auf der einen Seite wurden seine Aufführungen boykottiert, während auf der anderen die Wagner-Euphorie ständig wuchs.
Christa Blenk
s.a. Artikel über Wagner und Verdi