Hippolyte et Aricie – in der Staatsoper
Erboste Götter und nachtragende Frauen im Star Wars Himmel
Es funkelt, glitzert und Spiegel vervielfältigen jedes Bild. Während Laserstrahlen das Theater durchqueren, breitet sich Rauch über den Zuschauern aus, der von Groll und Blitzen begleitet wird. Im Versailles zu Zeiten der Könige Ludwig XIV und XV gehörten Spezialeffekte unbedingt dazu und die verwöhnten französischen Barockkönige hätten die Inszenierung dieser Rameau Aufführung sicher befürwortet, denn extravagant und außergewöhnlich mussten die Unterhaltungen der Herrscher sein.
Die Gefangenen im Hades tragen vergitterte Laserkugeln auf den Häuptern und Diana hat sich einfach eine Satellistenschüssel auf den Rücken gebunden, um ihre Köcher aufzubewahren während Phädra als Prisma über die Bühne schreitet.
Eine Spätfassung von Jean Philippe Rameaus erster Oper „Hippolite et Aricie“ , die 1757 entstand (Urfassung ist aus dem Jahre 1733) war der Höhepunkt der Barocktage Berlin. Die Oper zählt zu den Klassikern der französischen Barockmusik und brachte hier hohes musikalisches Niveau auf die Bühne. Am Pult Simon Rattle mit dem Freiburger Barockorchester. Der Konzept-Künstler Olafur Elliasson entwarf die Lichtinstallation; Aletta Collins Regie und Choreographie. Reinoud Van Mechelen (Hippolyte), Anna Prohaska (Aricie), Magdalena Kožená (Phèdre), Elsa Dreisig (Diane), Roman Trekel (Tisiphone) .
Diese Spätfassung ist ein wenig stringenter und kürzer und verzichtet auf langweiliges Beiwerk. Die im französischen Barock sehr wichtigen Tanzeinlagen kamen aber auch hier nicht zu kurz, wobei Collins das Niveau nicht bis zum Schluss durchhalten konnte und es an Ideen mangelte. Die Premiere fand am 25.11.2018 statt.
Magdalena Kožená war eine rachsüchtige und bösartige Phädra, Anna Prohaska – leicht erkältet am 2.12. – als Aricie stilsicher und kuschelig warm, Reinoud Van Merchelen als Hippolite überzeugend und als einziger textverständlich singend. Und das Freiburger Barockorchester ist bei der Alten Musik in Deutschland eh nicht zu übertreffen.
Nur ein Teil des Publikums konnte mit der Uraufführung 1733 etwas anfangen. Für die konservativen „Lully-Liebhaber“ war Rameau einfach zu modern. Außerdem war die Oper zu lang und schwer verständlich für weite Teile der damaligen Gesellschaft. Das Libretto hat Abbé Simon-Joseph Pellegrin verfasst und sich vor allem auf die Liebesgeschichte von Hippolytos und Arikia aus der griechischen Mythologie konzentriert. Racine hat das Thema nach Euripides später behandelt.
Phädra war die kleine Schwester der Ariadne, jene, die den König von Athen Theseus seinerzeit mit dem berühmten Faden ausstattete, damit er den Weg aus dem Labyrinth heraus wieder finden konnte, in welches er sich begab, um den Minotaurus zu töten.
Bei dieser Gelegenheit hat Theseus wohl Phädra kennen gelernt und sie zu seiner zweiten Frau gemacht. Dieser findet aber eher Gefallen an ihrem Stiefsohn. Als sich nun Theseus wieder auf ein Abendteuer begibt, um seinen Freund Peirithous aus der Unterwelt – dort wird dieser festgehalten, weil er Proserpina, die Frau des Hades, entführen wollte - zu befreien, beschließt Phädra die Gelegenheit zu nutzen, und Hippolyte zu verführen. Hierbei stand ihr natürlich Aricie, die Tochter des getöteten Königs Pallas, im Wege und musste vom Hof verbannt werden. Aricie, die Hippolite liebt und er sie, kommt in den Tempel der keuschen Diana-Priesterinnen.
Phädra liegt gerade mit Hippolite im Clinch als Theseus wider Erwarten aus der Hölle zurückkommt – er hat hierfür den zweiten Wunsch eingelöst (Neptun hatte ihm drei Wünsche zugesagt) – und ist entsetzt, versteht nun aber, warum Pluto ihm androhte, zurück aus der Hölle eine andere Hölle zu Hause vorzufinden. Da Theseus aber nicht seinen Sohn töten möchte, bittet er Neptun darum, dies zu übernehmen der prompt ein großes Seemonster schickt. Erschüttert durch das was sie getan hat, gesteht Phädra nun, dass nicht Hippolite sie verführen wollte sondern umgekehrt. Und nun tritt Diana wieder auf das Parkett. Sie, die Jagdgöttin, die Hippolite vor dem Tode bewahrt hatte, macht ihn zum König der Wälder und gibt ihm seine geliebte Aricie zurück.
Christa Blenk
PS Auch Hans Werner Henze hat sich mit dem Thema beschäftigt. Seine Konzertoper « Phädra » wurde 2007 mit dem Ensemble Modern und einem großen Staraufgebot in der Staatsoper Berlin uraufgeführt. Auch hier übernahm Olafsur Eliason das Bühnenbild und die Spiegelgeschichte hat er 2018 wiederholt.