Ti vedo ti sento mi perdo – in attesa di Stradella
Warten auf Stradella
Vor ein paar Wochen wurde in Berlin Rossinis « Viaggio à Reims » mit großem Erfolg aufgeführt. Dort geht es eigentlich nur um Warten (auf Pferde), um zur Krönung des Kaisers zu fahren. Man vertreibt sich die Zeit, die Pferde kommen nicht.
Bei Salvatore Sciarrinos neuer Oper Ti vedo ti sento mi perdo geht es auch um Warten und um eine Art Gefangenschaft. Hier findet dies allerdings während der Generalprobe einer Stradella-Oper im Palazzo Colonna (Sitz einer bedeutenden römischen Papstfamilie) statt. Sängerin, Musiker und Chor warten auf den großen Maestro, denn der muss noch die Arie der Stardiva liefern. Aber auch Alessandro Stradella schafft es nicht zu diesem Probe, die irgendwie nie enden will, denn er wird zuerst entführt und dann ermordet. Die beiden Werke verbindet also ein Grundgedanke: Warten! Stradella war schon zu Lebenszeit eine Art skandalumwobene Legende und ist 1682 wirklich unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen.
Sciarrino hat diese Koproduktion der Staatsoper als Auftragswerk für die Scala in Mailand geschrieben, wo sie im letzten Herbst uraufgeführt wurde. Für Berlin war es schon seine 12. Produktion, was so etwas wie ein Rekord ist. Klar, rein, minimal seine Musik immer wieder von barocken Nuancen aus der Zeit von Stradella durchbrochen.
Mit üppigen Kostümen, Spitzen, Rüschen und viel Schminke wie zu Lullys Zeiten hat Jürgen Flimm diese Oper inszeniert. Alle sind ständig in Bewegung, Laura Aikin, Charles Workman, Otto Katzameier, Sónia Grané, Minchiello Emanuele Cordaro, Christian Oldenburg, David Oštrek und Thomas Lichtenecker singen, zappeln, stottern, reden, fuchteln was das Zeug hält. Der Chor hüpft pausbäckig singend über die Bühne. Am Pult überzeugt der junge Franzose Maxime Pascal.
Viel verdienter Applaus!
cmb