Fritz Ascher: Leben ist Glühn
Öl auf Leinwand, 50 x 38 cm Privatsammlung -
© Bianca Stock. Foto: Malcolm Varon
Leben ist Glühn
Der wieder entdeckte deutsche Expressionist Fritz Ascher (1893-1970) zu Gast in der Berliner Villa Oppenheim und im Museum Potsdam.
« Hier geht ein ganz Großer in die Welt » soll Max Liebermann zu Fritz Aschers Vater gesagt haben, bevor der Berliner « Hof »-Maler ihn an die Akademie für Bildende Künste in Königsberg empfohlen hat. Ascher war gerade mal 16 Jahre alt als Max Liebermann sein Talent erkannte. In Königsberg hat er auch den Maler Eduard Bischoff kennen gelernt, der 1912 Aschers Portrait malen wird, das einen jungen, sympathischen und fröhlichen Mann zeigt und die Ausstellung in der Villa in Charlottenburg eröffnet. Ein Jahr später, 1913, kommt Ascher nach Berlin zurück und studiert bei Lovis Corinth und Kurt Agthe und trifft auf den Maler Edvard Munch.
Zu Beginn des ersten Weltkrieges ist Ascher 21 Jahre alt und malt im Geist der Zeit, schießt sich aber nicht der allgemeinen Kriegsbegeisterung an, die viele andere Künstler in den Krieg treiben und zerstören soll.
Ascher, der 1893 in eine wohlhabende Berliner, jüdische Bürgerfamilie hineingeboren wird – sein Vater war Zahnarzt und erfolgreicher Unternehmer, der in den USA studierte – und der seine Kinder um 1900 evangelisch taufen lässt, hatte sich bis dahin nie mit dem Thema Judentum auseinanander gesetzt. Es entstehen Bilder wie Golgatha. Später, fasziniert durch Gustav Meyrinks Golem- Legende, befasst er sich immer wieder mit der Legende um den Beschützer der Prager Juden. Die Farbe Gelb tritt in seine Bilder ein. Das Thema Golem rüttelt ihn immer wieder und einige seiner Werke nimmt er sogar nach dem Zweiten Weltkrieg wieder auf. Ascher ist fasziniert von Mythen, Sagen, Religion, Theater und Musik, komponiert auch selber und verehrt vor allem Beethoven, den er des öfteren malt.
Nach dem ersten Weltkrieg lernt er in München die Malerei des Blauen Reiters kennen und freundet sich mit den Künstlern des Satiremagazins Simplicissimus an, darunter George Grosz und Käthe Kollwitz. In den wilden Jahren zwischen den kriegen zählt er zu der hoffnungsvollen, jungen Avantgarde-Malern mit einer großen Zukunft. In seinen Bildern stecken Noldes kräftige Farben und Max Beckmanns bauchige Figuren oder Kriegsschrecken-Bilder aber auch das ausdrucksstarke grelle Fratzen-Durcheinander von James Ensor und der grobe Pointillismus von George Rouault interessieren ihn. Viele seiner Bilder lassen auch an den Spanier Goya denken.
Saalansicht – Bäume – Villa Oppenheim
Ins Visier der Nazis gerät er schon 1933, ab 1938 darf er nicht mehr malen und gehört zu den Entarteten. Fritz Ascher verbringt den Krieg abwechselnd in Verstecken, im Konzentrationslager oder in Gefängnissen, ist bei Kriegsende zermürbt vom Widerstand gegen die Barbarei und Martha Grassmann wird sich zeitlebens um ihn kümmern.
Erst in den 1950er Jahren nimmt er die Produktion wieder auf, unterbrochen von Depressionsphasen. Ascher verbringt viel Zeit auf Spaziergängen im Grunewald und holt sich dort die Motive für seine Seelenbilder. Es entstehen kräftige Nolde-Sonnen – die die jahrelange Finsternis der Vor- und Kriegszeit vergessen lassen, Van Gogh Sonnenblumen oder stabile, unbiegsame sichere Bäume, die an die Farben von Liebermann erinnern und ob und zu eine Lichtung zulassen, wie auf seinem letzten Bild das 1968 entsteht. Das Figurative verschwindet fast gänzlich aber Licht spielt eine umso wichtigere Rolle. Ascher ist allerdings ganz weit weg von den humoristischen Karikaturen der 1920er Jahre, die Poesie, die seine Malerei begleitet ist beschreibend, flehend.
Fritz Ascher, Sonnenuntergang, 1962, Öl auf Leinwand, 80 x 70 cm – Privatsammlung© Bianca Stock, Foto: Malcolm Varon
In den Nachkriegswerken tauchen manchmal Tedenzen oder Pinselstriche der Neuen Wilden wie Baselitz oder Lüpertz auf, ohne dass Ascher die Tendenzen der Malerei der 1960er Jahre aufnimmt. Ascher muss die lange Zeit des Nichtmalens nachholen und die verlorenen Jahren aufarbeiten. In die Kriegsjahren, in den Verstecken und Gefängnissen entstehen Gedichte, die vereinzelt in der Ausstellung zu lesen sind und mit den Bildern verschmelzen.
Viele seine Werke wurden von den Nazis zerstört und praktisch alle Exponate befinden sich heute in Privatsammlungen. Die Kunsthistorikerin und Ascher-Spezialistin Rachel Stern hat ihn entdeckt und gründete in New York vor über 30 Jahren die Fritz Ascher Gesellschaft für Verfolgte, Verfemte und Verbotene Kunst. Diese verlorene Generation von Malern wie Fritz Ascher oder Josef Block werden zur Zeit in Berlin gerade neu entdeckt und in die Museen geholt.
Die Ausstellung « Leben ist Glühn: Der deutsche Expressionist Fritz Ascher » ist anlässlich seines 125. Geburtstag konzipiert worden und zeigt insgesamt ca 80 Exponate aus Privatsammlungen aus dem In- und Ausland. Sie ist noch bis zum 8. März 2018 in der Villa Oppenheim in Berlin und im Museum Potsdam zu sehen. Die Schau ist sehr gut und umfassend dokumentiert und unbedingt sehenswert.
Zur Ausstellung, die schon im Felix Nussbaum-Haus in Osnabrück und in Chemnitz gezeigt wurde, ist ein umfangreicher Katalog erschienen. Die Ausstellung in der Villa Oppenheim wurde von Dr. Sabine Witt, Leiterin des Museums Charlottenburg-Wilmersdorf, kuratiert und steht unter der Schirmherrschaft der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien Prof. Dr. Monika Grütters.
1915, weiße Gouache und schwarze Tusche
über Aquarell und Grafit auf Papier, 46 x 58,5 cm
Privatsammlung - © Bianca Stock. Foto: Malcolm Varon
Aus Anlass dieser Schau hat die Stiftung Gedenkstätte Lindenstraße im Potsdamer Polizeigefängnis Priesterstr./Bauhofstr. die Werkstattausstellung « Sechs Wochen sind fast wie lebenslänglich » zu sehen. Fritz Ascher war in diesem Gefängnis inhaftiert.
Christa Blenk