Mord im Orient Express
Schnee, Dampflock und ein Mord
Kenneth Branagh hat Agatha Christies Klassiker « Mord im Orient-Express » neu verfilmt und spielt selber die Rolle des belgischen Meisterdetektivs Hercule Poirot.
Mittlerweile schon die vierte oder fünfte Version der Romanverfilmung und keine ist wirklich überzeugend! 1934 hat Agatha Christie den Krimi geschrieben und Sidney Lumet hat ihn 1974 verfilmt. Branagh hat sich auch hier – wie schon damals – eine Starbesetzung an Bord geholt. Albert Finney, Richard Widmark, Lauren Bacall, Jacqueline Bisset, Sean Connery stehen Judi Dench, Johnny Depp, Michelle Pfeiffer und Penelope Cruz gegenüber.
Vor einer mit viel Kinotricks gezeigten Schnee- und Berglandschaft spielt Branagh wieder mal Theater. Aber das hilft ihm nicht viel. Trotz 21. Jahrhundert Kino-Technik wünschen wir uns den ganz einfach inszenierte Lument-Film zurück und Albert Finney (obwohl natürlich der umschlagbarste Poirot Peter Ustinov war!).
Vor Beginn der Reise hat der Regisseur noch eine Jersualem-Szene eingebaut, die viel Kino Know-how zeigt, romantische Landschaften oder Sonnenuntergänge – dabei hat er aber nicht bedacht, dass die Kuppel des Felsendoms 1934 – in diesem Jahr spielt der Film – ein Bleidach hatte. Vergoldet wurde sie erste Jahrzehnte später.
Hercule Poirot bekommt durch seine Beziehung zum Eisenbahndirektor doch noch einen Platz in dem ausgebuchten Orient-Express von Istanbul nach Calais. Nach und nach macht er Bekanntschaft mit den anderen Reisenden der Ersten Klasse, darunter der zwielichtiger Geschäftsmann Ratchett (Johnny Depp). Dieser liegt am nächsten Tag – neben Hercule Poirots Kabine – tot in seinem Bett. Ermordet durch mehrere, ganz unterschiedliche Messerstiche. Und obwohl Poirot sich eigentlich erholen wollte, macht er sich gleich daran, seine grauen Zellen zu aktivieren. Während er alle anderen einzeln verhört, bleibt der Zug in einer grandiosen Kino-Zug-Szene im Schnee stecken.
Branagh/Poirot ist nervig, das fängt schon beim morgendlichen Eieressen an (die er nämlich nur dann verzehren kann, wenn sie gleich groß sind – dazu wird exakt gemessen). Man glaubt ihm das alles einfach nicht und er manipuliert den Zuschauer mit schnulzigen Sentimentalismen und moralischen Bekundungen. »Wir müssen besser sein als Ungeheuer! Wir dürfen Mord nicht akzeptieren! » sagt er mit Krokodils Tränen in den Augen. Gleichzeitig hat er immer wieder gezielte Lacher eingebaut. Er leidet sichtlich, dass er am Ende die Justiz um 12 Mörder betrügen muss, aber auch diese musste hier mit einem anderen Maßstab gemessen werden.
Zwischendurch wird die Armstrong-Geschichte in schwarz-weiß eingeblendet. Lumet hat das sie seiner Version mit Zeitungsausschnitten am Anfang des Films erzählt. Langsam lernt man, dass die Fahrgäste alles etwas mit der Entführung von Daisy Armstrong zu tun hatten. Mutter, Schwester, Fahrer, Dienstmädchen, Armeekollege oder Polizeibeamter. Christie hat sich auf eine wahre Begebenheit in den 1930er Jahren gestützt.
Kenneth Branagh tritt leider in Albert Finneys Fußstapfen und nicht in die von dem späteren, großartigen Peter Ustinov in der Rolle des Superdetektivs. Den zurückhaltenden Humor, die seine feine Ironie ersetzt er durch Wehleidigkeit. Mitten im großen Leinwandkino spielt Branagh Theater – referiert und schaut gewinnend in die Kamera, spricht ins Publikum, als ob er alleine auf der Bühne stehen würde.
Michelle Pfeifer ist eine überzeugende Mrs Hubbard (alias Großmutter von Daisy). William Dafoe spielt den österreichischen Professor mit klaren rassistischen Ideen (er war der Verlobte des beschuldigten Dienstmädchens der Armstromgs, die sich umbrachte) und Judi Dench ist Prinzessin Dragomiroff. Das Kindermädchen Mary Debenham wird von Daisy Ridley gespielt und die mystische Missionarin von einer recht mittelmäßige Penélope Cruz.
Lauwarm.!
Christa Blenk