Humbug – OPERALAB Berlin
„Wer will nochmal, wer hat noch nicht“
Humbug
Der US Zirkuspionier, Kulturmanager und Marketing-Genie P.T. Barnum alias Prince of Humbugs (wie er sich selber nannte) kaufte 1841 das Amerikanische Museum in New York. Dort präsentierte er seine Wunderkammer und allerlei seltsame Lebewesen – wobei es nicht immer ohne Tricks zuging. Im Laufe seines Direktorendaseins füllte er jedenfalls die Kassen und lockte 38 Millionen Besucher mit seiner Mischung aus Völkerkunde, seltsamen Lebewesen, kleinen Schwindeleien und exotischen Gegenständen in das Museum.
Bei dem Stück Humbug geht es um den Mythos der Meerjungfrau und Barnums größten Coup. Wir zahlen unseren Obolus und treten ein in die Freak-Show. In der Mitte auf einer Bühne liegt das Fabelwesen und redet auf eine Büste ein, sie wartet auf ihre Erlösung. Die drei Frauenstimmen sind dreimal die Person von Barnum (Gina May Walter und Nina Guo, Sopran) und Luise Lein, Mezzo – manchmal übernimmt eine der Protagonisten in eine andere Rolle, so wird z.B. Luise Lein kurzfristig zum Seefahrer Odysseus, der sich von Barnum Nr. 1 fesseln lässt, um den Verlockungen der Sirene zu entkommen. Singen kann diese Fischfrau allerdings nicht, denn man hat ihr vorher die Stimmbänder aus dem Mund gezogen. Ab und an wird sie mit Plastik gefüttert.
Aber zu diesem Kuriositätenkabinett gehören auch auf die Musiker, die sich vor ihrem Einsatz dem Publikum präsentieren. Da ist die bärtige Frau (Evdoxia Fillipou, Schlagzeug), der Mann mit Brüsten (Pedro Pablo Camara Toldos, Saxophon) und Mia Bodet am Keyboard, die eine Art rosaroter Menschenaffe sein könnte. Die drei Zirkusdirektoren tragen bunte Jacken mit Kordeln und Zylinderhut. Irgendwann wird unsere Meerjungfrau sehr gekonnt aus der schwarzen Plastikmülltütenhülle geschält und scheint erlöst. Unsicher und mühsam versucht sie immer wieder auf die Beine zu kommen bzw. zu flüchten, was die Direktoren natürlich nicht zulassen wollen, denn sie sorgt ja schon für gute Einnahmen.
Zum Schluss sitzt das Fabelwesen, eine Mischung aus Sirene, Udine und Andersens kleiner Meerjungfrau, auf einem Hocker. Sie hat nun Beine, aber immer noch keine Stimmbänder und zerlegt ganz kunstvoll eine Dorade, während die drei Sängerinnen im minimalen Loop-Stil und beeindruckenden Stimmen ihre Verse singen. Dann hält sie uns die Fischgräte hin, die wie eine Meerjungfrau aussieht.
Großartige Leistung der Meerjungfrau (Margaux Marielle-Tréhouart). Sie entwarf auch die Choreografie.
Opera Lab Berlin im Ackerstadtpalast hat aus einem fünfteiligen Liedzyklus des österreichischen Komponisten Bernhard Lang (*1957) eine Musiktheater-Kurzoper für Frauenstimme und drei Instrumente arrangiert. „Songbook I“ für Frauenstimme, Saxophon, Keyboards und Schlagzeug entstand schon im Jahre 2004. 2017 hat er sie überarbeitet und diese Version im Ackerstadtpalast nun zur Uraufführung gebracht. Die Lieder „Watchtower“, „Ophelia“, „Count 2 4“, „Burning Sister“ und „Another Door … for Jenny“ sind der Sängerin Jenny Renate Wicke gewidmet, die 2007 verstarb.
Regie führte Michael Höppner, die fantasievollen Kostüme entwarf Aurel Lenfert. Musikalische Leitung hatte David Eggert.
Auf jeden Fall haben wir uns köstlich amüsiert, obwohl die Musik durch das aufregende Geschehen in der Zirkus-Freak-Show zu kurz kam.
Das Ensemble für zeitgenössisches Musiktheater, Opera Lab Berlin, gibt es seit 2013. Humbug ist die neunte Produktion (IM FELD#9).
Nicht ganz zu verstehen war, warum die Hocker an das Publikum erst dann verteilt wurden, als es sich alle schon auf dem Boden bequem gemachten hatten. Aber das gehörte sicher auch zur Inszenierung ….. ….
Christa Blenk