Der fliegende Holländer
Herr Schnabelewopski geht ins Theater und trifft eine Holländerin!
Ein Studienfreund von Richard Wagner wies den Maestro schon 1831 auf die Schriften des jungen, aber schon recht bekannten Heinrich Heine hin. 1835 erschien Heines Erzählung „Aus den Memoiren des Herren von Schnabelewopski“. Im 7. Kapitel dieser Geschichte geht Letzterer in Amsterdam ins Theater und sieht sich den Fliegenden Holländer an. Auf der Bühne streben die Schauspieler der ewigen Treue entgegen aber Herr von Schnabelewopski fängt einen Flirt mit einer schönen Holländerin, einer Wirklichen, an, verlässt vorzeitig das Theater und kommt erst zur Schlußszene wieder zurück.
Als Wagner nach Paris kam, suchte er Heine sofort auf. Er vertonte dann auch bald das Heine-Gedicht „Die Granadiere“ und schrieb selber das Libretto zum Holländer, oft wortgetreu nach Heines Erzählung. Er verkaufte sein Projekt an den Direktor der Pariser Oper, Leon Pillet, für 500 Franc; einen Kompositionsauftrag bekam er aber deshalb trotzdem nicht. Der französische Komponist Pierre-Louis Dietsch hingegen brachte die Oper „Le vaisseau fantôme, ou Le maudit des mers“ 1842 in Paris zur Uraufführung, woraufhin Heine eine anonyme Kritik für eine deutsche Zeitung verfasste und den Text eines bekannten deutschen Schriftstellers als verhunzt bezeichnete.
Am 2. Januar 1843 wurde Wagners Holländer an der Semperoper Dresden uraufgeführt.
Der Regisseur Christian Spuck macht bei der neuen Produktion des Deutschen Oper des Fliegenden Holländers (die Premiere war am 7. Mai) gleich anfangs klar: das hier wird nicht gut ausgehen. Von der ersten Minute herrscht depressive Stimmung und die Bühne ist ein einziger Trauerflor. Emma Ryott hat alle Beteiligten schwarz gekleidet; finster und bedrohlich das Bühnenbild.
Dem Vater stets bewahr’ sie ihre Liebe! / ihm treu, wird sie auch treu dem Gatten sein.
Rechts ein schwarz geschnürtes Schiffs-Paket, welches im zweiten Akt spielerisch mit ein paar Handgriffen zum Haus wird und eine Nähstube freigibt. Ein sehr gelungener Effekt. Im Hintergrund plätschert Wasser und ab und zu kann man das Meer dahinter erahnen. Naturalistisch-romantische Nebelschwaden und manieristische Lichter von Taschenlampen ziehen vorüber und die Holländer-Fraktion tritt in schwarzem Ölzeug auf. Der gierige Daland lässt sich von den wertvollen Schätzen auf dem Schiff des Holländers blenden und bietet ihm die schöne und treue Senta, seine Tochter, zur Frau an. Die hat aber schon Eric und vor allem hat sie das Bild vom blassen Mann, das sie nicht mehr aus der Hand legt und verliebt und vergeistigt anhimmelt, was der Kinderfrau Mary Sorgen bereitet. Das „Summ’ und brumm’, du gutes Rädchen“-Lied und die Ballade von Senta im zweiten Akt, in der sie das traurige Leben ihres Angebeteten beschreibt, gehört mit seiner unglaublich gelungenen Choreografie und einer Glanzleistung es Chores zu den Highlights der Aufführung.
Vor Anker alle sieben Jahr’, / ein Weib zu frei’n, geht er ans Land: / er freite alle sieben Jahr’,noch nie ein treues Weib er fand.
Der Holländer und Senta sind eigentlich zwei nach Erlösung suchende Egoisten; sie monologisieren genial neben einander. Spuck hat das Grundmotiv der Handlung, nämlich das nicht-Happy-End, von Anfang an in den Vordergrund gestellt. Die ewige Segelstrafe des gefallenen Holländers aufgrund seiner Verfehlungen ist nicht zu umgehen, geschweige denn rückgängig zu machen. Traurig geht er wieder auf sein Schiff, bevor Senta in Erics Arme und damit in das Messer fällt. Senta ist also eine erfolglose Erlöserfrau.
Senta! Willst du mich verderben?
Daland (Tobias Kehrer) ist sehr überzeugend – auch als Schauspieler, Matthew Newlin ist ein blendend- perfekter Steuermann und Ronnita Miller eine bodenständige, weiche und doch autoritäre Mary. Senta (Ingela Brimberg) ist wunderbar dramatisch-wahnsinnig; sie hat die Senta auch schon in Madrid gesungen und konzertant unter Marc Minkowksi. Vielleicht kommt sie stimmlich manchmal an ihre Grenzen, vor allem aber ist dies der Fall bei Samuel Youn (Der Holländer). Ihm fehlt es auch dann und wann an Textverständlichkeit. Regisseur Christian Spuck hat Eric (Thomas Blondelle) als eine Art stummen Erzähler in den Mittelpunkt gestellt. Dieser sitzt meistens diskret am Bühnenrand und sieht traurig auf seine Senta-Puppe, einmal hat er, der Jäger, ein Modellschiff an die Wand geschmettert und ab und zu läuft er – den passierenden Wahnsinn hilflos verfolgend – verzweifelt von einer Ecke in die andere.
Der Chor der Deutschen Oper Berlin unter Leitung Raymond Hughes ist perfekt, präzise, perfekt getaktet und großartig choreografiert.
Donald Runnicles vor einem Orchester in Hochform hat sich in dieser schwarzen pessimistischen Inszenierung wohl gefühlt und die wogenden und stürmenden Naturgeschehnisse zum Sprechen gebracht.
Ungerechte Buhrufe und viel Applaus bei der dritten Vorstellung !
Christa Blenk