Matthias Eisenberg an der Parabrahm-Orgel in Eichwalde
Es ist Sonntagnachmittag, ein blauer, klarer ja fast warmer Frühlingstag, wie es sie in den letzten Wochen nicht viele gegeben hat. In Eichwalde, einem kleinen, gepflegten Ort am östlichen Stadtrand von Berlin, füllt sich langsam die Kirche, eine ganz besondere Vorfreude breitet sich aus. Die andächtige Ruhe in der Kirche breite sich aus, lange bevor der Organist Matthias Eisenberg sich an die Parabrahm-Orgel setzt.
Hier in Eichwalde treffen zwei Phänomene aufeinander, einmal das Spiel dieses unglaublichen Ausnahmemusikers, der einer der bedeutendsten Organisten in Deutschland überhaupt ist und der außerhalb jeglicher Standards spielt und lebt und dann diese besondere Orgel. Eichwalde besitzt die einzige Parabrahm-Orgel in Deutschland. Hierbei handelt es sich um einen Orgeltypus der Spätromantik. Der Begriff stammt aus dem Sanskrit und bedeutet so etwas wie „höchste künstlerische und geistige Vollendung“. 1908 baute die Orgelbaufirma Weigle in Echterdingen drei Stück davon für Deutschland, aber nur noch die in Eichwalde ist erhalten. Sie ist Unikat oder Unikum gleichermaßen. Diese Orgel besitzt zwar nur neun Register und 458 Pfeifen aber ansonsten viele Besonderheiten wie die patentierten Hochdruckpfeifen ( Seraphon-Register), die Basstuba, das Harmonium als drittes Manual anstelle des Orgelwerks, die schwellbaren Manuale, die sich stufenlos in ihrer Lautstärke verändern lassen oder den pneumatischen Registerschweller, der es dem Spieler ermöglicht, auf neun feste Register schnell zugreifen zu können. Ich verstehe das nicht alles, aber der eine oder andere Orgelliebhaber wird seine Freude daran haben.
Auf dem Programm stehen Werke des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Mit der Sonata B-Dur op 65 Nr. 4 von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) fängt Eisenberg an. Er spielt sie lyrisch, mit totaler Hingabe und Dedikation. Ein neues Orgelgefühl für diejenigen, die ihn noch nie gehört haben und zu denen wir auch gehören.
Ergreifend und imposant die Sonata III G-Dur, op 88 von Josef Gabriel Rheinberger (1835-1901). Weiterhin standen ein paar Werke von Max Reger auf dem Programm, darunter die Toccata d-Moll und Fuge D-dur, op. 59 Nr. 5 und 6.
Dann war der Zeitpunkt für die Eisenberg-Improvisationen gekommen. Der Maestro steht auf und fragt von der Empore herab die Zuhörerschaft worüber er denn improvisieren solle. Es kommt der Wunsch nach einer Bach-Kantate und – weil ja morgen der 1. Mai ist – wird auch das Kunst-Volkslied „Komm lieber Mai und mache“ gewünscht und spätestens jetzt versteht man, warum an diesem Bilderbuch-Sonntag die Kirche brechend voll ist:
die Parabrahm-Orgel von Eichwalde
Ein ganzes Universum scheint in diesem kleinen Mozart- Lied zu stecken; Eisenberg holt aus seinem nicht leer werdenden Improvisations-Fundus die Musik vom Frühbarock bis zum Jazz und der neuen Musik heraus. Er kriecht förmlich in das Instrument hinein und ringt ihm alles ab was es hergeben kann. Wirbelwindmäßig rast er über die Tastatur, Hände und Füße sind permanent mit vielen Handgriffen und Tritten gleichzeitig im Einsatz. Beeindruckend ist er, dieser geniale Musiker für den man eigentlich gar keine Worte mehr findet. Eisenberg vermittelt den Eindruck, dass er mit seiner Musik die Welt retten muss. Er wird immer schneller, auch lauter und zieht das Publikum in seinen Bann, bringt sich und uns an die Grenzen in dem er immer wieder andere, neue Töne produziert. Man spürt, wie er sich selber amüsiert, die Funken sprühen von der Empore bis nach unten. Es funkelt und blitzt und donnert!
Das Orgelspiel begann Eisenberg schon mit 9 Jahren - und damit drei Jahre früher als Mendelssohn-Bartholdy oder Max Reger. In seiner Heimatstadt Dresden trat er auf und später in den umliegenden Kirchengemeinden. Eisenberg war fünf Jahre Mitglied des Dresdner Kreuzchores. 1980 holte ihn Kurt Masur als Organist und Cembalist nach Leipzig. 1986 ging er nach Frankfurt/Main und Hannover und als er im Jahre 2001, nach 15 Jahren Abwesenheit, ins Gewandthaus zurückkam, waren alle Karten schon lange im Voraus ausverkauft und das Publikum konnte ihm eine Stunde Zugaben abringen. Seit 2012 lebt er im Spreewald, ist aber permanent unterwegs, um die Welt mit seinem Orgelspiel zu beglücken. Prof Matthias Eisenberg hat viele Rundfunk- und CD-Produktionen gemacht und mehrere internationale Wettbewerbe gewonnen. Er kennt das Orgelleben in- und auswendig und wird oft bei Orgelneubauten als Ratgeber hinzugezogen.
Kirche von Eichwalde
Dank an Angelika, die uns auf dieses Konzert hingewiesen hat und die ihn schon seit vielen Jahren persönlich kennt!
Ein weiteres besonderes Orgelerlebnis hier
Christa Blenk