Der nasse Fisch – Kommissar Gereon Raths erster Fall
Der nasse Fisch – Kommissar Gereon Raths erster Fall
Berlin 1929: Zwischen Straßenschlachten von Kommunisten und Schupos, SA, Rotfront, Maffia, korrupten Polizisten und illegalem Waffenschmuggel, Kokain, Nachtclubs und Intrigen im vergnügungssüchtigen Berlin der roaring twenties gerät der ehemalige Mordermittler Gereon Rath durch Zufall in einen Sog von Ereignissen, die ihn selber an den Rand der Legalität bringen und die Polizei in ein zweifelhaftes Licht setzen.
Volker Kutscher beschreibt in seinem ersten Fall das Ankommen des jungen Kommissars aus der Provinz in die brodelnde Hauptstadt Berlin, wohin er strafversetzt wird und das auch noch zum Sittendezernat. Gereon Rath ist eigentlich Mordermittler und fühlt sich bei der Sitte unterfordert. Ein geschickt inszenierter Zufall des Verfassers, bei dem sein Zimmervorgänger bei der Witwe Behnke eine Rolle spielt, bringt ihn auf die Spur eines Toten, der im Landwehrkanal gefunden wird und in Verbindung und die die Fänge unterschiedlicher Gesellschaftsschichten. Rath will sich profilieren und ermittelt im Alleingang, begeht selber eine Straftat, die er vertuscht, aber nach vielen Irrungen und Verwirrungen letztendlich doch eingesteht und das Gute siegen lässt.
Ein schillerndes, fortschrittliches Berlin in der Weimarer Republik ist die Kulisse dieses Romans, die die Gegensätze zwischen Wedding, Neukölln und Charlottenburg aufgreift und den wilden Osten beschreibt. Den Berliner Dialekt setzt Kutscher geziehlt und geschickt ein. Der aufkommende Nationalsozialismus der Völkischen steht ante portas.
Die Protagonisten sind erfrischend realistisch, essen Kuchen, sind sehr klug aber bestechlich und die Grenze zwischen good cop und bad cop verwischt sich recht oft. Gereon Rath ist aber trotzdem schwer einzuordnen, ist er zynisch und kalt oder nur sehr ehrgeizig, weil er sich von seinem prominenten Vater lösen will? Auf jeden Fall ist er mutig und hat kein Problem, sich allein gegen die Welt zu stellen. Er ist nicht wirklich sympathisch, aber auch kein Ekel. Kutscher schreibt pragmatisch und sachlich und manchmal ziemlich grausam und sadistisch. Die Maiunruhen, die der Kommissar in seinen ersten Tagen in Berlin miterlebt, sollen später als Blutmai in die Geschichte eingehen.
Gut recherchiert und spannend beschreibt der Autor auf schnelle Art die Geschehnisse vor dem Hintergrund politischer Ereignisse in den 1920er Jahren.
Volker Kutscher (1962) lebt in Köln und hat mittlerweile Gereon Rath sechsmal ermitteln lassen. Tom Tykwer arbeitet übrigens zurzeit an der Serie Babylon Berlin, die auf einer Romanreihe von ihm basiert.
Nachtrag: Übrigens hat es den Kriminalrat Ernst Gennat, genannt Buddha, wirklich gegeben, so wie es auch das Mordauto gegeben hat und seine Leidenschaft für Stachelbeerkuchen ist auch echt. 30 Jahre lang war er einer der bedeutendsten Beamten der Berliner Polizei mit einer unglaublichen Aufklärungsrate. Gennat verstand die Wichtigkeit der Spurensicherung. Er war Vorbild für viele Kommissare u.a. auch für den ersten deutschen Kommissar Karl Lohmann.
Er ist 1939 in Berlin verstorben. (Danke Ulrich für den Hinweis!)
Christa Blenk