King Arthur
Mythen-Pasticcio
Ein abgestürztes britisches Kampfflugzeug auf der Bühne! Na sowas, das war doch noch gar nicht erfunden!
Dieser Satz sollte im Verlauf des Abends öfters ausgesprochen werden. In dem neuen King Arthur der Staatsoper im Schillertheater wird viel geredet. Es ist ein hin- und her zwischen den 1940er Jahren, der Zeit Purcells und der Epoche der Gründung von Britannien durch den sagenumwobenen und legendären König und Englandgründer Arthur im Mittelalter. Aber es geht auch um Liebe, um eine schöne blinde Prinzessin und um Arthurs persönlichen Streit mit dem Sachsenkönig Oswald wegen und um Emmeline! Der große König ist von Nebenhandlungen und Parallelgeschehnissen umgeben, die ihn immer wieder von seinem prominenten Platz vertreiben. Und diese schon durch Purcell und Dryden eingebauten Nebenhandlungen haben den Regisseuren Sven-Eric Bechtolf und Julian Crouch noch nicht gereicht, deshalb haben sie eine weitere Haupt-Rahmengeschichte eingebaut. Und hier ist der Protagonist auch Arthur und dieser hat seinen Vater im Zweiten Weltkrieg verloren.
Arthur, das Kind, hat also Geburtstag und bekommt von seinem, im Rollstuhl sitzenden, grantigen Großvater ein Buch (und zwei Marionetten) geschenkt. Dieses Buch, aus dem ihm Großvater oder Mutter abwechselnd vorlesen, ist die Drehscheibe in der Geschichte. Hier steht die schönste Sage um König Artus. Und Arthur verliert sich in seinen Tag-Träumen und in allem was er kennt und weiß oder noch nicht weiß und schickt seine Fantasie auf eine Traumwelt-Reise – wir sind dabei.
Gerardo Aparicio
König Arthur, ein wenig lächerlich und gespreizt, trägt eine Rüstung, die an C-3PO (so hieß der Begleiter von R2D2 bei Star Wars) denken lässt – obwohl Star Wars noch nicht erfunden war! Zauberer und böse Erdgeister hoppeln als Quasimodos über die Bühne, bräuchten dringend ein Bad und benehmen sich schlecht. Wotan wird mit fantasievollen Bräuchen gehuldigt „We have sacrificed“. Wagner mit einer allerschönsten Rheintochter-Szene zitiert und die Schäfer-und Schäferinnenszene „How blest are Shepherds“ wird von Rollstuhlfahrern und Kriegsverletzten gesungen und gerollt. Cupido fliegt durch Lully-Lüfte à la Benjamin Lazar; der wankelmütige Luftgeist Philidel kommt ebenfalls von oben, wie es sich für ihn gehört. Er landet als Fallschirmspringer in einem barocken Wald und versucht verzweifelt in einer bezaubernden Szene, die richtige Richtung zu zeigen, um den Verfolgern zu entkommen „Hither this way bend“ . Der Kampf des starwar-Arthur gegen seinen Widersacher um Emmeline wird von sizilianischen Pupi ausgetragen, diejenigen, die Arthur zum Geburtstag bekam. Einfach alles wie im Märchen. Nymphen, verführerische Sirenen und immer wieder moralische und pazifistische Botschaften werden in den Raum gestellt – aber zum Schluss muss der kleine Arthur doch in das Flugzeug seines Vaters steigen, dass aber diesmal mit der Schnauze nach oben da steht, um die Heldentradition diese higher middle class family fortzuführen oder um sich auf den Krieg vorzubereiten!
Dazu viel Slapstick und eingebaute Gags, dass man es einfach nicht ernst nehmen wollte.
In den Hauptrollen dieser Sprechtheater-Opern-Aufführung waren nicht nur Sänger, sondern eben auch Schauspieler wie Michael Rehberg oder Michael Rotschopf, ja, mehr noch: die Hauptrollen gehören den Schauspielern. Die Solisten hatten alle mehrere Nebenrollen, weil das Stück eigentlich aus Nebensollen besteht! So hat Purcell das schon gewollt. Das gesamte Ensemble hat auch den schnellen Kleider- und Rollenwechsel ausgezeichnet gemeistert.
Wunderbare Arien hat Philidel (hell und klar Annett Frisch) und so hat sie sie auch gesungen, getanzt und gespielt. Die Frost Szene (wegen der wahrscheinlich 75% in der Oper saßen) war weniger gelungen als erhofft, was aber daran lag, dass der kleine Arthur den als Raumschiffpilot verkleideten Cold Genius ständig am Fuß packte, was diese sonst feierliche Szene irgendwie entweihte. Dafür umso besser das Zitterlied vom Chor direkt danach „We chatter and tremble.“ Emmeline (Meike Droste) ist sehr unschuldig sehend geworden, hat sich aber als alles andere als schüchtern entpuppt. Sie hat viel rumgezickt und sich nichts gefallen lassen.
Bechtolf, der vom Theater kommt, hat John Drydens Text modifiziert und gekürzt und ihn um witzige Passagen und Gags ergänzt und viele Lacher produziert (aber nicht alle waren immer amused).
Erwartungsgemäß hat René Jacobs am Pult vor der Akademie für Alte Musik Berlin bella figura gemacht und Purcells Musik plastisch und farbenfroh hervorgezaubert – ganz passend zu dem umwerfend bunten und originellen Bühnenbild und den Kostümen. Hervorragend der Chor. 100 Minuten Musik gibt es bei King Arthur – gedauert hat das Ganze allerdings 150 Minuten - Jacobs hat auf andere Melodien und Trinklieder von Purcell zurückgegriffen und einige Sprechstellen waren sogar mit dezenter Musik unterlegt. Das kann man mögen oder nicht!
Die Uraufführung fand 1691 mit mäßigem Erfolg in London statt, wurde aber später zu Purcells größtem Erfolg überhaupt. Das Libretto hat John Dryden geschrieben, damals einer der renommiertesten Dichter und Poet auf Hofe von Charles II, der im Land Frieden herstellte. Eine Nationaloper zu seinem 25 jährigen Jubiläums sollte es werden – aber es sollte noch Jahre dauern, bis es endlich soweit war. Dryden hotel Jahre später – von Geldnot getrieben – das Projekt wieder aus der Schublade und musste er erst einmal den politischen Umständen anpassen und erst zu diesem Zeitpunkt kam Purcell ins Spiel, der von Dryden eine singbarere Umarbeitung einforderte.
Henry Purcell (1659-1695) hat die Oper 1690 komponiert, sie trägt den Untertitel „The British Worthy“ (der britische Held). King Arthur ist eine Semi-Oper in fünf Akten. Die Hauptrollen gehören nicht den Sängern sondern den Schauspielern, die Musik hat eigentlich nur Begleit- und Untermalfunktion und gehört den Nebenrollen. Eine durchaus typische Musikgattung im England des 17. Jahrhunderts, bei der Gesang, Text und Tanz ziemlich gleichberechtigt waren – ganz dem französischen Vorbild folgend.
Christa Blenk