Hieronymus Bosch – Vision Alive
Zwischen Aberglaube und Alptraum und zwischen Schuld und Sühne
Alte MünzeIn Italien war gerade die Renaissance im Gange als Hieronymus Bosch (1450-1516) 1510 den Garten der Lüste malte. Das Gemälde misst 220 x 195 cm und hängt im Prado in Madrid (wie viele andere wichtige Gemälde von ihm). Pflanzliches, Fleischliches, Geometrisches, Verbotenes fügt Bosch immer wieder in unterschiedlichen Formationen und Stellungen im Garten der Lüste zusammen (Heinrich III von Nassau hat es übrigens in Auftrag gegeben). Unter den ausufernden Rätseln, Thesen und Legenden um Bosch gibt es auch eine Mutmaßung, in der man ihn als Mitglied einer ketzerischen und sexuell ausschweifenden Sekte bezichtigte. Hat er sich mit seinem Jüngsten Gericht, das um 1505 entstand, schon im Vorfeld die Hölle vor Augen geführt, in die er sicherlich nach der Schaffung des Garten der Lüste verdammt wurde. Die Außenflügel zeigen Hölle und Paradies wie das Jüngste Gericht und erinnern an den 1500 entstandenen Heuwagen. Aber ein Rätsel nach dem anderen gibt er auf, dieser Garten der Lüste. Von frevelhafter Sündhaftigkeit bis zu einer surrealen Utopie der Zukunft der Menschen ist alles dort vorhanden. Stundenlang muss man das Gemälde betrachten und immer wieder taucht etwas noch nicht Gesehenes auf. Nackte Paare tummeln sich im Liebesspiel und essen sündhafte Früchte und es wimmelt nur so von Symbolen.
Seltsame Fisch-Vogelkreaturen sausen von Messern geteilt über die Leinwand und werden von pendelnden Füßen verdrängt, die irgendwo im grünlich-blauen Jungbrunnen enden und von Monstern und hässlichen Gnomen gezogenen Luftblasen-Kugelbooten untergetaucht werden. Aber Qual war ja vielleicht Lust bei ihm, eine Art Masochismus, ein Himmel auf Erden oder eine Hölle im Himmel oder umgekehrt! Will er uns warnen vor der Todsünde, oder uns mitteilen, was es alles am Rande des Lebens noch so gibt? Ein Moralist war er sicher nicht, vielleicht aber ein Provokateur, ein Surrealist vor der Zeit.
In der Multimedia-Ausstellung in der Alten Münze in Berlin, kann man zwar die einzelnen Szenen über animierte Videoprojektionen auf Großleinwand sehen und seine persönliche Apokalypse en detail studieren, aber berühren wie die Originale tun diese Bilder nicht. Es ist eher ein Bosch-Jahrmarkt, auf dem man sich – wie auf einer echten Kermes – seinen Kopf in ein Boschgemälde einbauen kann, um ihn sich zuhause übers Bett zu hängen oder als nächste Weihnachtskarte zu verschicken.
Bosch selber hat seine Bilder nicht kommentiert und es gibt sehr wenig Informationen über ihn und sein Werk, dafür wurde es in unzähligen Doktorarbeiten interpretiert und erklärt.
Vor genau 500 Jahren ist er verstorben und ein Geheimnis bleibt er immer noch. Unzählige Künstler haben ihn kopiert und sich inspiriert, angefangen von Dali, den Dadaisten und den Surrealisten.
Die Ausstellung wurde verlängert und ist noch bis 31. Januar 2017 in der Alten Münze in Berlin zu sehen. Aber für echte Kunstliebhaber ist das nicht das Richtige!
Christa Blenk