Kulturspaziergang Bernini in Rom
Thematische Kulturspaziergänge
Bericht für KULTURA EXTRA
Auf dem Weg zu Berninis Highlights im barocken Rom
Wenn man an Rom denkt, dann fällt einem zuerst der Kollosseum ein und dann der Vatikan. Dabei ist Rom erst im Barock wieder richtig groß und mächtig geworden und das spiegelt sich natürlich auch im Stadtbild wider. Rom ist eine barocke Stadt! Es gibt Künstler, wie Caravaggio zum Beispiel, die man nur in Rom entdecken und verstehen kann, Ein anderer ist der Bildhauer und Architekt Gian Lorenzo Bernini – dessen Werke über die Stadt verteilt und zu entdecken sind – und um ihn geht es in diesem Artikel.
Gian Lorenzo Bernini lebte vom 1598 bis 1680 und kann wohl als der bedeutendste italienische Bildhauer des Barock bezeichnet werden. Für Manche ist er sogar der Schöpfer des barocken Roms. Und wenn man in Rom auf seinen Spuren wandert, dann kommt man nicht umhin, dem zuzustimmen:
Berninis Karriere in Rom hat unter dem Borghese-Papst Paul V begonnen. In dieser Zeit war das Amt des höchsten Kirchenchefs ein Synonym für Reichtum und Macht – und das bezog sich nicht nur auf die Person des Papstes sondern auf seinen gesamten Klan! Ganz öffentlich und vor den Augen der Römer wurden lukrative Posten verschoben und man schröpfte wo man konnte. „Nach den Carafa, den Medici, Farnese – bereichert sich von nun an – das Haus Borghese“. So sprach die römische Bevölkerung und dieses spricht Bände. Oft reichte es schon, nur ein paar Monate Papst zu sein, um für sich und seine Familie ausgesorgt zu haben und in Luxus leben zu können. Das drei-Päpste Jahr 1605 fällt genau in diese Zeit. Obwohl Rom Anfang des 17. Jahrhunderts nur knapp 100 000 Einwohner hatte, also viel weniger als Neapel oder Venedig, stand es eben durch diese Kirchenverbindung, im Zentrum und war sozusagen „Königmacher“. Das positive an dieser Situation war, dass all diese Familien einem wahren Kultur- und Sammlerwahn verfallen waren und sie sich – ähnlich wie früher in Florenz – als Mäzen und Beschützer bzw. Förderer von Künstlern fühlten und handelten. Bernini wurde also in diese Zeit hineingeboren und hat für Rom den Barock erfunden.
Als Sohn eines mittelmäßigen neapolitanischen Bildhauers, kam er 1605 mit seinem Vater nach Rom. Dieser erkannte sehr bald, was in seinem Sohn steckte, ließ seine Karriere liegen und förderte seinen Sprössling (er wird oft mit Mozart verglichen). Als der Kunstliebhaber Kardinal Maffeo Barberini, der später für die lange Zeit von 1623 – 1644 als Papst Urban VIII (von 1623-1644) Berninis Hauptförderer werden sollte, Berninis Vater ins Gesicht sagte dass sein Sohn ihn jetzt schon weit in den Schatten stellte, antwortete er mit sicherer Intelligenz und Voraussicht „Wer in diesem Spiel verliert, gewinnt“.
Intelligent, hochbegabt, opportunistisch, diplomatisch und aggressiv verfügte Bernini über alle Eigenschaften, um sich permanent in diesem Sumpf aus Beziehungen und Nepotismus (das Wort ist in dieser Zeit entstanden) ins rechte Licht zu setzen und alle anderen Konkurrenten auszuschalten oder erst gar nicht hochkommen zu lassen.
Unser Pilgerweg zu seinen Werken beginnt an der Kirche Santa Bibiana (1624) in der Nähe von Termini – außerhalb der Aurelianischen Mauer. Er hat sie im Auftrag von Papst Urban VIII geschaffen und dort ist sie geblieben, in dieser kleinen Kirche, in die fast nie einer kommt.
Dann gehen wir weiter Richtung Barberini-Platz zur Kirche der Hl. Vittoria, um der wunderbaren und sehr erotischen Skulptur der „Verzückung der Teresa de Avila“(ca 1650) einen Besuch abzustatten. Über drei Meter misst die Plastik und war lange Zeit ziemlich umstritten, denn sie zeigt eine vom Speer der Liebe und Leidenschaft getroffene Heilige, die durch ein wohl überirdisches Feuer in Verzückung gerät, eine Extase, die einer Heiligen einfach nicht zusteht. Ziemlich provokativ hat Bernini sich hier gezeigt. Erliegt Teresa der Erotik von Gott oder vielleicht von San Juan de la Cruz?
Nicht weit weg, am Beginn der Via Veneto an der Piazza Barberini steht der Bienen Brunnen (1644). Die Biene war das Wahrzeichen der Barberini-Familie und ihr hat Bernini viel zu verdanken; in der Mitte di Fontana del Tritone mit Neptun in der Mitte.
Unser nächstes Ziel ist der Vierströmebrunnen auf der Piazza Navona, vorher kommen wir aber noch an der Kirche Sant’Andrea al Quirinale (1658-1676) vorbei. Bernini hat sie konzipiert, sie ist oval und sehr protzig. Weiter Richtung Corso mit einem kleinen Umweg geht es zum Brunnen Fontana di Trevi. Der ist zwar nicht von Bernini, aber man sagt, dass er sehr wohl die Entwürfe dafür entworfen hätte.
Aber nicht weit davon ist die Barock-Kirche Sant’Andrea delle Fratte in der sich zwei überdimensionale Bernini-Engel befinden (außerdem hat diese Kirche einen wunderbaren Kreuzgang und ist der Durchgang zur Musikakademie Santa Cecilia. Schließlich auf dem Corso geht es in die Galleria Pamphilij zur Büste von Innozenz X um 1650 (neben dem Wahnsinnsportrait von Velazquez, das dieser vom Papst Innozenz X gemalt hat). Wer möchte, geht dann noch schnell über die Piazza Venezia zu den Kapitolinischen Museen – aber natürlich nicht nur wegen der Bernini-Medusa.
Der Vierströmebrunnen entstand ungefähr zur gleichen Zeit wie die Hl. Teresa und ist Hochbarock pur! Vier Männerfiguren thronen auf Felsbrocken. Sie stehen stellvertretend für die damals bekannten Weltströme und Kontinente: Donau (Europa), Nil (Afrika), Ganges (Asien) und Rio de la Plata (Südamerika). Ein paar Schritte weiter, gleich hinter dem Pantheon vor der Kirche Santa Maria sopra Minerva steht ein Spätwerk, der Elefant mit Obelisk (1665). Er gilt als Glückbringer und muss deshalb natürlich berührt werden. In der Kirche, die eine der schönsten in Rom ist, befindet sich übrigens ein Christus von Michelangelo (1520), den Bernini sehr verehrte.
Unser Weg führt uns nun über die Brücke Richtung Petersdom, am besten über die Engelsbrücke begleitet von den Bernini Engel. Diese hat Bernini zwar nicht selber in Marmor gehauen, aber die Kolonnaden (1659-1672) um den Petersplatz sind von ihm und im Inneren des Doms der teuerste Baldachin (1633) aller Zeiten (den er zusammen mit dem anderen großen Barockmeister Borromini baute) sowie die Grabdenkmäler für Papst Urban VIII (1627-1647) und für Papst Alexander VII (1671-1678).
Eigentlich ist nun noch ein Abstecher nach Trastevere notwendig, in die Barockkirche San Francesco de Ripa, ganz in der Nähe von Porta Portese. Sie liegt nicht auf dem Weg, aber der Umweg lohnt sich. Dort liegt schmerzverzerrt eine andere Heilige, die Agonie der Heiligen Ludovica Albertoni.
Nun haben wir uns eine kleine Pause in einem der vielen Cafes in Trastevere verdient, bevor es zu den Bernini Highlights am anderen Ende der Stadt weiter geht.
Wieder über den Tiber gehen wir in Richtung Piazza del Popolo. In der Kirche Santa Maria del Popolo befindet sich die Chigi Kapelle, die spätestens seit dem Film „Illuminati“ auch Nicht-Kunstliebhabern bekannt ist. Sämtliche Skulpturen in dieser Kapelle, gleich links neben dem Eingang, sind von Bernini. Immer noch in der Kirche verlassen wir für einen Moment Bernini und gehen schnell zu den beeindruckenden Caravaggio Fresken neben dem Hauptaltar – das ist ein Must.
Ein 15-minütiger Spaziergang durch den Park der Villa Borghese bringt uns zur Galleria Borghese. Hier befinden sich Berninis Hauptwerke. Scipione Borghese, ein Neffe (Nipote, hiervon kommt das Wort Nepotismus) des Papstes Paul V, hat sich diese Villa bauen lassen und alle Hauptwerke von Bernini dort vereint. Es ist wie ein Rausch. Ich erwähne nur die Hauptwerke wie den David mit der Schleuder (1623) « Ich werde es Euch zeigen » lässt der junge Bernini den David sagen; die Gruppe Aeneas, Anchises und Ascanius auf der Flucht aus Troja (1618) . Hier sind – auch physisch – die drei Generationen festgehalten, das pummelige Kind, der muskulöse Mann und der alte runzelige und magere Vater. Die angsteinflößende Skulptur der Raub der Proserpina (1621), zwei Büsten von Kardinal Scipione Borghese (1632). Es gibt sie zweimal, weil bei der ersten der Marmor auf der Stirn gesprungen war und der eitle Borghese Kardinal sich so nicht gefiel, also fertigte Bernini selber eine Kopie seiner Büste. Der Betrachter sieht den Unterschied nur, wenn er die Geschichte kennt. Und hier nun eines seiner Meisterwerke: Apollo und Daphne (1622). 24 Jahre war Bernini alt, als er dieses geniale Werk schuf. Er hat einen Moment aus der Metamorphose von Ovid festgehalten. Apollo entführt die schöne Daphne, die gleich ihre Mutter um Hilfe ruft, diese hat keine bessere Idee, als ihre schöne Tochter schnell in einen Baum zu verwandeln. Bernini hat die Verwandlung in Carrara Marmor eingefroren: Über zwei Meter ist die Skulpturengruppe und man kann um sie herumgehen. Freud, Leid, Schock, Falten, Haare, Blätter und Baumrinde. Im Sockel der ist folgender Spruch eingemeißelt: „Wer als Liebender den Freuden flüchtiger Form nachjagt, der füllt seine Hand mit Laub und erntet bittere Beeren“.
Lesen Sie, wie Ovid die Verwandlung beschrieb, an die sich Bernini natürlich genau gehalten hat: …… befällt schwere Taubheit die Glieder. Die weichen Brüste werden von zarter Rinde umschlossen, die Haare werden zu Laub, die Arme wachsen als Äste; schon wird der flinke Fuß von trägen Wurzeln gehalten, ein Wipfel verbirgt das Gesicht ….. Man sagt, es sei eine beste Arbeit. Aber es ist schwer, sich zu entscheiden, denn sie sind alle faszinierend und erzählen Geschichten aus der Vergangenheit. Weiter geht es bis zum letzten Saal. Hier steht Die Wahrheit ein reiferes Werk in beige-bräunlichem Marmor (1650). Als er diese « Wahrheit » meißelte, hatte er schon einiges an Schlachten hinter sich, die Päpste haben gewechselt und er musste auch Niederlagen hinnehmen, die er natürlich meisterte. Nach seinem Tod allerdings, geriet er erstmals in Vergessenheit.
Außer dem sensiblen aber nicht weniger begabten hatte er so gut wie keine Gegenspieler. Gefördert von der Gunst der Päpste erreichte er eine Macht die soweit ging, dass er sogar für einen Mord nicht zur Rechenschaft gezogen wurde; die Päpste hingegen konnten mit seinen Arbeiten die Schäden der Reformation ausbessern und der Welt das neue, glänzende und aufsteigende Rom präsentieren. Eine win-win-situation!
Berninis Grab hingegen, das in der Kirche Santa Maria Maggiore steht, ist eher schlicht und passt gar nicht zu seiner pompösen Barockkunst und seiner Megalomanie.
Christa Blenk