Cavalleria Rusticana

Lola (Serena Muscariello) wird beim geheimen Stelldichein mit Turiddu auf einem roten Knautschsessel von der Kirche und vom Volk beobachtet. Jedenfalls will Stinchelli, dass wir das denken, wenn er zuerst den Pfarrer und kurz darauf zwei ältere, schwarz gekleidete Sizilianerinnen auf die Bühne treten lässt, die sich kurz umschauen und vielleicht kopfschüttelnd wieder abtreten. Turiddu (Manrico Carta) schmettert seine Arie und die Dorfbewohner tummeln sich heiter, fidel und aufgeräumt vor der Messe am Ostermontag in einem sizilianischen Dorf.
Damit ist dann der fröhliche Teil dieser kurzen Einakter-Oper auch schon beendet und das Drama kann beginnen. Santuzza erscheint (Silvia Pasini, anfangs etwas unsicher, singt sie sich im Verlauf des Abends – zu Recht – in die Herzen des geneigten Publikums) und beschwört Mama Lucia (Francesca Romana Cassanelli) die gerade, eher abweisend und kühl, ihre kleine Bar auf den zu erwartenden Ansturm nach der Messe vorbereitet. Der Römer Enrico Stinchelli hat die Aktualität von Liebe-Verrat-Leidenschaft mit den Kostümen der Protagonisten erklärt. Dementsprechend sind die älteren Frauen in lange schwarze Verismo-Zeit-Kleider gewandet, während die jüngeren Kirchgängerinnen keusch kniebedeckt sind und Lola, zuerst im Minikleid und später in einer schulterfreien und hochgeschlitzten roten Abendrobe, die Menge und Turiddu bezirzst. Der betrogene Alfio, (Alessio Quaresima Escobar) wird permanent von zwei Bodyguards begleitet, die mit ihren schwarzen Anzügen und dunklen Brillen an den Film Men in Black erinnern. Stinchellis eher konventionelle und schlichte Inszenierung wird plötzlich gegen Ende sehr expressionistisch-manieristisch und lässt an Goyas schwarze Bilder denken. Die Guzzi Vespa, mit der Turiddu 2002 in Taormina auf die Bühne gefahren kam, gab es gestern Abend nicht! Dafür lässt uns der Schrei von der Galerie, also direkt neben uns, « Sie haben Turiddu umgebracht » hochschrecken.

Das Orchester Roma Sinfonica und Chor von Roma Tre unter Leitung von Maestro Isabella Ambrosini haben am 19. Mai im Teatro Palladium Mascagnis Cavalleria Rusticana aufgeführt und bella figura gemacht. Turiddu, Santuzza und Lucia waren nicht geplant und sind im letzten Moment eingesprungen; dafür haben sie sich – mit Hilfe einer diskreten Führung - gut geschlagen. Das Teatro in der Garbatella wurde extra dafür umgebaut, d.h. die ersten vier Reihen im Parkett wurden zum Orchestergraben. Man kann die Aufführung, vor allem musikalisch, nur loben. Das große Orchester der jungen Musiker gab eine einwandfreie, cremige und füllige Performance von Mascagnis bekanntestem Werk, das auf einer Geschichte aus Giovanni Vergas „Sizilianischen Novellen“ basiert und knapp 70 Minuten dauert.
Christa Blenk