Alphonse Mucha

Alfons Mucha – Liberaler Aufklärer und mystischer Nationalist
Alle haben wir schon einmal eine Ansichtskarte von Mucha gekauft, seine Illustrationen auf Omas Keksdose erkannt oder die lieblich-sauberen Motive im Vintage-Einwickelpapier einer chemiefreien Seife bewundert. Auf Parfümzerstäuber, Zigarettenpapier, Kindernahrung (ja, die gab es schon um die Jahrhundertwende!), Champagnerflaschen oder die des kleineren, bezahlbareren Bruders Cremant schnörkeln und ranken sich geometrische und pflanzliche Formen und Motive über die Fläche. Alfons Mucha hat sein Talent in alle Richtungen spielen lassen. Berührungsängste oder persönliche Hinderungsgründe kannte er nicht; er illustrierte die Produkte von Nestle, Job, Moet und Chandon mit der gleichen Hingabe oder Freude wie er Ideen für Vorlage-Bestecke, Karaffen, Fächer, Versicherungsgesellschaften oder ganze Pavillons entwickelte. Mucha war ein Designer, ein origineller und talentierter Kunsthandwerker, ein schneller und sicherer Plakatkünstler, der Aufträge ausführte – und dieses mit großem Erfolg. Der tschechische Maler und Grafiker Alfons Mucha (1860-1939) zählt zu den bedeutendsten Vertretern des Jugendstils.
Er konnte früher Zeichnen als Gehen und nachdem ihn die Prager Akademie abgelehnt hatte, besuchte der eine Schule für Bühnendekoration in Wien und München und nahm Zeichenunterricht. Sein erster Auftrag kam vom Ringtheater in Wien. Leider fielen aber alle seine dort realisierten Arbeiten einem Feuer Anfang der 1880er Jahre zum Opfer.
Die Ausstellung in Rom im Complesso del Vittoriano zeigt sein Lebenswerk, die Anfangszeit in Mähren, sein Ankommen in Paris anlässlich der Weltausstellung – wo ihn sein Mäzen, Graf Khuen 1889 hinschickte, damit er seine Kunststudien in der Weltmetropole und im Mittelpunkt des Kunstgeschehens vervollständigen konnte -, den relativ schnellen Erfolg in Paris, die Arbeiten in den USA und wohl sein Hauptwerk nach seiner Rückkehr in die Heimat, das er dem slawischen Volke widmete. Gemälde, Fotos, Zeichnungen und über 150 Plakate sind ausgestellt.
In Paris lebte Mucha zuerst bescheiden und hielt sich mit Buchillustrationen über Wasser. Kurze Zeit teilte er sich mit dem Maler Gauguin eine Wohnung. Als die exzentrische, bekannte und gefeierte Pariser Schauspielerin Sarah Bernhardt für das Theaterstück Gismonda (1894) ein Plakat bei ihm in Auftrag gab, wurde er über Nacht berühmt.
Im ersten Raum hängen sie all die schönen, idealisierten jungen Frauen. Gismonda, Die Kameliendame, Medea, die Vier Jahreszeiten (1896) begleitet von den vorbereitenden Zeichnungen, die schnell sein großes Talent verraten – und verstrahlen diese frivole Fin de Siècle Leichtigkeit. Das Plakat für Dumas Kameliendame zählt zu den bedeutendsten Plakaten dieser Zeit. Überall in Paris waren sie zu sehen, die Litfasssäulen im Much-Stil und nicht wenige Plakate wurden bei Nacht und Nebel aus dem Rahmen geschnitten und landeten bei den Mucha-Fans zu Hause.
Im nächsten Raum hängen seine Werbeplakate, u.a. eine rauchende Schöne, die für Job Zigarettenpapier wirbt und ein Mutter, die ihren bettelnden Kindern gerade die Pulverschokolade anrührt.
Immer wieder illustrierte Mucha Bücher. Ein Exemplar von Ilsée, Princesse de Tripoli, das 1897 herauskam und mit 134 Farblithographien ausgestattet ist, kann ebenfalls in der Ausstellung betrachtet werden.
Paris fieberte der die Moderne einleitenden Weltausstellung entgegen und ein Großauftrag, nämlich die Gestaltung des Hauptpavillons ging an Mucha; ebenso baute und dekorierte er den Pavillon von Bosnien. Mucha, der ein Amateurfotograf war, nutze seine Fotos als Vorlagen für seine Grafiken, aber er arbeitete auch zeitweise mit Modellen und entwarf Kostüme und Bühnendekorationen. Einige Entwürfe sowie Schmuck dazu, sind ebenfalls ausgestellt.
Um die Jahrhundertwende reiste er mit dem Bildhauer Rodin nach Mähren und 1904 mit seiner um 20 Jahre jüngeren Frau in die USA, wo er genau so weiter machte. Nun zierte nicht mehr Sarah Bernhardt seine Plakate sondern Maud Adams oder Leslie Carter. Außerdem illustrierte er Sonderbeilagen für die New York Daily News.
Ein weiteres Thema der Ausstellung ist dem Freimaurer Mucha gewidmet. Er gilt als der Wiederbegründer der tschechischen Freimaurerei und malte sich selber dekoriert mit dem höchsten Rang.
Nur ein Bild einer türkischen Freiheitskämpferin manifestiert eine Auseinandersetzung mit der Gesellschaft, die nicht zu den beautiful people gehörte oder eine Hommage an Jan Hus.
Als Mucha 1908 in Boston Smetanas symphonische Dichtung „Die Moldau“ hörte, brach das durch viele Jahre Abwesenheit von der Heimat latent vorhandene fieberhafte Heimweh aus und er entschloss sich zur Realisierung seiner nationalistischen Idee, sein Leben der slawischen Geschichte und Kunst zu widmen; die Slawische Epopöe wurde konkret, als er mit dem amerikanischen Millionär Charles Crane einen Unterstützer und Verbündeten fand . Mucha ging in seine Heimat nach Westböhmen zurück und befasste sich zwischen 1910 und 1928 hauptsächlich mit der Realisierung der slawischen Epopöe, 20 monumentale Gemälde, die die Geschichte seiner Heimat bis ins 19. Jahrhundert beschreiben. Sie haben die Leichtigkeit seiner Theaterillustrationen eingebüßt und wirken schwerfälliger, nostalgischer. Die Präsentation fand 1928 in Prag statt. Das letzte Gemälde der Serie stellt das 20. Jahrhundert dar und unterscheidet sich von den anderen. Es ist eine Mischung aus Mythologie, Religion und sportlicher Antike, die Suche nach einer neuen Äthetik, die auf den ersten Blick an die Fresken von Sironi erinnert.
Muchas größter Wunsch nach einer freien Tschechoslowakei sollte 1918 in Erfüllung gehen und er entwarf das Wappen des jungen Landes, die erste Banknote und Briefmarken. Als aber die deutschen Truppen 1939 Prag besetzten und ihn verhafteten starb er kurze Zeit später im Alter von 79 Jahren.
Alfons Mucha hat sich nie mit den anderen brennenden Kunsttendenzen in Paris um die Jahrhundertwende auseinandergesetzt und blieb seinem Stil treu. Er war immun gegen die brodelnde Aufbruchsstimmung in Kunst, Musik und Literatur in Paris und Europa und hat sich lieber der Vergangenheit gewidmet.
Die Ausstellung zeigt wie umfangreich und groß sein Werk war; ohne Zweifel ein harter und sehr talentierter Arbeiter, der sehr schnell die Gunst der Stunde nutzte aber sich nie von zuhause abnabelte. Die konkrete und schwungvolle, manchmal an die japanischen Mangas erinnernde Linienführung, der Umgang mit Farbe und die Sehnsucht nach perfekter Schönheit werden aber im Verlauf der Ausstellung dann doch etwas langweilig.
Diese Ausstellung wird sicher wieder eine do-it-like-Mucha-Welle hervorrufen, wie das im letzten Jahrhundert immer wieder vorkam, s. z.B. die psychedelische Kunst der Hippie-Jahre.
Über 200 Exponate sind in der gut organisierten Ausstellung zu sehen, die Tomolo Sato in Zusammenarbeit mit Arthemisia Group kuratiert hat. Am Anfang ist ein Film über sein Leben zu sehen, den man nicht übergehen sollte.
Christa Blenk