Umberto Eco – Nullnummer
Giovanni di Lorenzo hat im Oktober 2015 Umberto Eco für Die Zeit interviewt und während des Gesprächs erwähnte Eco, dass Nullnummer sein letztes Buch sein werde: « Aber ja, jetzt reicht’s, zumal ich mehrere große nicht narrative Projekte habe, denen ich mich voll und ganz widmen möchte. Ich habe mir gesagt: Wieso packe ich das Thema nicht in einen Roman? »
Fünf Monate später war Umberto Eco tot.
Die Idee zu dem Buch Nullnummer hatte Eco schon in den 70er oder 80er Jahren, als er permanent mit der Werbung für eine Zeitung namens „Oggi“ (Heute) konfrontiert war; ein Blatt, das nie das Licht der Druckerpresse erblickte.
Bei Eco heißt die Zeitung „Domani“ (Morgen) und er setzt noch eines drauf. Denn hier entsteht eine Zeitung die in der Gegenwart Ereignisse der Zukunft, die in der Vergangenheit passiert sind, beschreibt. Es gibt ein Redaktionsbüro und sechs Redakteure, von denen nur einer, Colonna, weiß, dass alles Fake ist und dass alle, ohne es zu wissen, in einem Theaterstück mitspielen, das auch nie aufgeführt werden wird.
Sehr schnell und fesselnd, wunderbar strukturiert, erzählt Eco die Kriminalgeschichte auf weniger als 250 Seiten. Fiktion und Realität vermischen sich permanent aber er schafft es trotzdem irgendwie spielend, dass der Leser nicht aus dem Film fällt. Vielleicht passiert aber alles nur im Kopf des Erzählers!
Juni 1992: Mit einem zugedrehten Wasserhandrad kommt das ganze in Schwung. Der zweitklassige Journalist Colonna gerät in Panik und erzählt die Begebenheiten zwischen April und Mai desselben Jahres. Spionage, Verrat, Korruption, Mord, Erpressung, Verschwörung und viel Manipulation.
Der Zynismus, mit dem er dem Journalismus begegnet ist genau so schmerzhaft und ekelerregend wie die Beschreibung der gerichtsmedizinischen Untersuchung der Mussolini-Leiche, die vielleicht gar nicht die Leiche des Duce war. Ein ernüchternder Illusionsverlust auf allen Ebenen und eine niederschmetterende Wahrheit über sein Italien und die politischen Begebenheiten in den 90er Jahren.
Es ist sicher nicht sein profundestes oder bestes Buch. Billige Schlagzeilen, Gemeinplätze und Verschwörungstheorien, eine flache Liebesgeschichte und Vermutungen über Mussolinis Verbleib nach dem er eben nicht wie alle dachten am 25. April zu Tode kam und die Niedrigkeit der Masse sind die Hauptprotagonisten. Fragen wie hat der Duce in Argentinien oder im Vatikan auf eine Rückkehr gewartet oder hat die Mondlandung wirklich stattgefunden werden genauso behandelt wie eine ausführliche Gebrauchsanleitung für einen Autokauf.
Colonna ist ein gewinnender Looser, er ist sympathisch, mehr oder wenig anständig und phlegmatisch. Er erkennt resignierend, dass er es mit seinen 50 Jahren wohl nicht mehr zu etwas Großem bringen wird, will – mit der verlässlichen Bequemlichkeit in das ruhige Misstrauen in die Welt – zurückkehren zu seinen Übersetzungen und mit Maia am Wochenende auf den See schauen und abends Filme ansehen.
Mit diesem Roman wollte er eindeutig die italienische Presse bestrafen, aber die Ohrfeige geht genauso an die Politiker, an den Leser seiner Bücher, den konsumierenden und schnell vergessenden Zeitungsleser, den Bestechlichen und demjenigen, der sein Schäfchen immer ins Trockene bringt.
Und so kommt man am Ende an und muss die erste Seite nochmals lesen, weil dann alles viel klarer wird!
Trotzdem eine schöne und unterhaltsame Lektüre. Schließlich lesen wir das Buch ja auch in der Gegenwart und er schafft es, uns mit den Geschichten der Vergangenheit zu manipulieren.
Christa Blenk