12 décembre 2015 0 Commentaire

Parsifal light

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Cord Garben mit dem Orchester Roma Tre nach der Aufführung (Foto: Christa Blenk)

Cord Garben dirigiert in Rom einen Parsifal « light »

Ohne Sänger, Dauer 90 Minuten, nur 25 Musiker, kammermusikalische Version, Aufführung in Rom mit einem nicht sehr bekannten Orchester. Seltsame Zusammenstellung aber anregend  und merkwürdig genug, um am Freitag Abend das Viertel La Garbatella heimzusuchen, und im Teatro Palladium diese Welturaufführung – die so ganz ohne das Wissen der Welt passierte – mitzuerleben.

Für und über und von Wagner ist spätestens seit dem Jubiläumsjahr 2013 alles gemacht und gesagt worden, denkt man! Von wegen, immer wieder entdeckt ein erfinderischer und mutiger Pionier in einer unteren verschlossenen Schublade eine kleine Preziose und die von Informationen überrollte Welt kann ihren Musikhorizont noch ein wenig erweitern.

Anlässlich des Wagner-Jubiläums 2013 hatte Cord Garben Den RING für das Teatro Colón (Buones Aires)  auf die Hälfte gekürzt und mit der Pianistin Ana-Marija Markovina die Version des Spätromantikers Engelbert Humperdinck (1854-1921)  in zwölf Tonsätzen zu vier Händen eingespielt. Nun war natürlich dieses Parsifal-Arrangement für die puristischen Wagner-Verfechter untragbar, da ein andächtig-erhaben-religiös-mystisches Klangerlebnis wie es der Wagner-Apostel im Ohr hat, so nicht gebracht werden kann.

Dieses Jahr hat Cord Garben nochmals auf ein Humperdinck-Nebenprodukt seiner Wagnerassistentenzeit zurückgegriffen und eine unvollendete und eine nie aufgeführte Kammermusikversion (entstanden 1885, das ist aber auch schon alles was man darüber weiß, außer einem Hinweis über den Instrumenteneinsatz)  von diesem Wagner-Schüler und Assistenten für kleines Kammermusikorchester einstudiert und dies mit dem römischen Orchester Roma Tre gestern Abend im Teatro Palladium als fast-Privataufführung auf die Bühne gebracht. Garbens kammermusikalisches Bühnenweihfestspiel ist in acht Szenen (mit Zwischenbildern) – die anschaulich über der Bühne dargestellt werden – unterteilt: Prelude, Amfortas, Gurnemanz und das Heiligtum, Einzug in die Gralsburg, Schwanensee,  Liebesmahl, Klingsor und Parsifal, Blumenmädchen, Karfreitagszauber, Titurels Begräbnis, Erlösungsfinale. Garben selber hat die letzten Takte der beiden Klaviere, die nur ruhige Akkorde enthielten, den Holzbläsern zugewiesen.

Einblicke

Die Werke der großen sinfonischen Literatur wurden von den Komponisten in der Notation aus einer Keimzelle von zwei oder drei Systemen entwickelt: Klavierauszug (2 Notensysteme) oder Particell (3 bis vier) enthalten die erste Strukturierung der musikalischen Ideen. Hier werden Motive und Themen verarbeitet und in ihren Abläufen festgelegt. Der Komponist hat zu diesem Zeitpunkt längst eine Vorstellung davon, welchen Orchesterinstrumenten er später die musikalischen Bausteine zuordnet, die dann im Prozess der Instrumentierung zum klanglichen Endergebnis führen. Selbst die Seite einer großen Wagnerpartitur mit ihren bis zu 30 Notensystemen hat ihren Anfang in wenigen Notenzeilen.

Wenn sich nun ein mit dem Handwerk vertrauter Dirigent oder Komponist daran macht, die Partituren großer wagnerscher Musikdramen für den Vortrag auf dem Klavier „einzurichten“, so kehrt er den Entstehungsprozess um: nun gilt es, die im Theater erlebten Klangwirkungen mit rein klavieristischen Mitteln neu entstehen zu lassen.

Für den Hörer wird jetzt aus dem scheinbaren Nachteil, den das Fehlen der Klangcharakteristika der Instrumente des Orchesters zur Folge hat, quasi ein Vorteil. In der Reduzierung auf die Klangwelt des Klaviers erfährt er die Struktur des Werkes und dessen harmonische Grammatik unmittelbar. Dank des so gewonnen tieferen Blickes in die inneren Abläufe wird er das gewaltige Klangmaterial, das ihn, wieder im Theater, in seinen Bann zieht, nun mit anderen Ohren hören. (Zitat: Cord Garben)

Gewöhnungsbedürftig war es natürlich, aber die Motivanordnung und die Kompositionstechnik kamen gut zur Geltung und wurden durch eine Reihe von symbolistischen Parsifal-Illustrationen aus dem 19. Jahrhundert unterstützt. Lautmalerisch, spielerisch, romantisch und sehr leicht kam es beim Zuhörer an. Es hatte etwas von einer Schulstunde, aber eine in die wir gerne gehen. Durch die vielen Kürzungen kamen die typischen Leitmotive natürlich sehr viel öfter dran und das mystisch-religiöse hat der Theatralik und dem  Erzählerischen Platz gemacht, unterstützt teilweise von Wagners eingeblendeten Regieanweisungen. Eine Art „Bilder einer Ausstellung“. Die Rolle der Sänger hat Garben dem Fagott zugeteilt, sagte er nach der Vorstellung. Vielleilcht war das nicht genug! Ein schöner und einfacher Wagner, eigentlich eine perfekte Wagner-Initiations-Lektüre, wozu die einführenden Worte und Erklärungen beigetragen haben. Um sich an Wagner heranzutasten oder um Wagner einem Publikum zu präsentieren, das keine 5 Stunden aushalten kann,  ist es auf jeden Fall perfekt.

Bisher ist also dieser abgespeckte und delikate Kammermusik-Mini-Parsifal noch nicht aufgeführt worden. Unglaublich eigentlich und unverzeihlich, dass die Presse davon nichts wusste, weil dieses Konzert einfach nicht gut angekündigt war. Vier Tage hat Garben mit den jungen Musikern vom  Roma Tre Orchester geprobt und bis auf einen verpatzten Einsatz der Streicher gegen Ende waren er und das Publikum auch recht zufrieden. Anfangs schienen die nur 25 Musiker etwas zu schwächeln, das hat sich aber sehr schnell gelegt.  Vielleicht lag es aber auch an unseren nicht auf so etwas vorbereiteten Ohren. Die Bläser waren sehr gut und dem ersten Geiger würde ein wenig Bescheidenheit ganz gut tun!

Aber wie kam diese Parsifal-Version ausgerechnet in das von Giuseppe Verdi besetzte Rom?

Valerio Vicari vom Roma Tre Orchester hat Garbens Wagner-CD mit Salonorchester entdeckt und ihn daraufhin kontaktiert, dann begannen die Proben und Rom hatte – zwei Jahre nach dem großen Jubiläum – seine Wagner-Welturaufführung. Wunderbar, solche Ereignisse und Verbindungen!

Nach dem Konzert bildeten sich unterschiedliche Gruppen, man kommentierte und redete und ging nicht gleich weg, so als ob man noch etwas Wichtiges verpassen würde, begebe man jetzt nach Hause. Die Zuhörer hatten trotz umfangreicher Einführung durch einen Dramaturgen noch Erklärungsbedarf und das Interesse war groß.

Mit dem neuen Hambuger GMD Kent Nagano plant Garben, sein Parsifal-Projekt außerhalb des Staatsoperngebäudes in die Reihe des Kammerorchesters der Staatsoper einzubauen.

Zu Dante Alighieris 750. Geburtstag hat er das „AnDante“-Projekt konzipiert.  Es beinhaltet Liedvertonungen von Dante-Gedichten für eine Altstimme und Klavier  und eine Aufführung der Dante-Sinfonie von Franz Liszt in der Fassung für zwei Klaviere, die von Gustave Dorés fantastischen Radierungen begleitet wird. Im Februar 2016 wird es zum ersten Mal in Pinneberg beim Kulturverein aufgeführt werden.

Zur Parsifal-Geschichte:

Vor 170 Jahren befand sich Richard Wagner (1813-1883) auf Kur in Marienbad mit Wolfram von Eschenbachs Parzival im Gepäck. Die feudale Kuratmosphäre dort hat den für Luxus empfänglichen Wagner wohl inspiriert, denn in Marienbad sind schon in früheren Jahren  Fragmente des Lohengrin und der Meistersinger entstanden. Auch 1845 erfuhr Wagner zwischen Kurschatten und Kuranwendung wieder eine Art Inspirationserlebnis und es entstand das Gerüst für den Parsifal. Erst 12 Jahre später sollte er aber das Thema wieder aufnehmen, nämlich im Züricher Asyl an einem friedlichen Karfreitagsnachmittag. Licht schält sich durch die vom Frühling gerade erwachenden Bäume und lässt die Sonnenstrahlen durchblinken. Erst 20 Jahre später machte er sich an die echte Arbeit und dann ging die Saat sehr schnell auf. Schon im April 1877 lag die vollständige Prosa-Dichtung vor und der Parzival wurde zum Parsifal, Wagner wollte die Aussprache so nahe wie möglich an das altpersische « fal parsi » (der törichte Reine) heranholen. Zum Frühherbst begann er mit der Musik und um Weihnachten desselben Jahres ging das Libretto in Druck. Dann war erstmal die Luft raus und Wagner geriet in eine Schaffenskrise, vor allem beim « lichtlosen » dritten Akt. 1880, also 3 Jahre später, fuhr Wagner  nach Italien und blieb fast ein Jahr und Parsifal wieder in der Schublade. Als der Maestro aber die Kuppel vom Sienaer Dom sah wusste er, wie sein Gralstempel auszusehen hatte. In Ravello, über der Amalfiküste, entdeckte er schließlich im Palazzo Rufolo das, was später Klingsors Zaubergarten werden sollte. Als er 1881 aus Italien zurückkehrte war Wagner bereit, die Komposition zu vollenden und es entstand der 1. und der  2. Akt bis er – diesmal auf der Flucht vor dem Winter – wieder nach Italien reiste. In Palermo vollendete er im Januar 1882 die Partitur. Aufgeführt werden sollte sein Parsifal im Sommer in Bayreuth, dirigiert von Hermann Levi. Ein Jahr später starb Richard Wagner in Venedig.

Nur noch wenige Leitmotive und die Instrumente werden in Gruppen eingesetzt, was die religiöse Stimmung dieses Bühnenweihfestspiels (frei übersetzt vom spanischen Begriff « auto sacramental » und nach Calderón) unterstreichen sollte. Es sollte ursprünglich nur in Bayreuth aufgeführt werden und ein Applaus-Verbot die angestrebte Etablierung einer Kunstreligion hervorheben.  1903 gab es aber in New York eine (erste) nicht autorisierte Aufführung, die als  echter Gralsraub in die Musikgeschichte einging, den der Nicht-Beitritt der USA zur Konvention zum Schutz der Urheberrechte ermöglichte. Als 1914 die 30-jährige Frist erlosch, stand die Welt bereits  in den Startlöchern und es schossen gleich an die 50 Neuinszenierungen aus dem Boden. An die Vorgaben von Wagner hielt man sich dabei nicht mehr. Unterschiedliche und auch kritische Interpretationen beschäftigten sich mehr oder weniger erfolgreich mit der Kernbotschaft des Werkes, nämlich: die Ethik des Mitleids dem jeweiligen Publikum zu vermitteln.

Engelbert Humperdinck hat diese gestern im Teatro Palladium aufgeführte kammermusikalische Version, als eine Art Leitfaden durch die Partitur, erstellt. Er kann sich das erlauben, war er schließlich 1881 Assistent von Richard Wagner in Bayreuth und hat an der Uraufführung mitgearbeitet. Er durfte sogar teilweise Wagners Sohn Siegfried unterrichten.

Cord Garben (*1943) ist Pianist und Dirigent.

Christa Blenk

s. auch Artikel über Verdi und Wagner

 

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