Sabotage von Alfred Hitchcock

Sabotage (1936)
Von Alfred Hitchcock, nach dem Roman „Der Geheimagent“ von Joseph Conrad
Carl Anton Verloc (Oskas Homolka) besitzt ein Kino und ein Doppelleben. Während seine junge Frau Sylvia (Silvia Sidney) an der Kasse sitzt und Eintrittskarten verkauft, steht sie permanent unter Beobachtung von Ted Spencer (John Loder), einen als Obstverkäufer getarnten Detektiv von Scotland Yard, der den Verdächtigen Verloc beschatten soll. Ted flirtet mit Sylvia und lädt sie und ihren kleinen Bruder, der bei ihr und ihrem Mann lebt, zum Essen in ein schickes Restaurant an, um sie so nebenbei über Verloc auszufragen. Der Zuschauer erkennt aber bald, dass es nicht nur berufliches Interesse ist, das Ted Sylvia entgegen bringt. Durch Verlocs Verhalten und seine Gespräche erfährt der Zuschauer, dass dieser für den Stromausfall in London verantwortlich ist. Da diese Aktion aber nicht dramatisch genug war und in London eher zur Belustigung beitrug, soll Verloc – im Auftrag von wem erfahren wird nicht – am Piccadilly Circus am Samstag um 13.45 Uhr eine Bombe explodieren lassen. Während Verloc im Hinterzimmer des Kinos ein vorausplanendes Geheimtreffen durchführt, wird Ted erkannt und enttarnt. Verloc will daraufhin die Sache abblasen und den Versand der Bombe stoppen, aber der Vogelhändler, dessen Nebenbeschäftigung die eines Bombenbauers ist, hat die Bombe schon in einem Vogelkäfig an Verloc geschickt. Während Ted verschwindet, wieder auftaucht um Verloc zu verhaften, schickt letzterer, weil er selber beschattet wird, den kleinen Steve mit zwei Filmrollen und dem Paket zu Fuß zum Piccadilly Circus. Aber der Junge lässt sich permanent aufhalten, nimmt zum Schluss doch den Bus und pünktlich um 13.45 Uhr explodiert die Bombe im Bus und tötet viele Menschen. Sylvia verzeiht es Verloc nicht und ersticht ihn. Als aber die Tochter des Vogelhändlers merkt, dass ihr Vater die Bombe in einem Vogelkäfig auf den Weg gebracht hat, schickt sie ihn zu Verloc, um den Beweis wieder an sich zu nehmen. Sylvia will zur Polizei gehen, um den Mord an ihrem Mann anzuzeigen, aber Ted will mit ihr fliehen. Dann gleicht das Schicksal die Ungerechtigkeit des Todes von Steve wieder aus, in dem sie die Wohnung von Verloc mit dem dort anwesenden Vogelhändler durch eine zweite Bombe in die Luft gehen lässt und nicht mehr zu erkennen ist, wie Verloc letztendlich ums Leben kam. Sylvia verlässt in Teds Armen den Film und wir, die Beobachter, sind damit einverstanden.
Steves Reise durch London ist packend und nervenaufreibend. Er mus um 13.30 Uhr ankommen und wird permanent aufgehalten, von einem Zahnpastaverkäufer als Vorführmodell benutzt und muss ca 30 Minuten warten, bis die Parade – die ihm sehr viel Spaß macht und ihn die Zeit vergessen lässt – vorbeigezogen ist. Um 13.30 Uhr steigt er, verbotenerweise wegen der entflammbaren Filmrollen, doch in einen Bus. Wir sehen wie die Uhrzeiger sich immer mehr der Explosionszeit, 13.45 Uhr, annähern und sind genauso nervös wie der Junge, wenn der Bus wieder mal an einer Ampel hält oder Fußgänger vorbeigehen lassen muss. Neben ihm sitzt ein Frau mit einem kleinen Hund mit dem er spielt, aber sofort aufhört, wenn der Bus zum Stehen kommt. Er ist angespannt, obwohl er nicht weiß, was er transportiert. Unglaubliche Szene!
Das Thema der todbringenden Vögel sollte Hitchcock 1963 erneut aufnehmen und daraus einen Thriller mit Tippi Hedren drehen.
Hitchcock hat es geschafft, im Jahre 1936 einen heute immer noch total aktuellen Film zu drehen, der uns immer noch kalte Schauer den Rücken runter jagt. Die Explosion und den daraus resultierenden Tod des Jungen hat man ihm damals übel genommen und er selber hat die Szene später als Fehler angesehen, die Bombe wirklich explodieren zu lassen.
Obwohl der Zuschauer nie erfährt, warum diese Sabotageakte durchgeführt wurden, wer damit gestärkt und wer geschwächt werden soll, lässt Hitchcock Verloc mit einem ausländischen Akzent sprechen. Die Jahreszahl, 1936, deutet darauf hin, dass es sich um Untergrundbanden vor dem Zweiten Weltkrieg handelt. Hitchcock bezieht aber keine Position. Der Film hat etwas Unaufgeräumtes und es bleiben viele Fragen offen. Manche Länder haben ihn mit dem Hinweis vorgeführt, dass er eventuell Unruhen auslösen könne. Sabotage ist aber auf jeden Fall ein frühes vorausschauendes und faszinierendes Meisterwerk.
Hitchcocks Eltern hatten ebenfalls einen Gemüseladen in London und das Restaurant in das Sylvia mit Ted und Steve geht, war eines seiner Lieblingsrestaurants.
Christa Blenk