Gretas Lied (La canzone di Greta)
Am 24. Dezember wird der italienische Komponist Luca Lombardi 70! Und die Filarmonica Romana hat ihn gestern abend mit zwei eigenen Werken und mit dem Quartett von Franz Schubert gewürdigt.
„Die Ruh ist hin“ singt sie Sopranistin irgendwie schubertianisch und noch ganz der Romantik gehorchend – begleitet von den unruhigen und nervösen und gegen den Rhythmus spieleden Geigen - aber damit ist sie auch schon hin, die Ruh! Yuliya Poleshchuk kaprioliert die Oktaven rauf und runter zu spannenden zeitgenössischen Noten und Klängen und fasziniert auch mit ihrer Ausdruckskraft das Publikum. Dann und wann artet es in Sprechgesang aus bis sie wieder leidenschaftlich aufbraust. Lombardi hat hier vielleicht an einen seiner geistigen Lehrer, Schönberg, und Pierrot Lunaire gedacht; jedenfalls hat er uns daran denken lassen.
Yuliya Poleshchuk lebt in Italien und spricht diese Sprache perfekt. Man spürt das, so wie sie an den Text von Edoardo Sangiuneti herangeht, wie sie ihn versteht.
La canzone di Greta (Gretas Lied) war der Höhepunkt diesen schönen Konzertes und Poleshchuk trug das Lied sehr intensiv und einfühlsam vor. Begleitet wurde sie vom ausgezeichneten Quartett Prometeo (Giulio Rovighi, Geige; Aldo Campagnari, Geige, Massimo Piva, Alt; Francesco Dillon, Cello).
Gretas Lied ist Teil von Lombardis Oper Faust. Un travestimento nach einem Text von Saguineti (nach Goethe). Allerdings handelt es sich bei dieser Version um eine Art Mittelmeer-Faust der sich in der Gegenwart herumtreibt und von Greta mit einem Vampirkuss ins Jenseits befördert wird, bevor sie selber im Reiche der Dämonen untergeht. Das Spinnrade-Lied (La canzone di Greta), frei nach Schubert, wird von einem Streichquartett begleitet und dieses hat – so Lombardi vor dem Konzert – eine eigene Rolle im Geschehen.
Lombardi erzählte weiter, dass er nach der Lektüre von Sanguinetis Faust sich direkt an die Komposition machte und schon einen Teil fertig hatte, als Basel 1990 die Oper bei ihm in Auftrag gab. Verführen hat er sich zwar nicht lassen und ansonsten ist ihm auch nichts Faustisches widerfahren, allerdings hätten sich doch ein paar seltsame Dinge in der Kompositionszeit zugetragen, erzählt er weiter.
Luca Lombardi ist 1945 in Rom geboren, hat aber in Wien, Köln und Berlin bei Kagel, Stockhausen und Dessau studiert und über Hanns Eisler promoviert. Deshalb ist seine Verbundenheit zu den deutschen Komponisten sehr groß und aus diesem Grunde durfte auch ein echter Schubert bei diesem Konzert nicht fehlen. Wunderbar und sehr eigenwillig spielten die vier Streicher eine der Säulen des Kammermusikrepertoirs « Der Tod und das Mädchen ».
Als drittes und letztes Werk interpretierten sie ein aktuelles Werk von Maestro Lombardi. Er hat es Warum genannt und es nimmt Bezug auf die Nazi-Vergangenheit. Dieses zweite Streichquartett Warum – die Frage ohne Antwort – entstand 2006 und besteht aus sieben Sätzen – und man achte hier ganz besonders auf die Groß- und Kleinschreibung!
- roBErt SCHumAnn: hier benutzt er die Noten in seinem Namen und der Satz ist voller Schumann-Referenzen.
- ShoA basiert nur auf drei Noten, soll nicht beschreiben, sondern nur reden
- Wilder Reiter hat er wieder Schumann gewidmet
- Shir ist ein Lied gefüllt mit Hoffnung und philosophischem Nachdenken
- Scherzo (ShoA 2) hat er Arnold Schönberg gewidmet und deshalb die Dodekafonie wieder hervorgeholt
- Warum ist eine Hommage an Schumanns Fantasie-Stücke
- SHAlom ist der Schluss mit der Hoffnung auf Frieden
Beindruckende, schwierige und nachdenkliche Komposition. Das Quartett war fantastisch und die junge russische, sehr dynamische und elegante Sopranistin Yuliya Poleshchuk umwerfend.
Luca Lombardi und Sandro Cappelletto sorgten im übrigen mit vielen wichtigen und lockeren Erklärungen dafür, dass wir uns nicht verloren fühlten!
Christa Blenk