16 juillet 2015 0 Commentaire

Henze Collezionista

Henze Collezionista

Ausstelungsplakat

Bisher nie gezeigte Gemälde, Zeichnungen und Lithografien von Renzo Vespignani und Natascha Ungeheuer

 

Im Sommer 1974 reiste Hans Werner Henze in Begleitung des Philosophen Jens Brockmeier mit dem Auto von Marino/Rom zur Vernissage einer großen Vespignani-Ausstellung nach Bologna.  Auf dem Weg dorthin kann man mit einem winzigen Umweg mühelos einen Abstecher in das kleine Renaissance-Bergstädchen Montepulciano im Süden der Toskana machen. Das haben die beiden getan, denn dort wollte man Henze als Präsidenten für ein Festival gewinnen, dessen Konzept noch nicht ganz ausgegoren war.  Henze sagte zuerst Nein, änderte aber nach seinem Besuch dort und einem Auf- und Abrutschen«  in den steilen Gassen dieser Stadt und natürlich nach seinem ersten Glas Vino Nobile seine Meinung, kehrte Ende August nach Montepulciano zurück und führte die ersten Gespräche mit dem Bürgermeister und den kulturinteressierten Personen der Stadt. Die Bevölkerung sollte aktiv und kreativ in das Festival eingebunden werden. Anspruchsvoll, alternativ und einzigartig sollte es werden: Der Cantiere Internazionale d’Arte Montepulciano (Baustelle oder Werkstätte für die Künste) war geboren.  Im Jahr darauf, also 1975, war es dann soweit. Dies sollte dem Maestro (und der Stadt) viel Arbeit, viel Ärger aber auch viele glückliche Momente und eine große Zukunft wie sich herausstellte -  bereiten.

Henzes umfangreiche surrealistisch-neorealistische Vespignani-Sammlung und zwei große Gemälde von Natascha Ungeheuer sind nun 40 Jahre später   in der Fortezza in Montepulciano anlässlich und während der 40. Internationalen Werkstatt für  Kunst zu sehen.

Den Maler und Bühnenbildner Renzo Vespignani,  einer der ersten Künstler des Widerstandes des italienischen Antifaschimus, der das Leiden und die Zustände in den kruden Vorstätten von Rom malte, hatte Henze schon 1956 kennen gelernt, als dieser  das komplette Bühnenbild für eine Inszenierung von Viscontis neorealistischem Drama Maratona di Danza entwarf und realisierte. Die wilden und bunten Szenen dieses jungen römischen Malers beeindruckten ihn schon damals sehr. 1957 wurde der Tanzmarathon  in Berlin mit Jean Babilée uraufgeführt.  Dies war der Beginn einer langen, fruchtbaren und wunderbaren Freundschaft und andere Kooperationen sollten folgen, darunter 1968 eine Inszenierung für Henzes Bassariden in der Mailänder Scala.

Vespignani hat diesen privaten, fast intimen Bildern oft keinen Titel gegeben. Das Entstehungsjahr  sowie die Techniken konnte man allerdings gut nachvollziehen.  Der Theatermann und künstlerische Leiter der Hans-Werner Henze Stiftung, Michael Kerstan, der diese Austellung konzipierte, beschreibt im Katalog  die Mühen, die Kunstwerke mit Titeln zu versehen. Eine Mischtechnik (76 x 103 cm) aus 1991 hat Renzo Vespignano Henze gewidmet:  Per i Kindertotenlieder di Gustav Mahler.   Zum 60. Geburtstag von HWH sind  diverse Zeichnungen, in denen der Maestro verewigt ist, zu sehen, auf einem ist er sogar mit seinen Lieblingshunden, Windhunden, verewigt; dieses ist auch das  Ausstellungsplakat. Die Blumenbilder hat er entweder Fauto (Moroni) oder HWH mit dem Vermerk esemplare ad personam gewidmet. Alles persönliche Kunstwerke, deren Betrachten uns fast zum Voyeur macht, so als ob wir gar nicht das Recht hätten, diese Bilder zu sehen.

Von Natascha Ungeheuer hängen zwei große Gemälde in der Ausstellung. Sie war bei der Eröffnung am 11.7. auch persönlich anwesend.

1970 hat Henze sein  Podiumstheater Der langwierige Weg in die Wohnung der Natascha Ungeheuer komponiert, ähnlich dem unkonventionellen El Cimarrón und auch nach Gastón Salvatore. Damals wusste er noch nichts von der Existenz der Künstlerin und der Titel ist eher zufällig entstanden. Salvatore hat wohl den Namen irgendwo gehört und ihn benutzt. Dass es sich hierbei um die in Kreuzberg lebende Künstlerin Natascha Ungeheuer handelte, haben die beiden erst später erfahren. Anschließend hat Henze diese hier ausgestellten Bilder von ihr gekauft. Sie haben mit denen von Vespignani nichts gemein. Natascha Ungeheuer hat einen ganz eigenen Stil; wie Henze auch seinen ganz eigenen Stil immer hatte. Sie malt mit kleinem Pinsel nach alter Manier. Ihre Bilder haben etwas Illustratorisches, etwas Naives. Wartesaal (1980 170 x 240 cm) hat  Henze  Ende der 80er Jahre gekauft, als Freunde ihn zu ihr nach Kreuzberg brachten. Auf diesem Bild sieht man traurige und besorgte, aber eigentlich nicht verzweifelte Menschen an Tischen sitzen, die in fatalistisch-philosophischer Stimmung mit einem Getränk vor sich auf dem Tisch warten, was da auf sie zukommen wird. Im Katalog ist ein Brief von Henze an Natascha Ungeheuer abgedruckt, in dem er in München auf Subventionen wartend  auf den Wartesaal«   Bezug nimmt und seine Begeisterung für das Bild zum Ausdruck bringt.

Das andere Bild trägt den vielversprechenden Titel  627 Tage bis zum Vulkanausbruch (1988 125 x 100 cm). Dieses hat etwas vom Zöllner Rousseau der durch die Schule von Otto Dix gegangen ist. Mit ironisch-farbig-tragischem Humor wird eine Art Arche Noah gezeigt oder der Aufbruch in die neue Welt.

Diese Ausstellung stellt den politisch-intellektuelle Musiker  als Kunstsammler ins Rampenlicht.

Vom 12.7. – 13.09.2015 werden diese bisher noch nie in der Öffentlichkeit gezeigten  Gemälde und Zeichnungen des italienischen Malers und Bühnenbildners Renzo Vespignani (1924-2001) und der deutschen Malerin und Buchillustratorin Natascha Ungeheuer (*1937) aus der Privatsammlung von Hans-Werner Henze in Montepulciano gezeigt.

40Cantiere

Der Cantiere geht bis 1. August und ist sehr vielseitig. Am  17. Juli  ist u.a.  im Teatro Poliziano in Montepulciano Stefano Tagliettis Oper Idroscalo Pasolini  als Welturaufführung zu sehen; das Libretto hat Carlo Pasquini geschrieben und Marco Angius wird das Royal Northern Collega of Musik Manchester dirigieren. Ein weiteres Highlight wird Henzes Recital per quattro musicisti (1970) El Cimarrón in einer Inszenierung von Michael Kerstan am 28. Juli sein.

Montepulciano ist aber sowieso immer sogar ohne dieses interessante und hochkarätige Festival eine Reise wert. Aber ab Mitte Juli eben noch viel mehr, denn aufgrund der diversen Meisterkurse, Workshops oder Konzerte wimmelt es nur so von Musikern und Künstlern in der Stadt und aus fast jedem  Renaissance-Gebäude im Zentrum erklingen Klänge und Tonleitern oder Musik. Wirklich ein Erlebnis!

Ausstellungsraum
Ausstellungsraum – Fortezza – Montepulciano (Foto: Christa Blenk)

Christa Blenk

 

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