Kammersonate von Hans-Werner Henze
Aus der Serie Henze-Aufführungen:
Konzert im SpiegelsaalEin Wochenende in Bonn hat mich letzten Sonntag auf die Burg Namedy in der Nähe von Andernach geführt, wo u.a. die Kammersonate, die Hans-Werner Henze 1948 für ein Klaviertrio komponierte, aufgeführt wurde. Das konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Henze habe ich zweimal persönlich in Marino/Rom in seinem Haus getroffen und er ist einer meiner Lieblingskomponisten. Von Bonn aus mit dem Auto braucht man nicht mal eine Stunde und kommt direkt am Rhein zum Schloss Namedy. Bei herrlichem Frühlingssonnenschein hatten wir vor dem Konzert sogar noch Zeit für einen Spaziergang im Park.
Das französische Klaviertrio Karénine mit Fanny Robilliard (Violine), Louis Rodde (Violoncello) und Paloma Kouider am Klavier haben sie mit viel Enthusiasmus, Charme und Talent vorgetragen.
Henze hat diese Kammersonate 1948 in einer sehr produktiven Nachkriegsphase komponiert. In dieser Zeit nahm er gerade Unterricht in Kirchenmusik bei Fortner in Heidelberg, wo er – 23jährig – als bester Schüler gefeiert wurde. 1949 besuchte er die Darmstädter Ferienkurse, studierte bei René Leibowitz und lernte Darius Milhaud kennen. Das war die Zeit, in der er sich mit der Zwölftontechnik auseinandersetzte und sie mit neoklassizistischen Elementen versetze. Henze suchte, um es mit seinen Worten auszudrücken, „Freiheit, wilder und schöner neuer Klang“. Obwohl Henze der Reihentechnik sehr anarchistisch und unorthodox folgte und die musikalische Vergangenheit nie ganz zur Seite legte, war das Konzept „neuer Klang“ doch damit verbunden. Henze selber erklärte sein Werk als „Wechselspiel zwischen Kontrapunktik und akkordlich gestützer Cantabilità ». Allein der Titel „Kammersonate“ erweckt schon Barock-Gedanken.
Henze beschreibt das in « Reiselieder mit Böhmischen Quinten » so: Erstmals muss um die Mitte des Jahres 1947 ein noch ohne Anleitung sich vollziehender Umgang mit der Zwölftonmusik begonnen haben, und zwar in der Kammersonate für Geige, Cello und Klavier. ………. und ein paar Seiten später: Die Kammersonate für Violine, Cello und Klavier wurde erst am 16. März 1950 in Köln uraufgeführt, und ich konnte nicht dabeisein, habe sie erst viele Jahre später einmal gehört. In ihr erscheinen Zwölftonreihen und -Strukturen, ohne dass sie als Basiselemente des ganzen Stücks gesehen werden könnten – sie kommen so von außer hereingeflattert wie blaue Bänder im Frühling. Es war klar zu erkennen, dass sich etwas bewegte und dass dauernd neue Möglichkeitne in Sicht kamen.
1948 im August wurde in Pyrmont unter Leitung von Wolfgang Fortner Henzes erste Sinfonie (alle vier Sätze) aufgeführt und er beschloß schon bei den Proben, dass sie noch nicht fertig sei. Eine infantile Komposition nannte er sie und er traf 1948 seine erste große Liebe und zog ohne Geld und Engagement nach Göttingen zu Heinz Poll, Solotänzer und Schüler von Kurt Joos. Seine erste Oper für Schauspieler »Das Wundertheater » entstand.
Die Kammersonate besteht aus fünf Sätzen.
Der ersten Satz, Allegro assai, lässt ein barock-tänzerisches und doch ein wenig schroffes Leitmotiv erklingen und trotzdem kommt die von ihm gewollte und verteidigte Klangsinnlichkeit zum Tragen. Dolce, con tenerezza dauert ganze 3,5 impressionistische, lyrische Minuten und versöhnt mit der gewollten Brutalität von vorher. Lento beginnt erstmals dramatisch-polternt und wuchtig und drifted dann wieder in den lieblichen zweiten Satz zurück. Allegretto leitet ganz witzig mit viel Pizzicati und weinender Geige sanft zum Epilog über, der dann wieder die träumerische Wildheit des ersten Satzes zurückfällt und ihn sogar noch steigert. Es endet mit einem verträumten Piano.
Weiterhin auf dem Programm durch das Trio Karénine stand Robert Schumanns Klaviertrio Nr. 2 F dur op 80 und Franz Schuberts 50-Minuten Klaviertrio Nr.2 Es-Dur, op 100. Bei letzterem haben sich die drei Solisten übertroffen.
Ausgezeichnete Performance von Allen und sehr schön ihr Verhältnis und ihr Abstimmen mit den Augen untereinander. Großartig und präzise der Cellist auch.
Auf der Burg Namedy (Rheinland-Pfalz), die im 14. Jahrhunderts als Wasserburg erbaut und im Barock erweitert wurde, finden regelmäßig Konzerte, Theaterstücke und Lesungen statt.
Zusatzinfo:
Michael Kerstan, eines der Gründungsmitglieder der Stiftung und jahrelanger Freund und Mitarbeiter von Henze schreibt auf der Eingangsseite der Stiftung:
„Ich möchte gerne“, so schrieb Henze im Frühjahr 2007, „dass meine Musik in Zukunft (d.h. auch nach meinem Ableben) die gleiche Wirkung ausübt wie heute und dass sie weiterhin zu einer Hörerschaft sprechen kann, die mit den kulturellen und sozialen Belangen der Zeit vertraut ist. Also müsste dafür gesorgt werden, dass Kontinuität auf eine Art und Weise gefördert wird, bei der Sinn und Form unseres europäischen Kulturbegriffs lebendig bleiben und im Bewusstsein kunstfreundlicher, musikliebender Menschen weiterentwickelt werden können.“
Dies sollte die Philosophie der Hans-Werner Henze-Stiftung werden. Ganz im Geiste des Maestro Kunst, Kultur und Musik zu fördern, wie er das sein Leben lang gemacht hat und weiter die Verbreitung des künstlerischen, musikalischen und literarischen Werkes von Henze sicher zu stellen und aktiv die Förderung von Nachwuchstalenten in den Vordergrund zu stellen.
Christa Blenk