Grünes Gewölbe und die Barockmusik
Pretiosen der Dresdner Hof-Musik
Als der Kurfürst Friedrich August I (1670-1733) , auch bekannt unter dem Namen August der Starke, schließlich die behütete Schatzkammer « Das Grüne Gewölbe » im Dresdner Residenzschloss öffnen ließ, quollen prachtvolle Schätze hervor, was den ohnehin schon passionierten Sammler dazu anspornte, unzählige Goldschmiedearbeiten anfertigen zu lassen, um diesen ungeheuren Schatz noch zu vergrößern. Die Vorliebe dieses eitlen und schillernden Herrschers für die französische Comédie war Auslöser für großartige Ausführungen. Dresden sollte neben Venedig und Wien ein weiterer – oder besser gesagt der – Mittelpunkt der Musik werden. Dafür brauchte er Musiker und viel (neue) Musik, die er schon Anfang des 18. Jahrhunderts in Form von Komponisten und Interpreten, vor allem aus Italien, an seinen Hof holte, obwohl die italienische Musik ihm zuerst weniger zusagte. Als einer der ersten, kam 1717 der Venezianer Antonio Lotti, der gleich seine Frau, die Sängerin Santa Stella mitbrachate nach Dresden. Insgesamt sollte er drei Opern inszenieren und aufführen, hierbei unterstützte ihn das bereits vorhandene und ziemlich gut besetzte Orchester mit vielen französischen Musikern. In der Folge kamen Johann Georg Pisendel, Johann David Heinichen und Silvius Leoold Weiss als Musiker bzw. Hof-Kapellmeister nach Sachsen; zusammen mit den ausgezeichneten Musikern bildeten sie so etwas wie ein « dream team ». Als Johann Adolf Hasse 1733 an den Hof kam, übernahm er eines der besten Orchester in Europa.
Unter dem absolutistisch und egozentrischen August I, der zeitweise auch König von Polen war, blühten sowohl Dresden als auch Warschau zu den prächtigsten Höfen in Europa auf und wurden zu kulturellen und wirtschaftlichen barocken Metropolen. Große Feste à la Versaille wurden im Zwinger und in den Gärten gefeiert und nicht nur Musiker und Komponisten wie Hasse, Heinichen, Lotti, Zelenka sowie Mitglieder der Bach-Familie kamen an seinen Hof, auch Dichter, Maler, Bildhauer Philosophen, Kupferstecher und Ärzte gaben sich dort ein Stelldichein. Es wimmelte nur so von Prominenz und Kulturschaffenden.
Für die prunkvolle Hochzeit seines Sohnes 1719 komponierte Lotti z.B. die Opera seria Giove in Argo. Von dieser Komposition und noch vielen anderen aus dieser Glanzzeit erzählt die CD Sonderausgabe « Das neu eröffnete musikalische Schatzkästlein – Pretiosen der Dresdner Hof-Musik ». Regelrechte, zum Teil nicht sehr bekannte, Schmankerl werden hier vorgestellt.
Antonio Lottis Sinfonia zum Melodrama Pastorale Giove in Argo entspricht mit veloce- lento- veloce der damaligen Mode einer Opernouvertüre. Diese Aufnahme ist in der Lukaskirche in Dresden 2004 – extra für diese CD – entstanden. Komponiert wurde sie 1717 ganz im Vivaldi-Stil. (Händel lebte zu diesem Zeitpunkt schon in London).
Das Concerto c-Moll RV 5 hat Antonio Vivaldi um 1720 eigens für das Dresdner Orchester geschrieben. Vivaldi hatte sich gerade mit Venedig zerstritten und lebte in Mantua, wo er in den Diensten von Philipp von Hessen-Darmstadt stand und als Opernkomponist arbeitete. Dieses Concerto ist ein unverkennbarer Vivaldi und ein Vorläufer der vier Stationen, interpretiert hier vom Ensemble Virtuosi Saxoniale unter Ludwig Güttler 1993. Dieses ausgezeichnete Dresdner Kammerorchester, das hauptsächlich aus Musikern der Dresdner Staatskapelle besteht, wurde 1985 von Ludwig Güttler ins Leben gerufen mit dem Ziel, sich hauptsächlich mit der Dresdner Hofmusik im 18. Jahrhundert zu befassen, deshalb sind auch viele der Stücke auf dieser CD aus deren Fundus. Dieses Ensemble holte Stücke von Musikern wie Johann David Heinichen oder Johann Adolf Hasse und Antonio Lotti oder Johann Joachim Quantz und Georg Benda aus der Schublade.
Eine weitere Ersteinspielung ist ein Auszug aus der Suite C-dur von Silvius Leopold Weiss (1686-1750); komponiert 1717, ein wunderbares, sehr französisches, Lautenstück. Weiß hat vor allem Suiten und Sonaten komponiert, war am Dresdner Hof sehr angesehen und hat dann und wann auch mit Bach zusammen gearbeitet.
Dann geht es wieder frisch und fröhlich weiter mit einer Sinfonia von Johann Georg Pisendel (1687-1755) für 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Corni, Streicher und Basso continuo – das Allegro di molto könnte auch von einem sehr frühen Haydn oder Mozart sein. Er, Piesendel, war ein Schüler von Vivaldi und die Sinfonia B-Dur ist eines seiner Spätwerke hat aber auch sehr französischen Charakter. Auch wieder vorgetragen vom Ensemble Virtuosi Saxoniae.
Die nächste Ersteinspielung stammt aus der Feder von Johann Joachim Quantz (1698-1773), Sonate F-dur für Flöte und Cembalo. Quantz war ursprünglich Oboist und nahm erst später in Wien Kompositionsunterricht. Die Sonate, sehr geometrisch und schlicht mit Caroline Schulz an der Querflöte, entstand ebenfalls in Dresden und wurde später sogar von Pisendel für Viola und Cembalo bearbeitet.
Kaffee war eine Delikatesse, den die Türken hinterlassen hatten und Johann Sebastian Bachs Kaffee-Kantate erzählt von den Verführungen, Wünschen und Sehnsüchten ihn zu trinken. Wunderbar vorgetragen von Juliane Claus, Georg Christoph Biller und Marin Krumbiegel.
Johann David Heinichen (1683-1729) Concerto F-dur. Er hatte seine Grand Tour in Venedig absolviert befor er 1717 – auf Lebenszeit – Hofkapellmeister in Dresden wurde.
Der böhmische Komponist Jan Dismas Zelenda, einer der Interessantesten am Hof, hatte wahrscheinlich keine italienische oder venezianische Ausbildung und hoffte, nach dem Tode von Heinichen, dessen Stelle als Kapellmeister am Hof zu bekommen, er hatte aber Hasse gegenüber das Nachsehen und durfte deshalb nur als Hofkomponist agieren und als Hof – oder Kirchenkomponist starb er 1745 in Dresden. Das war ungerecht ihm gegenüber, denn er war einer der originellsten und einfallsreichsten aber auch unkonventionellsten Komponisten seiner Zeit. Das Capriccio G-Dur ZWV 183 für 2 Corni da caccia, 2 Oboen, Streicher, Fagott und Basso continuo – auch eine Aufnahme der Virtuosi Saxionae – beweist das unbedingt. Allegro – Canarie alternativement avec l’Air – Gavotte – Rondeau – Minuetto – Trio. Sehr schön!
Zum Schluß nochmals ein Auszug aus einer weltlichen Huldigungskantate von Bach Lasst uns sorgen lasst uns wachen (Herkules auf dem Scheidewege), gesungen von Peter Schreier (Aufnahme aus 1981). Dieses dramma per musica, nach einem Text von Picander, das 1733 in Leipzig uraufgeführt wurde, ist eine Art von Erinnerungsakt Bachs gegenüber Friedrich August I und wurde zum 11. Geburtstag des Kurprinzen Friedrich Christian komponiert. (Teile davon können Sie im Weihnachtsoratorium wieder finden).
2006 hat Ludwig Güttler mit den Virtuosi Saxoniae eine CD « Dresden Barock » herausgebracht, die auch das Thema Musik am Hof von August des Starken aufgenommen hat.
Christa Blenk