Romaeuropa Festival 2014 : Cabaret Songs – Benjamin Britten
Cabaret Songs – Benjamin Britten
Wysten H. Auden und Benjamin Britten haben sich 1935 während der Dreharbeiten einer Dokumentarfilmreihe kennen gelernt; dies war der Beginn einer wunderbaren und fruchtbaren Zusammenarbeit und Freundschaft. Werke wie der Orchesterliederzyklus „Our Hunting Fathers“ oder „On this Island“ entstanden in dieser Zeit. Ihre persönliche Beziehung glich mehr einer Achterbahnfahrt. Der schüchterne und junge Britten bewunderte den Intellektuellen und freien Auden, fühlte sich aber auch verunsichert oder überfordert dadurch. 1937 ereigneten sich zwei fundamentale Begebenheiten in seinem Leben: Brittens Mutter, an der er sehr hing, verstarb und er lernte den Sänger Peter Pears kennen. Es wird manchmal behauptet, dass Letzterer eine Art Mutterstelle bei ihm einnahm – jedenfalls soll er eine ähnliche Stimme gehabt haben. Wie auch immer: die beiden blieben bis zu Britten Tod 1976 zusammen. Auden starb 3 Jahre vorher.
Im Rahmen des Romaeuropa-Festivals wurden gestern Abend im Teatro Eliseo – zum ersten Mal in Rom – Brittens Cabaret Songs, die er zwischen 1937-1939 komponierte, aufgeführt. (Veröffentlicht wurden diese Kompositionen übrigens zum ersten mal 1980.) Britten zeigt sich hier unbeschwert und fliegend-amüsant, geht aber auch auf die persönliche Beziehung mit Auden ein, die gerade dabei war zu Ende zu gehen, z.B. mit Give up love:
Für das Aldeburgh Festival und aus Anlass von Brittens 100. Geburtstag 2013 hat der irische zeitgenössische Komponist Conor Mitchell das Repertoire um acht Songs erweitert und die zum Teil verloren gegangene Musik von Britten ergänzt. Die Texte stammen auch wieder von Wyston Auden oder vertonen die Lyrik von Mark Ravenhill.
Die charismatische Pop-Ikone, Bandleader und Gitarrist der britischen Pop-Gruppe „The Irrepressibles“ Jamie McDermott ist gestern über die Bühne gewirbelt. McDermott hat jetzt nicht unbedingt eine Jazzstimme und dies war auch sein erster Auftritt als Jazzsänger, erzählt er uns kurz. Aber mit seinem Charme, seiner alles könnenden Stimme, sehr textverständlich und mit viel britischem Witz hat er uns dann doch in seinem Bann gezogen.
Den ersten Teil widmet er Auden-Britten bzw. Mitchell-Ravenhill und tänzelt im „Falling out of love“ und „Tell me the truth about love“ trällernd im weißen Dandy-Anzug und mit schwarz-weißen Lackschuhen durch das Publikum auf die Bühne. Homosexualität, sagt er, ist ein Problem, wenn der Angebetete es nicht ist. Bei „mad about a boy“ geht das Pathos ein wenig mit ihm durch, er fängt sich aber gleich wieder. Zwischendurch erzählt er die Geschichte der Homosexualität in Europa und während der Nazi-Zeit, als die Freiheit der gay community der roaring twenties in Berlin dramatisch verloren ging. Dann überlässt er die Bühne dem Pianisten Stephen Higgens, der die Zeit nutzte und „Lets fall in love“ (kurzerhand in einer italienischen Version was zu Begeisterungsausbrüchen des römischen Publikums führte) präsentiert, bis dann McDermott als pseudo- Frank Sinatra wieder auf die Bühne rennt und mit Cole Porter Songs oder Evergreens von Richard Rodgers, Kurt Weil oder Bart Howard in allen Tonlagen wie „I’ve got you under my skin“, „Muy funny Valentine“, „Moon of Alabama“ und „Fly me to the moon“ weiterjazzt. McDermotts Auftritt führt uns vor, wie sich Auden und Britten bei der Ausarbeitung dieser Cabaret Songs amüsiert haben müssen.
Rome is beautiful, sagt er, but so hot! er bittet, doch die Klimaanlage anzuschalten, schnappt sich eine Falsche Wasser, die er ohne abzusetzen austrinkt und legt eine Superperformance von „It’s too damn (darn) hot“ hin, die glatt an Ella erinnert. So wie er herumturnt verstehen wir, warum er über die Hitze stöhnt!
Den „Funeral Blues“ vermasselt er allerdings – vielleicht bewusst!
Nach fast 80 Minuten ohne Pause schenkt er uns zwei Zugaben, darunter nochmals „Johnny“. Nun lässt ihn allerdings seine „souffleuse“ im Stich und er sucht seinen Text, fängt das aber genial und professionell auf, in dem er mit dem angefangenen „My“ einfach mit „My funny Valentine“ weitermacht und sich selber als „gatecrasher“ bezeichnet.
Benjamin Britten hat diese witzig-ironischen und dann wieder verzweifelten Cabaret Songs, die in seinem wichtigen Gesamtwerk oft unter gehen, für die Sängerin Hedli Anderson zu Texten von Auden geschrieben, der hierin seine Erlebnisse aus dem Berliner Kabarett-Nachtleben mit Chester Callmann Ende der 20er /Anfang der 30er Jahre aufarbeitete. Sie sind so gar nicht britisch und weder sperrig noch erhaben, was man sonst seiner Musik oft (fälschlicherweise) nachsagt.
Orpheus Britannicus wird Britten genannt und nimmt seinen Platz gleich in Purcell ein. Brittens Opern wie Peter Grimes und seine Musik ab den 40er Jahren – nach seiner Rückkehr aus den Staaten, wo der Pazifist Britten von 1939-1942 gelebt hat – haben das Vereinigte Königreich wieder in die erste Liga der klassischen Musik geholt. Obwohl Britten von der Avantgarde nicht ernst genommen und vom Publikum zum Teil nicht verstanden wurde.
Wir haben uns zwar den Britten-Liederabend etwas anders vorgestellt, aber uns prächtig amüsiert.
Christa Blenk