Romaeuropa Festival 2014: Letizia Renzini
Loggia und Aufführungsort (teilweise) – Villa Medici Rom
Mit einer Barock-Theater-Video-Oper-Skype-Show eröffnete Letizia Renzini das diesjährige Festival Romaeuropa.
Gebrauchsanleitung und Programm des AbendsIl Ballo delle Ingrate (Der Tanz der spröden Damen) ist eine Oper von Claudio Monteverdi, die Claudio il Divino 1608 anlässlich der Hochzeit von Francesco Gonzaga, dem Sohn seines Auftraggebers in Mantua komponierte. Letizia Renzini und ihre Truppe inszenierten diese Barockoper auf eine sehr eigenwillige Weise und brachten viel Bewegung in den Ablauf: im wahrsten Sinne des Wortes. Auf der von den Künstlern eigens angefertigten Skizze, die wir anstatt eines Programms ausgehändigt bekamen, waren u.a. die Aktionspunkte vermerkt.
Wir mussten alle unten an der schönen Treppe warten, bis uns eine antik-gekleidete Dame nach oben zur Loggia brachte. Dort wurden wir mit Schellen, Pauken und Trompeten (und Ohrschutz für die Ausruferinnen) empfangen, die vielleicht die Hochzeit angekündigten; oder war es die Aufforderung von Pluto, der an der Decke hing und grölte, an die schon verblichenen und spröden, in seine Unterwelt verbannten Damen, sich doch nochmal schnell nach oben zu wagen, um sich nach einem Mann umzusehen? Eine Stimme gab zwischendurch gute Ratschläge, wie man es als Frau nicht machen soll, wenn man einen Mann haben und auf der Erde bleiben möchte. Sitzplätze gab es keine. Kurz darauf wurden wir in den Hauptsaal geleitet und durften uns um das Geschehen platzieren. Hier lagen ca. 50 Kissen verstreut am Boden, aber es wahrend sicher doppelt so viele Zuschauer.
Jetzt verstanden wir auch, warum die Cafeteria geschlossen war. Ganz à la Giorgio Battistelli, wurde direkt neben uns massenhaft, sehr laut und leidenschaftlich Geschirr zerschmettert. Das war natürlich das notwendige Klappern zu Ehren der Storchengöttin für Liebe und Kindersegen zu sorgen, hatte aber auch etwas von einem Polterabend (dieser ist sicher auch aus diesem Grunde entstanden!). Wir waren, stehend, sehr glücklich positioniert und konnten mit dem rechten Auge im Nebenraum live die Geschirr-werfenden Damen erleben und mit dem Linken das auf eine transparente Leinwand projizierte Video verfolgen. Nachdem wieder Ruhe eingekehrt war, spielten hinter der Leinwand zwei Musiker auf alten Instrumenten Monteverdis zauberhafte Musik bis schließlich Venus erschien Venus und zu singen anfing. Herzzerreißend ihre Arie, während sie wie bei einem gigantischen Tetris-Spiel ganz langsam eingemauert wurde, was das Publikum wieder über eine große Leinwand mit verfolgen konnte. Diese Szene war umwerfend und wir vergaßen, dass wir stehen mussten und es ziemlich stickig im Raum war. Plötzlich sagte eine Stimme auf Französisch, dass das 19. Jahrhundert vorbei wäre und wir hörten den Skype-Ton, der das Singen über den PC einleitete. Die Musiker wechselten in unsere Richtung und es wurde zeitgenössischer. Venus, die ebenfalls hinter uns auf eine Leiter stieg, bleib bei ihren Monteverdi-Lamenti, und gab ihre Ratschläge nun von oben herab. Drei weißgekleidete junge Frauen zogen zeitgleich unsere Aufmerksamkeit auf sich, als sie hinter dem transparenten Vorhang zu tanzen anfingen: eine von ihnen ist kurz vorher tanzend aus dem Kamin gestiegen. Die eingemauerte Sängerin auf der Leinwand wurde in der Folge von Buchstabenreihen abgelöst, die sich zu Sätzen wie „Cupid is no longer blind, non longer young…“ formten.
Nach diesem information overflow durften wir wieder an die frische Luft auf die Loggia, auf der uns schon Amor erwartete, der mühsam zuerst sich und dann seinen Bogen hochzuheben versuchte. Dark Vader Schwerte leuchteten ihm dabei. Wie vorherzusehen, gelang es ihm aber nicht, also legte er hoffnungslos den Bogen wieder auf die Erde und verschwand traurig und niedergeschlagen im Garten.
Rasender, verdienter Applaus. Einfallsreich, witzig und originell.
Die Idee dazu war von Letizia Renzini. Sabina Meyer übernahm die musikalische Leitung und auch die Sopranrolle. Die Choreografie hat Marina Giovannini entwickelt, die Kamintänzerin. Valentina Nicolai spielte die Viola da Gamba und Andreas Arendt die Theorbe. Die zwei anderen Tänzerinnen waren Vanessa Geniali und Lisa Pazzagli.
Es wurde leider nur dreimal (zweimal am Donnerstag und einmal am Freitag) aufgeführt, sonst würden wir heute Abend nochmals hingehen.
Christa Blenk
Während vor der Villa Medici gigantisch die Sonne unterging, fand innen ein gigantisches Spektakel statt