Andy Warhol in Rom
„Don’t worry, there is nothing about art you can’t understand“!
Phänomenal, unnachahmlich und essentiell – so bezeichnete der italienische Kunstkritiker Bonani, der die Ausstellung mit-kuratiert hat – Andy Warhol (1928?-1987).
Kunst und Leben, Freizeit und Pflicht oder Politik und Hollywood sind seit Andy Warhol und der Entstehung der Pop Art nicht mehr getrennt. Die Grenzen verlaufen parallel und vermischen sich zeitweise. Kunst war für ihn eine demokratische Aktivität, ähnlich wie Coca Cola trinken. Der Präsident trinkt Coca Cola, so tut auch Marilyn Monroe und Mr and Mrs Miller in Wyoming. Alle cokes schmecken gleich so wie alle Menschen gleich sind. Wer demnach Coca Cola trinkt, bewegt sich auf der gleichen Ebene wie Marilyn Monroe oder Präsident Nixon. Sophismus oder Paralogismus?
„Ich bin eine total oberflächliche Person“ sagte er von sich selber: Die Erschaffung der Kultperson Andy Warhol war sein wichtigstes Kunstwerk, sein Hauptwerk. Von Konsumgütern bis Katastrophen – nichts war vor ihm sicher und alles war zu gebrauchen. Warhol war ein Marketinggenie. Von Suppen, Waschpulver über Coca Cola, Nixon und Mao, Kennedy’s Witwe und Dracula vermarktete er alles und alle, die hier im Raum – ganz demokratisch – nebeneinander hängen.
Dieser schüchtern-zurückhaltende und kränkelnde aber egozentrische Künstler war besessen von Ruhm, Geld, Krankheit, Schmerz und Tod. Die offensichtlichen Anklagen der US Gesellschaft waren eigentlich keine, alles drehte sich nur darum, die Dinge zu präsentieren und provokativ in den Mittelpunkt zu stellen. Seine 30-fache Mona Lisa und das letzte Mahl von Leonardo verarbeitete er nicht, weil er Leonardo als großen Künstler verehrte, sondern weil Mona Lisa und Jesus Christus Stars waren. Die ästhetische Dimension des Todes stellte er mit seiner Serie über den Elektrischen Stuhl dar. Der elektrische Stuhl war sein Kreuz (Bonani).
Andy Warhol wurde (wahrscheinlich) 1928 als Sohn mittelloser tschechischer Einwanderer in Pittsburgh geboren. Sein Vater ist wohl schon in den 40er Jahren verstorben. Das nervös-kränkelnde Kind hatte keine oder nur wenig Freunde. Eine Pigmentstörung war schuld daran, dass er nur selten ins Freie kam.
Mit 21 Jahren nabelte er sich dennoch ab und ging nach New York, wo er als Schaufensterdekorateur, Grafiker und Journalist in Werbeagenturen und bei Zeitungen arbeitete (Vogue, Harper’s Bazar). Die tägliche Konfrontation mit Schlagzeilen und Skandalgeschichten der beautiful people in der Yellow Press, beeinflussten und fesselten ihn, so wie ihn Ruhm überhaupt faszinierte. Er begann, Zeitungsausschnitte und schräge Notizen zu sammeln und setzte diese auf seine Art um. Eine Lieblingsfigur der Amerikaner aus den 40er Jahren, der unbestechliche und propere, engagierte und saubere Polizist Dick Tracy brachte ihm die ersten Erfolge. Dann ging es sehr schnell. Inspiriert vom Neo Dadaismus eines Jasper Johns oder Robert Rauschenberg und natürlich von Marcel Duchamps nannte Warhol sich selber eine „artist machine“ „Ich erfinde nicht, sondern reproduziere“ sagte er.
„Mal was Du am liebsten magst“ riet ihm 1960 ein Freund. So erfahren wir, dass seine Lieblingsgegenstände Campbell Soup, Brillo, Corn Flakes und der US Dollar waren – nacheinander entstanden sie als Siebdruck oder als ready made.
“13 Most Wanted Men”
Andy Warhol, Roy Lichtenstein, James Rosenquist, Robert Rauschenberg und noch fünf andere Künstler wurden vom verantwortlichen Architekten Philip Johnson beauftragt, den Pavillon für die Weltausstellung 1964 zu „dekorieren“. Jedem Künstler standen ca. 40 qm zur Verfügung. Warhols Beitrag bestand darin – in Abstimmung mit dem Organisator – „mug shots“ (Polizeifotos) in grob pixelisierten Riesenformaten der 13 meist gesuchten Kriminellen im Jahre 1962 an die Vorderseite zu pinnen. Als sie aber dann da hingen, groß, furchteinflössend und mit geschwollenen Augen, Diebe und Mörder, ging dies dann so kurz vor den Wahlen doch nicht und Governor Rockefeller persönlich bestand darauf, die Fotos abzunehmen, woraufhin Warhol sie überweißelte (es entstand Warhols silver washed procedure). Die Presse bekam Wind davon und die Messe hatte ihren Skandal.
„Ihr Leute denkt, dass das, was im Film passiert, irreal ist, dabei ist irreal was Euch passiert“ sagte er. Kino hebe die Emotionen nur hervor und lasse sie länger anhalten.
Individuelle Vermarktung von bekannten Stars oder Politikern (Monroe, Mao, Nixon) und die Auseinandersetzung mit dem American Way of Life war sein Modell und das hieß: Geld und Ruhm ganz egal zu welchem Preis und mit welchen Mitteln.Geld war sein Deus ex macchina – Warhol war geizig und notierte jeden Cent den er ausgab.
May I shoot your painting? Fragte ihn ein Besucher und auf Warhols „sure“ (Warhol dachte an ein Foto) zog der andere eine Pistole und schoss Light Blue Marilyn (1964) mitten in den Kopf. Der weiße Fleck in der Mitte der Stirn spricht von den Reparaturarbeiten und so entstand Shot Light Blue Marilyn . Dieses erwarb der junge Kunstsammler Peter Brant 1967 für 5000 US Dollars.
« Pop art is a way of loving things », sagte Andy Warhol. Warhol griff die Widersprüche Amerikas hemmungslos auf und interpretierte sie auf seine ganz besondere Weise; er machte Amerika amerikanischer. War er Kommunist oder war er eher unpolitisch? Seine Themenserien sind unantastbar und stellen eine Konsumgesellschaft dar, aus der er sich nicht ausschloss. Warhol war ein obsessioneller workaholic, ein Peter Pan. Er beschäftige sich 24 Stunden am Tag damit er von der Panik vor Schmerzen, Krankheit und Tod abgelenkt wurde. Seit er 1968 ein Attentat einer Feministin Valeria Solanas überlebt hat, wurde diese Angst nur noch größer. Paradoxerweise ist er mit nicht mal 60 Jahren an einer legalen Überdosis Schmerzmittel nach einer Operation gestorben. Außer der Factory Arbeit betätigte sich auch als Filmemacher, gründete die „Velvet Underground“ und schrieb Theaterstücke.
Andy Warhol: Auch denjenigen, die den Kunstbewegungen nicht folgen, ist er ein Begriff. Er hat es geschafft, dass man beim Coca Cola trinken an ihn denkt und dass die Campbell Suppen anschließend den Leuten besser schmeckten. Er hat Amerikas Widersprüche aufgegriffen und Amerika amerikanischer gemacht. Dabei wurden Coke und Dosensuppen zu Allen zugänglichen Luxusprodukten.
In der Ausstellung ist von all dem etwas, aber auch richtige Frühwerke: Eistüten und Ballschuhe direkt aus der Werbung, von Talent zeugende Zeichnungen, Elvis, Drakula, unzählige Autoportraits, die large flowers im Gedenken an seine Mutter. Warhol machte das Alltäglich zum Außergewöhnlichen und gestand jedem Ding seine Schönheit zu. Die Factory lief auf Hochtouren und fertigte Siebdrucke für den Konsum. „Be a somebody with a body“. Er kokettierte mit seiner Hässlichkeit, das sieht man vor allem an den ganz privaten Polaroids, die bis jetzt in Europa noch nie gezeigt wurden, auf denen er sich schon mal als Travestie verkleidet zeigt.
Der Eigentümer dieser Sammlung, Peter Brant, und der italienische Kunstkritiker Francesco Bonami, kuratierten diese außergewöhnliche Ausstellung, die noch bis September 2014 im Palazzo Cipolla zu sehen sein wird.
Christa Blenk
Fotos : Christa Blenk (Ausstellungsplakate)
interesting article on a show that made me take a different look on Andy Warhol