Febbraro, Italiano, Grünbein, Krüger und die italienischen Dichter
Incontri Romani
Die Erschließung des Lichts – Italienische Gedichte der Gegenwart
Michael Krüger und Federico Italiano haben eine Anthologie der Italienischen Poesie des 20. Jahrhunderts zusammengestellt und herausgebracht: gestern Abend wurden sie in der Casa di Goethe vorgestellt. Präsentiert und kommentiert (das Fehlen von einigen wichtigen Dichtern kritisiert) wurde sie vom italienischen Literaturkritiker Paolo Febbraro.
Üppig, vielseitig und vielströmig ist sie, die Poesie im 20. Jahrhunderts in Italien. Symbolismus, Expressionismus, Futurismus, Neorealismus, Existenzialismus, Moderne, Avantgarde und Neoavantgarde sind die verzweifelten Versuche, sie in Schubladen und Tendenzen unterzubringen. Aber das sind nur Wörter und Dichter sind eben Dichter weil sie sich nicht an solche Vorgaben oder Zwänge halten wollen. Wenig bekannt und gelesen sind die meisten dieser Poeten in Deutschland. Das wird sich jetzt ändern.
Größen wie Ungaretti, Sanguineti oder Montale sind natürlich darunter, aber auch Randdichter, Dialektdichter und weniger bekannte wie Sereni, Fortini, Magrelli, Caproni oder Cavalli kann man ebenfalls in der Anthologie entdecken.
Nach einem Schnelldurchlauf durch die Poesie im Allgemeinen und einem Versuch, die Dichter in gewisse Ecken zu stellen (wie z.B. Benn, Celan auf der einen Seite und Brecht, Enzensberger auf der anderen Seite oder Heine oder Hölderlin und Brecht der Mörike, ging es lange Zeit darum, die Unmöglichkeit Poesie zu übersetzen zu diskutieren. Wir hören dass Ingeborg Bachmann als erste Ungaretti übersetzt hat (1963) oder dass Enzensberger wichtige Arbeit geleistet hat und dass Max Hellwig einer der wichtigsten Übersetzer aus dem Italienischen ist. Einige Dichter haben immer noch keine Chance auf Übersetzung, weil es einfach im Moment niemanden gibt, der ihr Werk neu erfinden kann. Als Dichter muss man eine eigene Stimme finden, sagte Krüger.
Der zweite Teil des Abends war dann der Lektüre von ausgewählten Werken gewidmet. Italiano und Febbraro lasen zuerst abwechselnd ein Gedicht auf Italienisch, Grünbein und Krüger die jeweilige Übersetzung. Eine metaphysische Sensation nannte Grünbein das Gedicht von Caproni « Der Teichläufer ». Uns Zuhörern fällt auf, dass die meisten vorgelesenen italienischen Gedichte in Deutschland spielen (Porta Westfalia), vor allem in Berlin – vor und nach dem Mauerfall! Zu Edoardo Sanguinetis dadaistischem Grenzübergangsszenen-Gedicht erinnert sich Michael Krüger an ein Treffen mit ihm in Berlin und erwähnte die Liebe von Sanguineti vor allem zu der geteilten Stadt! Sanguineti ist ohne Zweifel einer der Interessantesten in dem Buch, einige Werke von ihm wurden sogar von Luciano Berio vertont. Er jonglierte ohne Probleme zwischen Dante und Brecht hin und her.
Und dann fällt es den Vorlesern plötzlich auch auf, dass vor allem Deutschland das Thema des Gelesenen ist: Die Italiener haben Deutschland erfunden, sagte Krüger und schickte gleich hinterher, dass der Zufall all diese Berlin-Gedichte ausgesucht hätte. Wer weiß!
Christa Blenk