Isolde Ohlbaum Portraits
Intelligenz und Simplizität
Sie blicken uns an, all diese schönen intelligenten Augen. Sitzend, stehend, spielend, vorlesend.
Seit Jahren fotografiert Isolde Ohlbaum (*1953) alles was Rang und Namen hat in der Literatur und im kulturellen Leben. Aber sie sucht nicht nur die Großen. Einige Gesichter hat sie auch fotografiert, bevor sie weltbekannt wurden. Jedes Portrait ist ein (einfaches) Kunstwerk und wie sie selber sagt « „So vieles hängt ab von den jeweiligen Umständen, welcher Kontakt, Dialog, welche Atmosphäre entstehen kann zwischen zwei Menschen, die sich vielleicht vorher noch nie begegnet sind.“
Der erste Raum ist den italienischen Schriftstellern gewidmet. Alberto Moravia, Natalia Ginzburg, Italo Calvino, Mario Fortunato, Fotos aus den 70er und 80er Jahren. Umberto Eco und Dacia Maraini (2012) sogar in Farbe.
Im nächsten Raum gehen wir vorbei an Peter Handke beim Fußballspiel. Winifred Wagner als ältere Damen 1976 in Bayreuth, die Kessler Zwillinge, Wim Wenders ganz jung, der wichtigste Vertreter der beat generation Allan Ginsburg mit seltsamer Kopfbedeckung und Jean Marias, der große Antonio Tabucchi, Hanna Schygulla und Fassbaender. Und das sind längst nicht Alle. Dur Grünbein zwischen römischen Köpfen, Harald Hartung und Sibylle Lewitscharoff (mit großer Handtasche) haben wir vor kurzem in der Casa die Goethe bei diversen Lesungen auch persönlich sehen können. Und natürlich Andy Warhol, er hat ja schließlich Goethe in Siebdruck verewigt.
Ein weiterer Teil der ausgestellten Fotos dokumentiert diverse Verleihungen des « Petrarca Preises für Poesie », man sieht die Dichter versammelt und sich vorlesend in der Natur. Zum ersten Mal wurde er wohl in der Provence auf dem ungemütlichen Mont Ventoux vergeben, hierüber berichtet ein Foto mit Bazon Broch und Matthias Krüger. Der Preis ging posthum an Rolf Dieter Brinkmann. In der Folge hat man immer wieder andere attraktive Orte in Italien gefunden – im Tusculum oder in Vincenza.
Ohlbaum schafft eine Stimmung, die Frieden in die Gesichter ihrer Gegenüber zaubert, die Portraits strahlen wohlfühlendes Schweigen aus und die Augen erzählen langsame Geschichten. Vertrauen und Kennen sind die Voraussetzung für solche Portraits.
Bis Juni 2014 kann man noch an diesen Größen der Literatur-, Pop- und Kinoszene vorbeiflanieren. Durch das Betrachten der Fotos sehen wir dann auch die Radierungen von Piranesi und die Zeichnungen von Goethes mit einem anderen Auge.
Der Charakter ruht auf der Persönlichkeit, nicht auf den Talenten – hat Goethe gesagt!
Eine interessante Ausstellung; man sollte sie nicht verpassen!
Durs Grünbein bei einer Lesung in der Casa di Goethe 2013.
Christa Blenk