10 mars 2014 0 Commentaire

The great goyesque

June Papineau in Lausanne

Alchemie und Kunst – aus Baum ward Stein!

Künstler und Alchemisten haben so einiges gemeinsam. Beide werden sie von dem Wunsch getrieben, einen Gegenstand (Farbe, Marmor oder Metall) in einen anderen (Bild, Skulptur, Gold) zu verwandeln. Sie sind auf der Suche nach Neuem und ihr Hilfsmittel ist die Metamorphose. Ovid hat um 6-8 n.C. die kursierenden Geschichten von Göttern und Menschen zusammen gesucht, vervollständigt und weitere hinzugefügt. Dafür wurde er von Kaiser Augustus zur persona non grata erklärt und ans Schwarze Meer verbannt. Kunst und Literatur der letzten 2000 Jahre wären allerdings ganz schön leer und langweilig ohne seine Erzählungen.

Die Metamorphose, prominentes Handwerkszeug der Götter in der Antike. Zum Einsatz kamen sie vor allem, um ungehorsame oder zu talentierte menschliche Wesen zu bestrafen und in ihre Schranken zu weisen. Manchmal war aber auch Barmherzigkeit der Grund, jemanden oder etwas zu verwandeln. Denken wir an Niobe, der die Gnade widerfahren war, in einen Stein verwandelt zu werden, um vom Leid abzulenken, nachdem Apoll alle ihre Kinder getötet hatte. Oder Echo, die von sich aus ganz langsam zu einem alles wiederholenden Felsen erstarrte, um ihren Kummer über Narziss’ verschmähte Liebe nicht mehr ertragen zu müssen. Die Wassergöttin Thetis verwandelte sich in einen Vogel oder einen Baum, um sich vor Peleus’ Annäherungsversuchen zu schützen. Eine der schönsten Geschichten allerdings ist die von Pygmalion, hier ist es umgekehrt und der Stein erwacht – aus Liebe – zum Leben!

Leonardo da Vinci, Jan Brueghel d.A., Albrecht Dürer, Joseph Beuys, Rebecca Horn, Anish Kapoor und June Papineau heißen diese deus ex machinader Verwandlungen. Sie haben sich in einigen ihrer Werke mit dem Mysterium der Metamorphose beschäftigt und den Beobachter aufgefordert und eingeladen, bei der Exploration präsent zu sein oder das Ergebnis zu erleben.

Die Last wird leicht, wenn mit Geschick man sie trägt – sagte Ovid.

Im August 2013 haben wir mit der amerikanisch-schweizerischen Künstlerin June Papineau einen Ausflug in den französischen Jura gemacht  um den Entstehungsprozess des Great Goyesquezu erleben. Damals war diese Art Baumkreatur ein work in progress. Groß und weiß hing er zwischen den Bäumen. Bis Ende September 2013 hat June Papineau die Arbeiten an ihm fortgesetzt und ihre Zaubermischung aus Porzellan-Ton, Methylcellulose, weißem Kleber, Jurasalz, Mullbinden und Propylenglykol aufgetragen. Die Mutation im alchimistischen Sinne hatte begonnen.

Ab Oktober war er dann „reif“ und sie konnte mit dem „Schälen“ beginnen. Drei Tage hat der Abbau gedauert, dann war das Baumkleid (nun ohne den schützenden Baum und deshalb sehr vulnerabel) bereit, ins Auto gepackt zu werden. 30 km Autofahrt später erwachte er als große weiße unförmige Masse in ihrem Atelier in Genf. Nun begann die Vorbereitung für die Wiedergeburt der Skulptur. Von Oktober bis Mitte Februar besserte sie die Wetter-, Abbau und Transportschäden auf das Minutiöseste aus, bis er bereit und schön genug für den großen Tag war.

Seit 7. März 2014 (also fast sechs Monate nach der ersten Geburt) hängt der Great Goyesquenun in der Galerie D’(A) in Lausanne und an den Wald erinnert nur noch eine grün-gestrichene Wand in der Galerie.

June Papineau hat sich viele Gedanken gemacht und auf mirakulös-wunderbare Weise und mit viel Geschick die große Herausforderung gemeistert. Jetzt hängt er hier im Raum: wuchtig und trotzdem zart. Die Laubfrauen und Moorgeister, die im Wald um ihn herum geisterten, sind mitgekommen. Allen voran Marsyas natürlich, er thront in der Vitrine.

Sein Erscheinen in der Galerie D’(A) ist eine Wiedergeburt, eine zweifache Renaissance durch Metamorphose. Einmal das Auflegen ihrer persönlichen Geheimmischung, die Abnahme der Maske im Wald, der Transport und der Wiederaufbau im Atelier. Vor drei Wochen dann der zweite Abbau und die endgültige Installation in der Lausanner Galerie D’(A). Die Hauptpremiere!

Wir sind zur Vernissage nach Lausanne gefahren und konnten uns davon überzeugen, dass June Papineau das Unmögliche, nämlich diese verästelte und filigrane Riesenskulptur (wenn man alle Zweige mitrechnet dürften an die 12 Meter zusammen kommen) aus dem Wald herauszuschälen und dem Publikum zu präsentieren geschafft hat. Sechs Personen mussten beim Aufhängen in dem 25 Quadratmeter-Raum der Galerie mithelfen.

Schon beim Näherkommen konnten wir ihn durch die große Vitrine erspähen und haben ihn sofort wieder erkannt. Waldzauber versprühend zog er magnetisch das Publikum in die Galerie. The Great Goyesque hat eine Transition vom Pflanzlichen (vegetarischen) zum Steinigen (mineralischen) hinter sich. Man kann unter ihm durchgehen und ihn von beiden Seiten bestaunen und sieht manchmal noch ein wenig vom mineralisierten Moos. Wenn man ganz nahe ran geht, kann man das Jura-Salz riechen.

Jedes Ding hat zwei Seitendas stammt auch vom Dichter Ovid!

So wie die Skulptur hier auf uns zukommt, könnte sie – um ein vielfaches vergrößert – den kompletten Ring inszenieren (Berge und Unterwelt, Götter und Riesen, Tag und Nacht). Die kleinen Wichtel, Gnome und sonstigen Fabelwesen wären bereit, die Rolle der Nibelheim-Bewohner zu übernehmen.

Die Phantasie der Besucher (groß und klein) kennt an diesem Abend keine Grenzen und dieses „Ding“ hat definitiv mehr als zwei Seiten!

Die Fotografin Véronique Lachat hat diese wundersame und aufregende Aktion fotografisch begleitet. Einige ihrer schönen Fotografien sind ebenfalls in der Ausstellung zu sehen. Vier Wochen kann man den Great Goyesque, Marsyasund Co. dort besuchen und wie es anschließend weitergeht wissen im Moment nur die Magier oder die Götter auf dem Olymp …..

Bildergalerie ihrer Arbeiten

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GREAT GOYESQUE auf KULTURA EXTRA

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Christa Blenk

Foto: ©Véronique Lachat / Christa Blenk

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