Büchner und Chagall
Nicht nur Wagner und Verdi feierten 2013 ihr Jubiläum. Auch einer der wichtigsten Deutschen, Georg Büchner, ist 1813 geboren. Die Casa di Goethe in Rom hatte ihm letztes Jahr eine Ausstellung und diverse Veranstaltungen gewidmet und beschließt nun das in den Januar hineinreichende Jubiläumsjahr mit einem Vortrag von Claudio Zambianchi.
Der Dichter, Schriftsteller und Arzt Georg Büchner, der schon mit 23 Jahren verstarb, hat ein kleines aber kompakt-zeitloses und weltwichtiges Werk hinterlassen. Eines davon ist Woyzeck, und um diesen Soldaten-Barbieri sollte es an diesem vorletzten Januartag auf dem Corso gehen.
« Büchner und Chagall » – so war der Vortrag angekündigt:
Sehr spannend! – was haben diese zwei wohl gemeinsam?
Eigentlich nichts, sollte sich herausstellen. Vanda Perretta, die die Idee zu diesem Ereignis hatte, eröffnete den Abend – zu dem trotz gewaltigen Regenschauern zahlreiche Zuhörer gekommen waren – mit einer Anekdote. Sie hat vor einiger Zeit eine Chagall-Ausstellung in London besucht und unter den Exponaten vermeintliche Chagall-Referenzen auf Büchners Woyzeck entdeckt; im Ausstellungskatalog tauchten diese allerdings nicht auf, was sie wohl sehr verwirrte – uns weniger, war es vielleicht eine surreal-mystische Täuschung à la Chagall oder einfach nur « wishful thinking »?
Aus diesem Grund beschränkte sich der Vortrag « Büchner und Chagall » auf ein Bild von ihm « Frieden für die Hütten, Krieg den Palästen“.
Claudio Zambianchi hat diesen Zustand aber sehr gut aufgefangen, über Büchner und seine Zeitlosigkeit referiert, die Wichtigkeit seiner Werke für das Theater und die Musik hervorgehoben und uns Büchners Woyzeck anhand von Texten und Ausschnitten von fünf verschiedenen Produktionen nahe gebracht.
Zambianchi selber ist Professor für zeitgenössische Kunst an der Sapienza und dementsprechend contemporan waren auch seine Referenzen.
Zu allererst stellte er eine Woyzeck-Bearbeitung von William Kentridge « Woyzeck on the Highveld » vor – damit konnte schon mal nichts mehr schief gehen und der Vortrag war auf dem richtigen Weg. Der geniale Südafrikaner verlegte die Handlung nach Johannisburg und ließ die « Handspring Puppet Company » einen Woyzeck im afrikanischen Veld aufführen. 1992 hat Kentridge dieses geniale Puppenspiel kreiert und damit das Publikum schockiert und begeistert – wie er das immer tut.
„Woyzeck ou l’ébauche du vertige“ eine Stummfilm-Referenz aus 1994. Josef Nadj hat hier den deutschen expressionistischen Film, die „tableaux vivants“, wieder aufleben lassen. Dunkel, warm, schlammig, sandig. Genau das Gegenteil zur darauf folgenden Inszenierung, die Robert Wilson im Jahre 2000 für das Theater Oberhausen geschaffen hat. Hell-grell, kalt, oberflächlich präsentieren sich die Bilder zur Musik von Tom Waits.
Das nächste Anschauungsbeispiel war eine Woyzeck-Bearbeitung von Thomas Ostermeier, die dieser 2003 für die Schaubühne kreierte. Nach Berlin ging die Produktion zum Avingon Festival, wo sie mit großen Erfolg aufgeführt wurde. Soap Opera, Lindenstraße, Massenkultur pur!
„Vesturport“: Eine überwältigende Produktion aus Island, die Büchners Hauptwerk in einen zeitgenössischen Kapitalismus katapultiert. Unheimlich beeindruckend und originell. 2001 hat es Gisli Orn Gardarsson entwickelt, die Musik für dieses Musical stammt von Nick Cave und Warren Ellis. Hier spielt sich alles unter Wasser und in einer Fabrik mit Wasserrohren ab.
Jetzt werden wir am Wochenende alle auf die Suche nach diesen DVDs (ich will vor allem den Kentridge und Vesturport) gehen!
Hier ein Verweis auf einen sehr gelungen Kentridge Abend im Teatro Argentina 2012 – Refuse the Hour!
Christa Blenk
Illustrationen: Gerardo Aparicio