Villa Massimo zu Gast im Auditorium Parco della Musica
If this word « music » is sacred and reserved for eighteenth and nineteenth century instruments, we can substitute a more meaningful term: organization of sound. (John Cage)
Alle Jahre wieder: Das schon traditionelle und immer originelle Abschlusskonzert der Musikstipendiaten der Villa Massimo im Auditorium Parco della Musica fand dieses Jahr zum 7. Mal am 10. Dezember im großen Saal statt.
Orchester und Publikum saßen – auch wie immer – auf der Bühne. Die zahlreichen Galerien um dieses doch sehr großflächige Podium wurden durch Holz-Paravents abgeschirmt. Dieses zauberte eine Art intim-mysteriösen Musik-Insel-Kammersaal und brachte die Zuhörerschaft sehr nah an die Musiker heran. Man bedenke, dass der Saal ansonsten 2800 Zuhörer aufnehmen kann. Die ca. 150 vorgesehen Plätze auf der Bühne waren auch alle so gut wie besetzt.
Auch Tradition ist mittlerweile die Teilnahme des Ensemble Modern aus Frankfurt. Am Pult dieses Jahr der Amerikaner Erik Nielsen. Der Oboe-Solist war Christian Hommel. Maestro Nicola Sani hat das Programm zusammen gestellt. Da konnte ja eigentlich gar nichts mehr schiefgehen.
Vier Komponisten wurden uns gestern Abend präsentiert: Die beiden begnadeten Stipendiaten der Villa Massimo Birke J. Bertelsmeier (*1981) und Stefan Johannes Hanke (*1984), kennen wir ja schon vom Hauskonzert in der Villa Massimo im Oktober, hinzu « gesellten » sich dann noch Luca Lombardi und Bernd Alois Zimmermann.
Die 11-minütige Uraufführung von Birke Bertelsmeier heißt „Giromaniaco“. Leider hat sie uns im Dunkeln gelassen, warum das Stück so heißt: kommt es von der Manie alles umzudrehen? Das würde dann erklären, warum der 1. Geiger ganz hinten stand, d.h. neben mir! Oder ist es vielleicht schon das aufkommende Reisefieber, weil sie ja im Januar die Villa Massimo verlassen muss? Das Abschiedsständchen hat sie jedenfalls in Form von „Arrivedeci Roma“ zwischen trauriger Zirkusmusik und einem weinenden Clown eingebaut – ich könnte jedenfalls schwören, dass ich es rausgehört habe! Ansonsten war es ein Dialog zwischen dem neben mir stehenden Geiger und dem Orchester sowie zwischen Querflöte und Geige. Gelungen! Sie hat schon mit 8 Jahren zu komponieren begonnen und sagt dazu: „Die Stücke, die ich spielen sollte, haben mir aber nicht immer gefallen. Deshalb begann ich, meine eigenen Vorstellungen zu verwirklichen. Also habe ich komponiert. Es reizte mich einfach, Musik zu erfinden und sie dann zu spielen“.
Stefan Hanke mag Tiere (das haben wir schon beim Hauskonzert gelernt). Seine Uraufführung „About happy animals (not in the score), war Hatari pur. Genial und wunderbar wie er all die Dschungel-Tiere erst mal vorstellt und sie dann sich unterhaltend und sich bestens verstehend und sich gegenseitig von Buschtrommeln und Ritualtänzen begleitend, durch die Wildnis zum Wasserloch promenieren lässt (da ist die Welt noch in Ordnung, und aufgefressen haben sie sich auch nicht).
Beide Kompositionen stammen aus 2013 und sind damit Kreationen, die während ihres erfolgreichen Aufenthaltes in Rom entstanden sind.
Nach einem Musiktheater für alle ab 7 Jahren mit dem schönen Titel « Teufel mit den drei goldenen Haaren », wird Hanke ab 2014 im Auftrag der Staatsoper Hannover an einer Oper nach dem Janosch Kinderbuch « Oh wie schön is Panama » arbeiten.
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Der italienisch-israelische Komponist Luca Lombardi ist 1945 geboren und damit trennt ihn mehr als eine Generation von Bertelsmeier und Hanke. Er hat u.a. auch in Wien, Köln und Berlin Klavier und Komposition studiert. Zur Zeit lebt er zwischen Rom – ganz in der Nähe wo Hans Werner Henze lebte – und in Tel Aviv. Von ihm gab es zwei Stück zu hören.
„Psalmus VI di für neun Instrumente“ – eine nur 5 Minuten dauernde delikate aber nicht nostalgische Renaissance-Motette, bearbeitet hat er sie 1991 nach einem Stück des französisch-flämischen Renaissance Komponisten Josquin Desprez. Das andere Werk nennt er Infra, und so hat es sich auch angehört. 15 drohend- pathetische mit schüchtern orientalischen Referenzen versetzte Minuten lang schwankten elf Musiker – viel Blech und Holz und wenig Streicher – Hin- und Her zwischen Freund und Leid, zwischen Alt und Neu. Auch deshalb passte es so gut ins Programm und zu Zimmermann, der übrigens einer seiner Lehrer war! Typisch für Lombardi, dieser krasse Gegensatz. Ursprünglich gehörte er der musikalischen Avantgarde der 70er Jahre an bis er sich für einen politisch-sozialen Weg entschloss, u.a. auch nach einen Begegnung mit Paul Dessau in Berlin 1973.
Mit dem 1952 komponierten Konzert für Oboe und kleines Orchester von Bernd Alois Zimmermann (1918-1970) ging das Konzert zu Ende und somit war auch die musikalische Avantgarde von Anfang/Mitte des 20. Jahrhunderts vertreten. Zimmermann musste kriegsbedingt sein Musikstudium vor dem Krieg abbrechen und konnte es erst 1947 vollenden.
Bernd Alois Zimmermanns Oboenkonzert für kleines Orchester pendelt zwischen der Spätromantik und dem 20. Jahrhundert hin und her. Der erste Satz hört mit einer Beethoven-Referenz auf, zwischendurch eine Hommage an Hindemith, Strawinsky und den Expressionismus, ständige Stimmungsschwankungen, technisch sehr schwierig und anspruchsvoll, aber ein sehr ästhetisches Stück (das ich noch nie vorher gehört hatte). Hommel hat sich ausgezeichnet geschlagen. Elegant, klar, energisch und geschmeidig hat er die öfteren Soli nur so hingeschmettert. Serielle Musik und die Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik, die er ab 1948 besuchte, haben allerdings auch Spuren in diesem spannenden Werk hinterlassen. Ein sehr virtuoser Solo-Triller fast zum Schluss bis dann das dynamische und immer schneller werdende und reiche Finale eingeleitet wird und Orchester und Solist wieder vereint sind. 15 schöne Minuten! Zimmermann selber hat sich als der «Älteste unter den jungen Komponisten» gesehen. Die Idee zu seinem Oboenkonzert stammte seinerzeit von Lothar Faber. Mit einem Augenzwinkern vereint er die Rivalen Schönberg und Strawinsky und konstatierte “ein Gräuel für superorthodoxe Dodekaphonisten”.
Bei diesem wunderbaren Konzert für Oboe war das ausgezeichnete und renomierte Ensemble Modern dann schließlich richtig gefordert. Zimmermann war übrigens auch einmal Stipendiat der Villa Massimo und zwar im Jahre 1957. Und somit schließt sich dann der Kreis.
Christian Hommel ist 1963 geboren und hat in Freiburg bei Heinz Holliger Oboe studiert und sich auf zeitgenössische Musik spezialisiert, oder jedenfalls spielt sie eine große Rolle in seinem Wirken. Als Oboist und Dirigent tritt er in ganz Europa, in den USA und in Asien auf. Einige Jahre war er beim Kölner Kammerorchester Oboist. Zur Zeit ist er Professor an der Hochschule für Künste in Bremen und dirigiert das deutsche Jugendsymphonie Orchester. Seit 2008 gehört er zum Ensemble Modern und hat im letzten Jahr als Oboist hier in Rom mitgespielt.
Viel verdienter Applaus für die Musiker und die Komponisten die, bis auf Zimmermann natürlich, alle anwesend waren!
Christa Blenk
P.S. der Artikel ist gekürzt auf die Uraufführungen in KULTURA EXTRA erschienen
Und wenn Sie jetzt noch mehr über die beiden Nachwuchskomponisten wissen wollen, dann finden sie die Beschreibung vom Hauskonzert hier: Hauskonzert
u.s. auch Konzert im Oratorio Gonfalone