Modigliani, Soutine e gli artisti maledetti
Bericht (gekürzt) über die Ausstellung für KULTURA EXTRA
La Belle Epoque oder Die Legende von Montparnasse
Modigliani, Soutine e gli artisti maledetti: Die Jonas Netter-Sammlung
Letztes Jahr gingen die 120 Meisterwerke der Sammlung Netter zum ersten Mal auf Reisen und nach einem Riesenerfolg 2012/2013 in Paris und Mailand, ist diese faszinierende Kollektion seit November 2013 in der Fondazione Roma Museo – Palazzo Cipolla in Rom zu bestaunen. Allesamt Gemälde, die in den „verrückten Jahren“ (les années folles) und zwischen den zwei Kriegen im Zentrum der Avantgarde in Montparnasse entstanden sind.
Jahrelang gehörte sie ihm alleine. Nun hat sich Jonas Netters Sohn, Gérard, im Alter von 86 Jahren schließlich entschlossen, die Sammlung seines Vaters der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Viele der nun ausgestellten Exponate wurden seit 1933 nicht mehr gezeigt, darunter Werke von Derain, Modigliani, Soutine, Utrillo, Valadon, Vlaminck, Kisling sowie Arbeiten von weiteren Vertretern der ersten Schule von Paris.
Jonas Netter gehörte zu den zahlreichen Elsässern, die nach dem Krieg 1870/71 das deutsch gewordene Elsass verließen, um sich in Paris niederzulassen. Aber wie kam dieser nicht sehr wohlhabende Handelsvertreter nun dazu, eine dermaßen große Kunstsammlung anzulegen? Seine Geschichte hört sich fast wie eine Legende an: Netter musste in Paris seine Papiere erneuern lassen, begab sich zur Präfektur und wurde von Kommissar Zamaron in dessen Büro empfangen. Hinter seinem Schreibtisch hing ein Bild von Utrillo, für den der Kommissar schwärmte. Netter, der eigentlich lieber Impressionisten gesammelt hätte, aber nicht genug Geld dafür hatte, war sofort fasziniert von dem Werk und, anstatt über Papiere zu reden, sprachen sie über Kunst und Montparnasse und Kommissar Zamaron brachte Netter schließlich zu einem polnischen Exil-Poeten, Leopold Zborowski, der sich als Kunsthändler sein Auskommen suchte und all diejenigen Künstler vertrat, die sonst keiner haben sollte. Das war „der Beginn einer wunderbaren und fruchtbaren Freundschaft » und legte den Grundstein für eine der wichtigsten Sammlungen die zwischen den zwei Kriegen entstanden ist.
Ob Netter seine Papiere bekommen hat, wissen wir nicht, man kann aber wohl davon ausgehen!
Netter war Zborowskis bester Kunde und kaufte so gut wie alles von ihm. Schon während des Ersten Weltkrieges erwarb er Bilder von Utrillo und von dessen Mutter Suzanne Valadon, von Modigliano und Soutine. Alles Maler, für die sich der große Sammler Paul Guillaume nicht interessierte. Der Amateur Netter besaß den Mut und hatte das Vertrauen in sich selber, auch von völlig Unbekannten zu kaufen, und wenn ihm ein Maler gefiel, erwarb er alles von ihm! Die Sammlung dokumentiert wunderbar und pur das Werden und Leben einer Kunstsammlung in der auch mal Werke aufgenommen werden, weil der Sammler den Maler mochte. Nicht alles ist wirklich gut und viele seiner Künstler gingen nicht in die Kunstgeschichte ein, umso spannender ist aber dieser Fundus.
Am Eingang hängt ein Ganzportrait von Jonas Netter, gemalt von Moise Kisling. Es zeigt einen eher bürgerlichen Mann mit Krawatte, bescheiden und melancholisch sitzt er da. „Er war ein Epikureer“ sagt sein Sohn „Er liebte die kleinen Freuden des Lebens, ohne von jemandem zu profitieren“.
Im ersten Saal drei Gemälde von André Derains, darunter „Les grandes Baigneuses“ von 1907, seit 1945 war es in der Öffentlichkeit nicht mehr zu sehen. Es ist eines seiner Hauptwerke und wird von den Kunstexperten als seine „Demoiselles d’Avingnons“ betrachtet. Eine Anzahl von Werken von gänzlich unbekannten Malern wie Hayden, Feder, Paresce, Lagar-Arroyo, Zawadowski, Ebiche oder Landau folgt in den nächsten zwei Räumen. Einiges sehenswert, auf andere könnte man verzichten. Ein weiterer Raum ist Utrillos « weißer Periode » gewidmet, er hat – wenn er gerade mal nicht betrunken war – eher Postkartenlandschaften gemalt, die kunsthistorisch weniger interessant sind. Gleich weiter kommen wir zu seiner sehr viel interessanteren Mutter, Suzanne Valadon, herausragend die „Drei Akte auf der Wiese“. Netter war verliebt in sie und hat deshalb beide – Mutter und Sohn – sehr unterstützt. Im großen Mittelraum der Ausstellung lernen wir, dass wir eben nicht alles von Modigliani kennen. 15 Hauptwerke werden hier gezeigt, darunter ein Portrait von Jeanne Hébuterne, seiner Gefährtin. Mit roten Haaren sitzt sie leicht gebeugt da, der ganze Körper incl. der Haare ist in die Länge gezogen. Die Bäckerstochter wollte unbedingt Malerin sein, hatte aber leider kein Talent und obwohl sie hart arbeitete, haben ihre Werke immer etwas stümperhaftes. Modigliani nennt man auch den Botticelli der Moderne. Restellini, der Kurator, schwärmt geradezu davon « Das Bild ist wunderbar, pathetisch, von einer unglaublichen Schönheit, im Profil ». Von Zborowksi hat Modigliani 1916 auch ein fabelhaftes Bild gemalt. Ein junger Mann ohne Kragen, mit offenem Hemd, die Augen fast geschlossen. Zwei weitere seiner Meisterwerke hängen gleich daneben « das Mädchen mit dem weißen Kragen » und « das Mädchen in Gelb » (1917). Der nächste Saal ist Soutine gewidmet. Der wilde Weißrusse Chaim Soutine, kam – fast zu Fuß – 1913 in Paris an. Er ist der expressionistischste von allen. Man könnte ihn zwischen Van Gogh und Francis Bacon ansiedeln, aber radikaler und verzweifelter und hungriger. Am liebsten malte er rohes Fleisch – so lange bis es verdorben und nicht mehr essbar war. Die Sammlung Netter beinhaltet allerdings vor allem Portraits von Soutine. Zwei Fisch-Stillleben sind unter den 19 hier gezeigten Werken. Außer in der Orangerie in Paris habe ich nie mehr Soutines von dieser Qualität und Quantität gesehen.
Der Parcours endet mit zwei abstrakten Kompositionen aus 1930 von Jean Hélion, die eigentlich gar nicht in die Sammlung passen, aber Netters Aufgeschlossenheit und Courage nochmals beweisen.
Leopold Zborowskiwar ein polnischer Literaturprofessor, der ebenfalls Anfang des 20. Jahrhunderts in Paris, in der Hoffnung hier als Poet überleben zu können, ankam. Laut Marc Restellini war er eine etwas undurchsichtige Person, charmant und unehrlich.
Netter war das genaue Gegenteil, ehrlich und anständig, er zahlte allen seinen „Malern“ eine kleine monatliche Rente. So bekam der bürgerliche Norditaliener Amedeo Modigliani, der schon 1906 nach Paris kam, 500 Franken pro Monat. Dafür durfte Netter die Bilder als erster sehen und konnte frei wählen welche er haben wollte. Die verbleibenden gehörten Zborowski, der Modigliani ebenfalls etwas zu zahlen hatte. Zborowksi ging dabei auch ein Risiko ein, einerseits verfiel Modigliani immer mehr dem Alkohol und produzierte dann gar nichts , andererseits war der Italiener so etwas wie ein « enfant terrible ». Sollte sich doch mal eine Galerie bereit erklärten seine Werke auszustellen, musste regelmäßig die Polizei einschreiten, da die rebellierenden Franzosen darauf bestanden, die Nackten aus dem Schaufenster zu entfernen. Das Vertrauen sollte sich allerdings lohnen. Kurze Zeit nach Modiglianis Tod 1920 waren seine Werke schon das dreifache wert. Der andere große Sammler, Barnes, der sich anfangs nicht an diese Wilden heranwagte, kaufte kurz vor dem „Black Friday“ von Netter einige Bilder von Soutine.
Eric Satis Musik begleitet uns durch die Ausstellung. Er war auch einer der zahlreichen Liebhaber von Suzanne Valadon. Sie war, abgesehen von der gutherzigen, eher talentlosen Modigliani-Gefährtin und Lieblingsmodell Jeanne Hébuterne, die einzige Malerin in der Gruppe. Als Jeanne von Modiglians Tod erfuhr, stürzte sie sich – im 9. Monat schwanger – vom 5. Stock auf die Straße und war sofort tot, ebenso ihr ungeborenen Kind. Modigliani wurde auf dem Friedhof Père Lachaise, Montmatre, begraben. Soutine hingegen, der sich als Jude jahrelang von einem Versteckt zum anderen schleppte, starb 1943 und fand auf dem Künstlerfriedhof Montparnasse seine letzte Ruhestätte.
Zeichnungen Paco Barón, nicht teil der Sammlung
Die Montparnos!
Sie trafen sich im Café Dôme oder in der Rotonde. Montparnos, so nannten sich die Bohèmiens und Künstler von Montmatre, die allesamt Picasso folgten und den nächsten Berg (Mont) eroberten. Montparnasse, der Berg der griechischen Götter in der Antike, ist heute ein Kinoviertel und der größte Bahnhof von Paris. Von ca. 1905 – Mitte der 20er Jahre war das Viertel Treffpunkt der Künstler der „Belle Epoque“. Picasso, dem durch die Bekanntschaft mit dem Kunsthändler Kahnweiler und den Geschwistern Stein plötzlich der Erfolg lachte, konnte es sich leisten vom Vorort in die Stadt umzuziehen. Der gesamte Tross der Erfolglosen folgte ihm!
Es waren aber nicht nur Spanier wie Picasso oder Italiener wie Modigliani die sich in Paris ansiedelten. Aus dem Osten kamen Polen, Russen, Slawen und nach dem ersten Weltkrieg war das brodelnde Paris, in dem es keine Tabus gab, für die Amerikaner „the place to be“. Scharenweise kamen sie über den Atlantik und sahen sich als Maler, Dichter oder Schriftsteller. Zuhause hatten sie jemanden, der ihnen monatlich ein paar Dollars schickte, genug für ein Leben mit täglichen Exzessen und Feiern – am Rande der Pariser Bourgeoisie. Die Amerikanerin Gertrude Stein, die schon 1903 endgültig nach Paris übersiedelte und eine der größten Kunstmäzenin überhaupt werden würde, versammelte sie in ihrem wöchentlichen Salon in der Rue de Fleurus 27. Sie und ihr Bruder Leo konnten es sich leisten, diese Horde von interessanten Künstlern und Mitläufern durchzufüttern, hatten sie doch ihren Bruder Michel und seine Frau Sarah, die reich genug für alle waren. Nicht wegzudenken aus der Gruppe ist der italienisch-polnisch-französische Poet Guillaume Apollinaire. Er stieß 1905 über Picasso zu den Avantgarde-Künstlern und begleitete sie forthin und wurde ihr Kunstkritiker.
Mit dem Wall Street Crash von 1929 sind dann allerdings die Zahlungen aus der Heimat ausgeblieben und tausende von Amerikanern mussten wieder zurück in die Depression, viele begingen Selbstmord. Nur Josephine Baker ist geblieben, Französin geworden. Sie würde sich später in der Résistance organisieren. Hemingway ging nach Spanien und kämpfte von 1936-1939 im spanischen Bürgerkrieg und schrieb anschließend „Wem die Stunde schlägt“.
Modigliani, Soutine, und die anderen „verdammten“ Künstler gehörten also zu den Rotonde-Besuchern, aber zur anderen Fraktion, zu denen, die den Kubismus ablehnten und ihren eigenen Weg gingen. Ihre Diskussionen drehten sich um die Frage « Was ist Schönheit » ? « Wer kann schon im Vornherein festlegen, dass Dinge schön oder hässlich sind? Man muss lernen, das zu lieben, was man bislang hässlich fand. Ihre Demarche war, die Ästhetik der Dinge neu zu erfinden bzw. deren Betrachtungsweise zu verändern.
Bis zum 6. April 2014 ist die Ausstellung noch zu sehen.
Christa Blenk