RomaeuropaFestival Special – Hedda Gabler
„Ich wollte etwas schreiben was allen gefällt“. Dieser Satz von Ejlert Løvborg ist wohl für Thomas Ostermeier der wichtigste Satz in dem Stück. Und so hat er es auch inszeniert, so dass es allen gefällt. Sauber, Brav, schön, durchsichtig, tragi-komisch. Jeder kommt auf seine Kosten. Bei dieser Inszenierung kann einfach nichts schief gehen.
Vor uns auf der Bühne der Nachbau einer Mies-van-der-Rohe Villa, eine große Glas-Schiebetür, die permanent auf- und zugemacht wird und auf der Regen herabprasselt und dann rieselt. September in Oslo. Das einzig nicht transparente ist eine weiße Wand, hinter der die Schauspieler dann und wann verschwinden, aber nur von der Bildfläche, nicht aus unseren Augen. Die großen Spiegel über der Bühne sorgen dafür, dass nichts verheimlicht wird. Die Pistolen von General Gabler sind in einem kleinen Köfferchen aufbewahrt und die Hüttenschuhe bzw. Pantoffel vom Professor in spe Jørgen Tesman werden ihm in Zeitungspapier gewickelt von Tante Julle übergeben. Ein Film läuft im Hintergrund, wie sich das heutzutage im Theater auch so gehört. Die Bühne dreht sich und wir bekommen das luxuriöse Wohnzimmer von allen möglichen Blickwinkeln zu sehen. Nichts wirklich Neues, aber durchaus gelungen und ansprechend das Bühnenbild.
Jørgen und Tante Julle sitzen im luxuriösen Wohnzimmer, überall stehen Blumen in großen Vasen (eine davon wird Hedda später mit ihrer Pistole kaputt schießen), und während er auf seinem Apple arbeitet, erzählt er Tante Julle von seiner 6-monatigen Hochzeitsreise (für ihn war sie allerdings eher eine Forschungsreise und für Hedda ein Grauen). Tante Julle (Lore Stefanek) will hören, wie es war mit der schönen Hedda, er aber erzählt nur von Bibliotheken, alten Schriften und von der bevorstehenden Ernennung zum Professor. « Ich hab Dir doch alles schon am Telefon erzählt ». Hedda Gabler Tesman taucht auf, im Schlafanzug. Sie gibt der Tante höflich die Hand, weigert sich allerdings, sie so zu nennen. Sogleich bekommt die Arme auch schon die erste Spitze: « die Putzfrau taugt nichts, sie hat ihr schreckliches altes Käppi liegen lassen », sagt sie. Tante Julle hatte es sich extra gekauft, um Hedda zu beeindrucken. Die Tante tritt leicht verlegen ab und Thea Elvsted erscheint. Sie ist eine ehemalige Verflossene von Tesman und bittet diesen, Ejlert Løvborg der in der Stadt sei, anzurufen. Løvborg, ein Freund und Konkurrent von Tesman, hat gerade ein erfolgreiches Buch herausgebracht « Du brauchst es nicht zu lesen, es taugt nichts, ich habe es so geschrieben, dass es Allen gefällt » würde er später zu Jørgen sagen. Mit Hilfe von Thea, mit der er wohl ein Verhältnis hat und die die Frau seines Arbeitgebers ist (er gibt seinen Kindern Nachhilfe), arbeitet er an einem zweiten Buch und dieses würde der Hit werden. Tesman ruft ihn auf Drängen von Hedda an (er war vor längerer Zeit intensiv mit ihr liiert) und lädt ihn für den Abend ein. Brack taucht auf, er hat sich um die Einrichtung und Herrichtung des teuren Bungalows gekümmert (mit Tante Julles Rente als Bürgschaft) und scheint der Hausinformant zu sein. Er erinnert Tesman an den Männerabend. Tesman lehnt ab mit der Begründung, dass er gerade Ejlert Løvborg zum Abendessen eingeladen habe. Brack bezweifelt sein Kommen und erzählt, dass Løvborg ein Konkurrent für die Professorenstelle sein könnte, da dieser Posten dieses Mal wohl ausgeschrieben werden solle. Großes Drama. Hedda, die bis jetzt ganz brav war, horcht auf und plant. Als die beiden Männer gerade gehen wollen, kommt Løvborg. Kaltschnäuzig und arrogant tritt er auf. Er sieht gut und gepflegt aus und hat aufgehört zu trinken. Hedda provoziert ihn und Thea so lange, bis er doch zum Champagner greift und kurzentschlossen nun zum Herrenabend mitgeht. Thea bleibt bei Hedda zurück. Sie schlafen auf dem Sofa ein und werden morgens um 4 Uhr wach. Weder Tesman noch Løvborg, der um 22.00 Uhr Thea abholen wollte, sind nach Hause gekommen. Thea geht ins Gästezimmer, Tesmann erscheint mit der Aktentasche von Løvborg in der sich der PC mit dem neuen Buch befindet. Hedda nimmt es ihm weg. Er geht schlafen, sie zerstört mit dem Hammer den PC und verbrennt den Rest auf dem Grill « Jetzt töte ich Theas Kind », sagt sie. Ihrem Mann wird sie später erzählen, diesen Vandalismus nur für ihn und seine Karriere begangen zu haben. Woraufhin Tesman von Wut und Enttäuschung in Bewunderung und Zärtlichkeit für seine Frau übergeht. Als sie ihm auch noch von der Schwangerschaft erzählt, ist sein Leben wieder perfekt. Er ist wirklich ein Jammerlappen und eigentlich ist er der bad guy. Løvborg taucht auf und erzählt Hedda und Thea heulend, er hätte die Tasche ins Meer geworfen. Das Buch sei weg. Hedda bleibt mit ihm alleine und gibt ihm – bevor er geht – eine ihrer Pistolen mit dem Hinweis, doch bitte würdevoll abzutreten. Brack taucht auf und erzählt vom Tode Løvborgs. Hedda ist glücklich über ihr Werk, als sie aber erfährt, dass er sich nicht in den Kopf geschossen hat sondern in einem Puff in den Bauch geschossen wurde, gibt sie sich auch die Kugel. Das Blut läuft über die Notizen von Løvborg an der Wand, die Thea und Jorgen gerade neu ordnen, um das Buch zu retten. Thea will dieses Mal Tesman inspirieren. Als die beiden den Schuss hören, sagt Tesman nur « jetzt hat sie sich erschossen », lächelt und sortiert weiter. Im Hintergrund singen die Beach Boys « God only knows what I’d be without you ».
Thomas Ostermeier und Marius von Mayenburg haben in das Ibsen-Drama viele sichere Lacher eingebaut. Eine echte Dramatik wird nicht aufgebaut und Heddas Selbstmord erscheint unlogisch. Katharina Schüttler spielt eine ungezogene, unzufriedene, anorexische und existenzialistische Hedda, die sich schrecklich aufregt, wenn ihr Mann erzählt, sie hätte zugenommen. Sie steht sich selbst im Wege und sucht nur nach Anerkennung und hat außer ihren Pistolen nichts hat auf der Welt. „Einmal möchte ich Macht über einen anderen Menschen haben“ und „alles was ich anfasse endet billig“ sagt sie zu sich selber. All ihre Versuche, beachtet zu werden, scheitern, also bringt sie sich um. Eine wirklich böse und berechnende Hedda hätte erstmals das gerade neu entstehende Paar Thea und Jorgen getötet. Lars Eidinger ist Tesman, er ist ein mediokrer, amoralischer Opportunist. Auch er sucht Anerkennung und sei es mit den Aufzeichnungen eines anderen « Du ziehst bei Julle ein und ich komme jeden Abend zu Dir rüber, dann können wir am Buch arbeiten » sagt er zu Thea und zu Brach (Jörg Hartmann) « Sie kümmern sich doch um Hedda, nicht wahr », nichtsahnend, dass Brack bereits versucht hat Hedda zu erpressen, weil er ihre Pistole erkannt hat. « Ich werde es aber nicht ausnützen », versichert er ihr. Er ist nicht wirklich ein Erpresser, sondern eher ein bigotter fast gutmütiger Kerl, dem es Spaß macht, schlechte Nachrichten zu verbreiten. Annelore Bauer ist Thea, sie ist ebenfalls frustriert und sieht sich als Muse. Ihr Glück ist es, andere zu inspirieren. Und dann noch Kay Bartholomäus Schulze, als Løvborgs, ein brillanter Kerl, der alle verachtet, der aber seine Exzesse nicht im Griff hat und vom Zyniker zur Heulsuse wird. „Ich werde mit der Veröffentlichung des Buches warten, bist Du die Professur bekommen hast“ verspricht er ihm. „Ich will Dich nur in der öffentlichen Meinung besiegen“ sagt er vor allen anderen. Tesman macht das glücklich.
Ostermeier hat Hedda wie einen Film von Tarantino oder den Brüder Coen inszeniert. Es ist dramatisch, überall Blut und Tod und das Publikum lacht!
Christa Blenk