Marcello Nardis singt die « Winterreise »
Musica fuori Centro heisst eine Konzertreihe im Auditorium del Seraphicum am Standrand von Rom. Am 27. Oktober präsentierte der italienische Tenor und Schubert-Experte Marcello Nardis dort die « Winterreise », begleitet hat ihn Maestro Bruno Canino. Es ist nicht das erste Mal, dass die beiden miteinander auftreten. Das sieht und hört man! Marcello Nardis – wie immer perfekt textverständlich gesungen – beeindruckt mit seinen Kapriolen von ganz tief bis ganz hoch.
Franz Schubert hat nur 31 Jahre gelebt (1797-1828). Er war das 13. von 16 Geschwistern, von denen nur fünf älter als ein Jahr geworden sind. Der Liederzyklus „Winterreise“ besteht aus 24 Liedern für Singstimme und Klavier und Franz Schubert hat ihn ein Jahr vor seinem Tod komponiert, nämlich 1827. Die Texte stammen von Wilhelm Müller (1794-1827), er ist mit 33 Jahren verstorben. Musik und Text ergänzen sich in dieser Tragik, auch wenn dann und wann ein wenig Licht erscheint, ist dieses Werk von Todessehnsucht geprägt.
„Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh’ ich wieder aus“ – so beginnt die « Winterreise, ». Die Geliebte, oder besser das Liebchen, ist in den ersten Liedern noch sehr präsent. Eis und Tränen, viel Wasser fließt, Erinnerungen an den Lindenbaum, der Traum vom Winterende, Einsamkeit, Todesvorzeichen, Unwetter und Postgeräusche, Wegweiser und Todesacker, nochmals keimt Mut auf. Dann sind wir beim Leiermann angekommen. Mit der Frage „Willst zu meinen Liedern deine Leier dreh’n?“ endet die „Winterreise“.
Foto: jnp
Schubert erklärte damit perfekt den Grundschmerz der Menschheit in der Romantik. Der Wanderer nimmt uns als sein Sosia mit auf diese Winterreise oder besser auf die Flucht vor dem Liebesschmerz, oder ist es verratene Vaterlandsliebe? Immer wieder schüchtern durchwachsen von aufkeimender Hoffnung, Sensibilität und Schönheit bewegen wir uns – begleitet von Marcello Nardis und Bruno Canino weiter. Eine Doppel-Passion ohne durchgehende Handlung und nach dem Motto « himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt ». Der frequente Wechsel des Tongeschlechts, den Marcello Nardis mit Bravour meistert, demonstriert musikalisch diese Stimmung bis sich schließlich Düsternis, Schwermut und Melancholie durchsetzen. Maestro Canino hat ihn auf dieser Odyssee exzellent begleitet.
Der großzügige Marcello Nardis hat dieses Konzert Maestro Hans-Werner Henze gewidmet, der letztes Jahr an diesem Tag (27.10.2012) verstorben ist. Vielen Dank!
Christa Blenk