100 Jahre Ready made: the bicycle wheel – Marcel Duchamp in der GNAM
Ready made: ein „objet trouvé“ (gefundener Alltagsgegenstand) der zum Kunstobjekt erhoben wird.
Über Marcel Duchamp (1887-1968) hat jeder seine Meinung, wenn man sich überhaupt traut, eine Meinung über den Künstler Duchamp zu haben. Intelligent und provokativ, erfinderisch und originell, mutig und selbstsicher, kapriziös und unkonventionell. Maler – Bildhauer – Objektkünstler – Konzeptkünstler – Dadaist – Surrealist – Informalist – Minimalist – Konstruktivist: was war er eigentlich? Für André Breton z.B. war er der intelligenteste Mensch des 20. Jahrhunderts. Auch wenn der Zeitgeist des beginnenden 20. Jahrhunderts nach Erneuerung schrie und Tendenzen im Entstehen waren, hätte die Kunstwelt ohne ihn zwischen den beiden Kriegen anders ausgesehen. Er war Trendsetter und Vorbild.
Duchamp vor seinem « Grand Verre »
Marcel war das dritte von sechs Kindern, die alle nach dem Großvater gerieten: dieser war nämlich ein Kupferstecher. Zur Dynastie gehören weiterhin sein Bruder Gaston, er machte sich unter Jacques Villon einen Namen, während sein anderer Bruder Raymond seine Werke mit Raymond Duchamp-Villon signierte. Die Schwestern Yvonne und Suzanne gaben sich ebenfalls der Malerei hin.
Mit 18 Jahren zog er von Rouen nach Paris/Neuilly und war oft Gast bei seinem älteren Bruder Gaston und der Puteaux Gruppe, zu der u.a. Schriftsteller und Maler wie Gleizes, Metzinger und Apollinaire gehörten. Im Salon des Independants 1909 stellte er noch Landschaftsbilder aus und zeichnete Karikaturen.
In der ersten Ausstellung 1913 der Armory Show in New York wurden 1300 Bilder ausgestellt, nur 1/3 davon, die interessantesten – kamen aus Europa, 17 davon waren von den drei Duchamp-Brüdern, die bis auf ein Werk alle verkauft werden sollten. Marcel Duchamps « Akt eine Treppe herabsteigend », das 1912 vom Salon des Independants abgelehnt worden war, wurde zum Markenzeichen der Show: meistdiskutiert und meistkritisiert, bewundert! Das von den Futuristen beeinflusste Gemälde einer herabschreitenden Frau, die Zeit und Raum durchdringt, leitete perfekt die neue Epoche – geprägt durch die Relativitätstheorie, den Futurismus und den Konstruktivismus, Strawinsky und Schönberg – ein. Ein Antiquitätenhändler aus San Francisco kaufte es – schon wieder auf dem Rückweg – per Telegramm.
Vom amerikanischen Erfolg erfuhren die drei Brüder erst später, schon wieder zurück in Neuilly, als die Schecks der verkauften Werke eintrudelten. Marcel Duchamp bekam für seine vier verkauften Werke ganze 972 Dollar, das war nicht mal 1913 ein hoher Preis. Duchamp hatte aber nun eh keine Lust mehr auf Öl und darauf Künstler zu sein, oder jedenfalls konventioneller Künstler zu bleiben. Er war gerade mal 26 Jahre als, als er seinen Stil drastisch änderte und den Begriff Kunst radikal in Frage stellte. In einem Pariser Warenhaus kaufte er einen Flaschentrockner aus Eisen und signierte ihn, anschließend platzierte er dann sein Rad (bicycle wheel) auf dem Hocker. Für ihn reichte es aus, ein Werk als Kunst zu bezeichnen, damit es zu Kunst wurde. Das war die Geburtsstunde des Ready Made! Immer auf der Suche nach Neuem und auf der Flucht vor der drohenden Langeweile des Bekannten, wechselte er bisweilen seine Identität und signierte einige seiner Werke auch mit Pseudonymen wie Mutt bzw. Rrose Selavy. Sein Erfolg war nun nicht mehr aufzuhalten.
Die Ausstellung in der GNAM zeigt seine wichtigsten ready made Gegenstände, einige Zeichnungen und Archiv-Dokumentationen und beweist den Einfluss Duchamps auf seine italienischen Malerkollegen in den 50er und 60er Jahren wie Baj, Baruchello, Dangelo oder Patella .
Taschenschachspiel – ready made 1946
Anekdote: Der Vater von Jean-Noel hat mit Marcel Duchamp in den 60 Jahren in Saint Tropez Schach gespielt. Immer wenn er (Duchamp) einen für ihn ungünstigen Zug getan hatte, nahm er diesen blitzschnell zurück und erklärte, dass er das nicht vorgehabt hätte und deshalb den Zug (und weitere vorher) zurücknehmen müsse. Ein guter Verlierer war er nicht!
ready made à la Marcel Breuer (Christa Blenk)
Die Ausstellung läuft noch bis 9. Februar 2014 in der Galleria Nazionale d’arte Moderna