Mussorgsky und Kandinsky: als die Bilder laufen lernten
Inspirationen: Hartmann – Mussorgsky – Kandinsky
Piano mit Video-Rekonstruktion in der Aula Magna in Rom am 28. Mai 2013
1874 organisierte die Akademie der Künste in St. Petersburg eine Ausstellung von 400 Bildern des 1873 (nur 39jährig) verstorbenen Architekten Viktor Hartmann. Sein Freund Modest Mussorgsky besuchte diese und wird zu dem Klavier-Zyklus « Bilder einer Ausstellung » inspiriert.
1928, also 54 Jahre später, hört Wassily Kandinsky in Dessau die Musik und schafft diese geniale konstruktivistisch-bewegliche Bühnenkomposition. Kandinsky hatte sich schon früher – noch in München um die Jahrhundertwende – für Farben, Musik und Bewegung interessiert (« Der gelbe Klang »), aber nicht zu Ende gebracht. Die zehn noch erhaltenen farbigen Aquarell-Entwürfe dienten als Grundlage für die Konstruktion der Elemente. Eine eigene Welt von Farben, Licht, Formen, ständig in Bewegung, eine Sezierung und Wiederherstellung der Bilder. Die Realisierung des Videos übernahm seinerzeit Arthur Spirk.
Gestern abend hat der russische Pianist Mikhail Rudy die Originalversion von 1928 für Piano und synchronisierter Videoinstallation vorgetragen.
In den 16 Bildern seines Musik-Universums gibt Mussorsgky seine Eindrücke der Ausstellung wieder; sie sehen und hören sich ungefähr so an:
Promenade I und II: der Komponist geht durch die Ausstellung. Die Musik wird von zwei roten Kreisen und einem Rechteckt begleitet. Dieses Thema taucht insgesamt 5 x – immer leicht variiert – auf.
Gnomus: Ein krummer linkischer Zwerg hüpft herum – Lamento, Schmerz, Qual, Stolpern, Schreikrmäpfe – spieltechnisch eine große Herausforderung
Das alte Schloß: Ein Troubador singt vor einem alten Schloß – eine ruhige Romanze
Die Tuilerien: Kinder streiten sich während sie in den Tuilerien spazieren gehen
Bydlo (der Ochsenkarren): Ein alter Wagen mit großen Rädern. Viel Bass und etwas schwerfällig bis die Musik immer weniger wird, je weitr sich der Karren entfernt
Ballett der Küchlein in ihren Eierschalen: Hartmanns Skizze für eine Szene im Ballet Trilby, das 1871 inSt. Petersburg aufgeführt wurde. Hüpfende und trillernde Musik
Samuel BGolden und Smuyle: Bleistiftskizzen zweier Juden – einer reich der andere arm – die sich miteinander unterhalten. Jammern, Gezeter, Bass – einne Hand spielt Goldenberg, die andere Schmuyle – nach dem Disput werden sie dann zusammengeführt.
Der Marktplatz von Limoges: Französische streitende Marktfrauen – die Musik führt direkt hinab in die ..
Römischen Katakomben mit Totensprache: Hartmann untersucht die Katakomben von Paris. Düstere Stimmung beim Anblick all der Totenschädel und Knochen. Es wird als Requiem für Hartmann bezeichnet.
Die Hütte der Baba-Yaga: Dichter Wald, Grauen und mörderischer Hexenritt der Baba Yaga. Die Hütte auf Hühnerfüssen
Das Heldentor in Kiew: Skizze für ein Stadttor im altrussischen Stil, die Kuppel hat die Gestalt eines slawischen Helms. Russisch-orthodoxer Gesang und Glocken. Zum Schluß nochmals das Promenaden-Thema.
Ein aussergewöhnliches Erlebnis! Rudy hat mit viel Kreativität, Unabhängigkeit und Leidenschaft diese laufenden Bilder begleitet. Studiert hat er am Moskauer Konservatorium, seit 1975 lebt er allerdings in Frankreich. In der Cité de la Musique wurde dieses Projekt mit großem Erfolg im Jahre 2010 aufgeführt, ging dann weiter nach Metz, Rouen, Wimbledon, St. Petersurg, Mailand und Sevilla und gestern durften wir es hier in Rom genießen.
Christa Blenk
s.a.
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