Rienzi an der Oper in Rom
Ausschnitt Marc Aurel Säule an der Piazza Colonna
Rienzi kehrt nach Rom zurück
« Die Freiheit Roms sei das Gesetz, ihr untertan sei jeder Römer; bestraft sei streng Gewalt und Raub und jeder Räuber Roma Feind! » (1. Akt, 4. Auftritt)
Lug, Betrug, Verrat, Intrige, Untergang : und das 100 Jahre vor Machiavelli!
Im Wagner- und Verdi Jahr 2013 wurde zum ersten Mal „Rienzi – der letzte der Tribunen“ in Rom in deutscher Sprache aufgeführt – fast um die Hälfte gekürzt. Vor der Premiere entstand erst mal eine kurze Panik, da ein angekündigter Streik diese gefährdete. Aber Italien ist ja ein Land der Improvisation und so wurde die Premiere kurzerhand verschoben.
Sacrum romanum imperium in der Mitte des 14. Jahrhunderts (Exkurs: Papstsitz war Avignon und der aus einfachen Verhältnissen stammende Notar und Gelehrte Cola di Rienzo war gerade wieder aus Avignon zurückgekehrt um – wie wir wissen vergeblich – den (französischen) Papst Clemens VI dazu zu bewegen, nach Rom zurückzukehren): Rienzi taucht auf, macht einen Versuch – mit Unterstützung des Klerus – Rom von der Gewaltherrschaft der Patrizierfamilien Colonna und Orsini zu befreien („Erstehe, hohe Roma, neu“) und es den Römern zurückzugeben. Die wankelmütige Meute hält zuerst zu ihm, jubelt ihm zu, er zieht ins Kapitol, begnadigt auf Bitten seiner Schwester Irene und deren Geliebten Adrian (Sohn des Colonna), die Adeligen, die ihn ermorden wollten. Diese Tat verzeihen ihm die blutrünstigen Lumpen nicht und wenden sich von ihm ab, um sich einem anderen Schreier zuzuwenden. Adrian Colonna, liebt Irene aber mehr noch seinen Clan und muss ausserdem seinen von Rienzis Leuten getöteten Vater rächen. Irene zweifelt, bleibt beim geliebten Bruder, geht mit ihm in den Kerker und Rom brennt! Ob Rienzi ein idealistischer Befreier oder ein Tyrann war, bleibt unserer Fantasie überlassen?
Der 28-jährige Wagner hat sich gleich nach der Lektüre von Edward Bulwer Lytton’s Roman entschieden, aus dem Rienzi-Stoff eine „Grand Opéra“ zu komponieren – er brauchte einen Erfolg. Meyerbeer und Auber mussten übertroffen werden; ich denke er hat das geschafft. Wagners musikalische Dramaturgie ist perfekter und genialer durchkomponiert als die französische Oper des 19. Jahrhunderts – sie war nur viel zu lang und trotz Meyerbeer’s Fürsprache wurde sie in Paris abgelehnt. Die Uraufführung fand dann 1842 in Dresden statt.
Vor vollem Haus triumphierte Richard Wagners dritte Oper Rienzi, eben weil sie gekürzt war, weil es kein Nibelungen-Thema war – wie die hiesige Presse vermerkte – , weil es in Rom spielt, weil es die römische Oper schlechthin sein könnte (wie Hugo de Ana erklärte) und weil die Musik so klingt wie eine Verdi-Oper. Dementsprechend wurde auch jedes Mal nach einer „belcanto Arie“ heftig applaudiert und somit sind dann aus den geplanten 3 ½ Stunden doch fast 4 geworden. Mit Rienzi hat Wagner zum ersten Mal Erfolg gehabt. Das Thema gibt Wagner viele Möglichkeiten zu bombastischen und wuchtigen Arien und Melodien, Märschen und Drohpartien – es ist fast immer laut, er haut auf die Pauke! (und wenn es mal zart und lieblich wird wie bei Adrians Arie „Gerechter Gott, so ist’s entschieden schon!“), dann wickelt garantiert ein Nachbar grad ein Hustenbonbon aus oder jemand geht raus oder ruft seine emails ab etc – das ist auch Rom).
Der Musikwissenschaftler Egon Voss sagte 1983 folgendes über den Rienzi: … So gelang Wagner mit dem „Rienzi“ erstmals ein Werk eigener Prägung … erstmals ist das spezifisch Wagnersche Idiom hörbar, das in Werken wie „Die Feen“ und „Das Liebesverbot“ weitgehend fehlt. Dennoch: Wagners Rienzi ist über weite Strecken eher eine italienische als eine deutsche Oper; Wagners Vorliebe und Begeisterung für Bellini hat sich keiner seiner Partituren so eingeprägt wie dem Rienzi …
Verständlich, dass die Oper in den 30er Jahren ständig aufgeführt wurde und zum Repertoire aller wichtigen Opernhäuser gehörte. Das hat sich nach dem Kriege geändert, Rienzi war als „profaschistisch verschrieen und wurde so gut wie nicht mehr aufgeführt. In Rom konnte man diesen „Jugendstreich“ von Wagner 1969 als „versione ritmica italiana“ mit Arrigo Boito unter Oliviero De Fabritiis sehen – seit dem nicht mehr.
Wagner selbst hat seinen Rienzi später vergessen wollen. Er nannte das Werk einen „Schreihals“. Während Eduard Hanslick, der ja Wagner kritisierte wo er nur konnte, den Rienzi sehr positiv bewertete, vielleicht gerade deshalb! Auf Wunsch von Wagner wird sie in Bayreuth nicht aufgeführt.
Aber jetzt zur Aufführung:
Andreas Schlager ist der päpstliche Notar Cola di Rienzo, er ist – wie der Chor – ständig präsent und in rot-braunes Leder gewandet. Im ersten Akt schlicht, später dann mit einem pompösen kardinalroten Umhang – unter diesem deutet sich dann zum Schluss auch ganz dezent das „zweite“ Thema, der Inzest Rienzi-Irene an. Schlager übersteht diese sehr schwierige Rolle mit Auszeichnung. Die intensive und grandiose und sehr textverständlich singende Angela Denoke ist eine würdige Nachfolgerin von Wilhelmine Schröder-Devrient, die die Hosenrolle des Adrian bei der Uraufführung am 20. Oktober 1842 in Dresden inne hatte. Sie trägt auch Leder, aber dunkelgrau. Gut auch Manuela Uhl die Rienzis Schwester und Adrians Geliebte Irene singt. Obwohl sie viel auf der Bühne ist, hat sie eher eine kleine Rolle. Roman Astakhov ist Stefano Colonna und Ljubomir Puskaric ist Paolo Orsini, Milcho Borovinhov übernimmt die Rolle des Rienzi-Vertrauten Raimondo.
Der Argentiner Hugo de Ana hat sich an die „Peplum“- Inszenierung von 1969 angelehnt: mit Säulen, Reiterdenkmäler à la Marc Aurel auf dem Kapitol, stehenden und umgestürzten Monumenten, z.T. aufwendigen Kostümen. Angereichert hat er seine Version – zu unserem (deutschen) Leidwesen – mit schwarzen Fahnen mit Adler-Aufdruck, die Soldaten hatten Gewehre mit Bajonettenaufsatz und trugen Stahlhelme, die aufgestachelte Meute war grau. Diese Inszenierung war eine Mischung aus einem „Schwert- und Sandalen“ Schinken, einer Reportage aus dem Ersten Weltkrieg und einem Film von Leni Riefenstahl. Teilweise durchaus gelungen, aber nicht sehr originell. Cinecittà in der Oper. Minimal kann man dieses Werk ohnehin nicht inszenieren, weil die Bühne ständig voller Menschen sein muss. Aber de Ana hat den einfachen Weg gewählt.
Am Pult Stefan Soltesz, er ist ein control freak und hat das ganz korrekte Orchester der Oper Rom sehr „belcantig“ dirigiert und es ausgezeichnet durch die komplexe Partitur gebracht. Großes Lob – auch für den omni-präsenten Chor unter Leitung von Roberto Gabbiani.
Christa Blenk
Zusatzinfo:
Im heutigen Rom kennt man Cola di Rienzo vor allem als lange schicke Einkaufsstraße in Prati auf der „Trastevere“-Seite von Rom, gleich hinterm Vatikan und die Palazzi von Colonna und Orsini öffnen am Samstag ihre Türen für Touristen und zeigen ihre Reichtümer und fantastischen Sammlungen.
Info zu Wagner-Aufführungen in Italien: Das großartige und imposante « Teatro Massimo » in Palermo hat – leider – die für den Herbst geplanten Aufführungen von Siegfried und Götterdämmerung (Rheingold und Walküre waren dieses Frühjahr dran) aus finanziellen Gründen « auf unbestimmte Zeit » verschieben müssen.