QNG – Phantasie und Symmetrie
QNG ist keine Abkürzung einer neuen internationalen Organisation oder ein Tippfehler, sondern steht für « Quartet New Generation » und so originell wie ihr Titel ist auch ihre Musik. Heide Schwarz, Susanne Fröhlich, Petra Wurz und Inga Klaucke kamen auf Einladung des Goethe Instituts nach Italien und nach einem Auftritt in Palermo und Neapel, standen sie am Samstag Abend in Rom in der Via Savoia auf der Bühne.
Als erstes Stück spielten sie ein « Beata viscera » – anonym. Vielleicht aus der Zeit in der die Blockflöte erfunden wurde. Musik für den Hof der Katholischen Könige – sephardisch-spanisch mit arabischem Hintergrund. Von hier wurden wir direkt ins Jahr 2000 gebeamt zu einer Toccata von Fulvio Caldini (*1959) »Clockwork ». Zeitgenössisch-obsessiv, jazzig mit folkloristisch-andischem Einfluss. Sehr elegant, wie die beiden Stücke miteinander verbunden wurden.
Im Anschluss wurde die Fuge VI (c-Moll) von Georg Friedrich Händel, einem kurzen genialen Werk von Mary Ellen Childs (*1957) « Parterre » und einem ganz wunderbaren und sehr amüsanten Stück von György Ligeti (1923-2006) « Sechs Bagatellen » gegenübergestellt, um gleich darauf von einer sehr stark umgearbeiteten Fuge von Schostakowitsch (Fuge Nr. 1 in C-Dur) abgelöst zu werden. Hier hat man sogar eine Orgel gehört! Das ging alles so schnell, dass sich das 17. und 20. Jahrhundert erst nach ein paar Tönen herauskristallisierte.
Jetzt zum highlight des Abends, « Airlines » von Woiciech Blecharz (*1981) – eine Komposition, die der junge Flötenspieler und Komponist eigens für QNG geschaffen hat. Partitur im herkömmlichen Sinne gab es keine, die Musikerinnen bekamen Videos von ihm zugeschickt, in denen er ihnen erklärte, wie das Stück zu spielen sei. Es war umwerfend! Große Flöten, kleine Flöten, kubistische Flöten, halbe Flöten, Viertelflöten, umgedrehte Flöten, Trompetenflöten. Es wurde in die Flöte gesprochen, gepustet, auf sie geklopft, neben der Flöte gesprochen, gesungen, ein Gedicht vorgetragen « empty spaces / around me / open sky / like a cure / always helps me / silence / she » und das alles in einem rasanten Flötenwechsel. Die Vier haben in den knapp 9 Minuten ca. 15 x (jede) die Flöte gewechselt oder die Position der Flöte vertauscht. Aufregend und spannend. Das Stück heißt nicht umsonst « Airlines ». Es gab die Ansage vor dem Start, das Rollen auf die Startbahn, den Start, den Flug, Turbulenzen (leichte und heftigere), wahrscheinlich einen kurzen Maschinenausfall, Durchsage des Kapitäns (war es das Gedicht?), Beruhigung, einen Blitzschlag, Regen, Landeanflug und glückliche Landung. Hier waren all die Geräusch-, Klang- und Bildwelten vorhanden, die uns am Beginn des Konzertes versprochen worden waren. Die Spielerinnen haben sich köstlich amüsiert – und das Publikum noch mehr!. Die Zeit verging wie im Flug!
Zum « Runterkommen » und zur Belohnung, wie Susie Fröhlich es ausdrückte, gab es noch etwas vom Großmeister der Fuge – und der Flöte: Johann Sebastian Bach « Concerto und Fuge in C Dur ». So haben sie uns zum Schluss nochmals gezeigt, dass ihre Zauberflöten auch normale Töne hervorbringen können.
Das Konzert stand unter dem Motto: Phantasie und Symmetrie: Die Fuge – sie eignet sich perfekt für so ein Experiment. Sie ist kurz und prägnant, variabel, ausbaufähig und kennt keine Grenzen, sie kann immer wieder neu erfunden werden, bleibt beständig und ist nie langweilig.
Ein Springen, nicht nur zwischen den Jahrhunderten sondern auch zwischen den Klängen. Jede Flöte bringt andere Töne hervor und hat ihre Eigenheiten. Bewundernswert, wie sie diesen Spagat und das Jonglieren zustande gebracht haben. Die harmonischen Dissonanzen, die manchmal entstehen, wenn verschiedene Blockflöten zusammen spielen, haben zeitweise ein 5. Instrument dazu geholt.
QNG widmet sich vor allem der Neuen Musik und in den letzten zehn Jahren sind über 30 Werke für das Quartett geschrieben worden. Berührungsängste haben die Vier auch nicht. Weder bei den ca. 50 verschiedenen Blockflöten die zum Einsatz kommen und zum Teil größer und schwerer als sie selber sind, noch bei der Musikwahl. Zu ihrem Repertoire zählen so gut wie alle Komponisten die für Flöte (oder auch nicht) etwas geschrieben haben. Musik aus der Renaissance, Bach, Händel, Ligeti, Schostakowitsch und die ganze Neuen wie Blecharz oder Fulvio Caldini. Sie vermischen – technisch brilliant – Altes mit Neuem und Orient mit Occident und schaffen eine ganz ungewohnte und aufregende Musik-Hör-Kultur.
Als Zugabe gab es dann noch einen Tango und man hat gemerkt, wie gern sie den auch noch getanzt hätten! Bravi!
Auszug aus Thomas Mann « Doktor Faustus »: « …. Mit Ausnahme des Klaviers, das Adrians Pflegevater der Spezialindustrie überließ, war dort alles ausgebreitet, was da klingt und singt, was näselt, schmettert, brummt, rasselt und dröhnt …….. Sie alle, in Sammet ruhend, boten sich an in Oheim Leverkühns Fundus, dazu die Querflöte in verschiedenen Systemen und verschiedener Ausführung, aus Buchsbaum-, Grenadill- oder Ebenholz, mit elfenbeinernen Kopfstücken oder ganz aus Silber gebaut, nebst ihrer schrillen Verwandten, der Piccolo-Flöte, die im Orchester-Tutti durchdringend die Höhe zu halten und im Irrlichter-Reigen, im Feuerzauber zu tanzen weißt….. »
Christa Blenk
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Rétroliens / Pings.
[…] Im Anschluss an unser Konzert in Rom veröffentlichte eine begeisterte Zuhörerin folgenden BlogEintrag…HERE […]