Philip Glass in der Sala Santa Cecilia
Romaeuropa feiert den 75. Geburtstag von Philip Glass mit einem Potpourri-Konzert im Auditorium Parco della Musica – Rom 23. November 2012 in der Sala Santa Cecilia.
Philip Glass: Ist er Filmmusik-Komponist, Minimal-Komponist, New Age Musiker? Oder ordnen wir ihn bei den konventionellen oder seriellen Komponisten ein. Kommerziell – wenn man an die Filmmusik denkt? Auch nicht! Er ist alles ein wenig und hat vor allem eines: keine Berührungsängste.
Das Konzert an diesem Freitag im Auditorium ist eines der « sicheren » Veranstaltungen des Festival Romaeuropa 2012. Man weiß was kommt und man weiß auch, ob man es mag oder nicht und es passt auch eigentlich gar nicht in das Konzept von Romaeuropa. Wollte man die Werke von Stravinsky und Arvo Pärt mit den Kompositionen von Glass vergleichen? Gepasst hat es jedenfalls gut und spätestens beim letzten Stück (« Escape from India » aus dem Film Kundun) hört man sie alle raus – Stravinsky, Pärt, Orff auch. Ich habe sogar Purcell und die « Frost Arie » gehört. Sehr beeindruckend vom Chor vorgetragen « De Profundis » von Arvo Pärt (*1935) und die « Vier Bauernlieder » von Stravinsky (1882 – 1971) . Der 1952 komponierte Klassiker « Concertino for 12 instruments » ist dem Jazz gewidmet und so sind wir wieder bei Glass. Stravinksy ist 1939 von Paris nach USA gereist und dort bis zu seinem Tod geblieben.
Nach der Pause gehört die Bühne Philip Glass. Wir hören Auszüge aus « Einstein on the Beach » (Knee Play #1 und Knee Play #5) und aus dem Werk « The Photographer ». Zwischendurch immer wieder Musik fürs Kino – hauptsächlich für Scorsese-Filme.
Philip Glass, 1937 in Baltimore geboren, hat – wie sich das so gehört – an der Juilliard School of Musik in New York und dann bei Nadja Boulanger in Paris studiert. Er hat eine zeitlang versucht Musik wie Schönberg zu schaffen, sich dann aber lieber Aaron Copland zugewandt, um dann einen eigenen, neuen Weg zu gehen. Ausschlaggebend aber war ein Zusammentreffen mit Ravi Shankar, er begegnete ihm 1965 in Paris. Glass fertigte die Transkriptionen für seinen Film « Chappaqua « . Die Begegnung war fundamental für das weitere Wirken von Philipp Glass. Er nahm Unterricht bei Ravi Shankar, wurde später Buddhist und stellte sein Zeitverständnis um.
« Einstein on the Beach » entstand 1976 und war seine erste erfolgreiche Oper. Er arbeitete zum ersten Mal mit Robert Wilson zusammen. Das Werk wurde in Avignon uraufgeführt. Mit Einstein hat es nichts zu tun und am Strand sind sie auch nicht – Beckett (1906-1989) war sicherlich auch in seinem Kopf als er « Einstein on the Beach » komponierte – immerhin hat er sein erstes Werk für zwei Saxophone nach Becketts « Play » geschrieben. Einstein dauert 5 Stunden und es passiert sehr wenig. Die Musik besteht nur aus wenigen Themen/Rastern. Zahlen werden gesungen (one, two, three four …), begleitet von einer elektronischen Orgel und Bass. Und obwohl es Oper heisst, ist es doch eher ein Happening oder ein Nicht-Happening. 1976 war es sicher radikal und nach Avingnon wurde sehr viel darüber geschrieben. Leider habe ich das Werk nie gehört oder erlebt!
Im Programm wurde auch sein 1980 komponiertes Werk, die Ghandi Oper « Satyagraha » angekündigt: Ideal und Beharrlichkeit / an Vernunft und Gewissen des Gegners appellieren – Ghandis erstes politisches Prinzip. Die Oper ist der zweite Teil der « Portrait »-Trilogie von Philip Glass, bestehend aus « Einstein on the Beach », « Satyagraha » und « Akhnaten ». Satyagraha ist viel weicher, meditativer, spiritueller als « Einstein ». Es spielt ein richtiges Symphonieorchester und richtige Opernsänger – nicht mehr sein Ensemble. Leider wurde es uns aber dann vorenthalten (ich habe aber die Aufführung an der Met – im Kino - gesehen). Dafür spielt das Ensemble noch mehr kommerzielle Filmmusik wie « Freezing » oder « Evidence ». Leider aber nicht die Musik für « Koyaanisquatsi » – mit ihr ist Glass in der New Age Ecke gelandet. Na ja! Hier verließ er das spirituell-minimale. Es ist ein beeindruckend « hysterischer », schneller Film, der nur aus Bild-Fotosequenzen besteht – unterstützt haben Lucas und Coppola. (Koyaanisquatsi kommt aus einer noch existierenden Sprache des nordamerikanischen Indianerstamms der Hopi)
« The Photographer » – eine Kammeroper, wurde 1982 in Amsterdam uraufgeführt. Sie basiert auf dem Prozess des britischen Fotografen/Künstlers Earweard Muybrigde (Muybridge ermordete den Liebhaber seiner Frau, wurde aber wegen « entschuldbaren Mordes » freigesprochen.) In der Oper werden Prozessauszüge und Ausschnitte aus Briefen seiner Frau verarbeitet. Wir hören daraus « A Gentleman’s honor » und im Hintergrund läuft ein Film mit Muybridges bekanntem Pferd das rennt aber nicht vom Fleck kommt – schön!
Peter Sellars hat einmal über ihn gesagt: „Bei Phil ist es ein bisschen wie bei einer Zugfahrt einmal quer durch Amerika: Wenn Sie aus dem Fenster sehen, scheint sich stundenlang nichts zu verändern, doch wenn Sie genau hinsehen, bemerken Sie, dass sich die Landschaft sehr wohl verändert – langsam, fast unmerklich.«
Am Pult stand Tonino Battista mit seinem PMCE Parco della Musica Contemporanea Ensemble – er hat das gut gemacht – manchmal hat er das Ensemble zu laut werden lassen – den Vor-Leser am Klavier während Knee Play #5 hat man sehr schlecht verstanden – aber vielleicht sollte das ja so sein; der Chor Santa Cecilia war wie immer ziemlich gut.
Christa Blenk